Brauchst du eine Anleitung zum Kartenspielen? Nein, du weisst wie man Karten spielt. Aber was du vielleicht nicht weißt ist wie man Texas Hold Em spielt oder Bohnanza oder Chez Geek oder Munchkin spielt.
Du brauchst eine Einleitung für jedes einzelne Kartenspiel. Das ist bei Rollenspielen genau so. Die Vorstellung, dass man nur wissen muss wie man "Rollenspiele" spielt und danach kann man sich bei jedem Regelwerk getrost nur dem Regelmechanismus zuwenden, halte ich für einen gravierenden Fehler. Er ist auch der Grund, weshalb so viele "Rollenspieler" bei Primetime Adventures (oder Sorcerer oder With Great Power...) wie der Ochse vor'm Scheunentor stehen.
Man lernt nicht zu spielen, man erlernt Spiele.
Du hast damit nicht Unrecht, aber drücke ich mich wirklich so unklar aus? Natürlich kann man auf eine andere Art spielen wollen und sich der Art, die der Autor vorsieht, unterwerfen: dann spiele ich CoC nach CoC-Regeln, anschließend Vampire nach Storyteller-Regeln und schließlich PtA nach PtA-Regeln. Das entspricht den unterschiedlichen Verkehrsmitteln in meinem Beispiel. Wem das gefällt, bitteschön; das ist eine mögliche Herangehensweise, aber nicht die einzige. Und sie ist auch nicht unbedingt immer die richtige, sonst wäre ja niemals jemand mit dem System, das er gerade spielt, unzufrieden; schließlich macht er das, was der Autor will. Aber wenn jemand einen bestimmten Spielstil vorzieht und sich für andere nicht interessiert, dann ist es Unsinn, das System zu wechseln, wenn das perfekte System bereits vorliegt. Ich bin eben so eindimensional: mich interessiert keine andere Herangehensweise an das Rollenspiel als plausible Simulation der Lebenserfahrung eines fiktionalen Charakters in einer fiktionalen Realität. Das ist nicht der Königsweg und muss weder dir noch jemand anderem hier gefallen, aber es gefällt mir und meinen Spielern. Rollenspiele kaufe ich ausschließlich der Settings wegen, das System wird nur so weit beachtet, wie ich es brauche, um Zusatzregeln für mein eigenes System zu backen (z.B. Mentale Balance für Kult). Selbst wenn jetzt ein supertolles narratives System mit einem geilen Setting herauskäme, würde ich das Setting trotzdem mit meinen eigenen Regeln spielen, weil ich an keiner anderen Art zu spielen Interesse habe. Ohne mich jetzt auf das Glatteis der Behauptung begeben zu wollen, es sei narrativ, aber das Arcana-System von Engel unterscheidet sich offensichtlich von der klassischen Herangehensweise. Engel ist vermutlich ein gutes Beispiel, da es auch d20-Regeln enthält: ich wette, das jeweilige Look and Feel von Engel mit dem einen oder anderen System dürfte sich beträchtlich unterscheiden. Und dennoch habe ich Engel nur wegen des Settings gekauft und werde es, wenn ich es irgendwann spiele, mit meinem eigenen System spielen, weil nur dieses System genau das tut, was es meiner Meinung nach soll.
@Thalamus: Nein,
den Weg gibt es nicht, da hast du Recht. Statt eines allgemeinen 'man' hätte ich vielleicht 'ich' schreiben sollen: ich weiß, wie ich spielen will, und brauche mir das von keinem Autoren erklären zu lassen. Seine Vision ist nicht meine Vision.
@Roland:
Oder man wird zu jemandem, der glaubt seine Art (oder die seiner Gruppe) zu spielen, sei die einzig existierende Methode. Oder schlimmer noch, die einzig Vernünftige. Ich sehe ab und zu immer noch verwunderte oder sogar verärgerte Gesichter, wenn ich als SL Spieler nach ihren Wunschszenen frage, oder als Spieler andere Spieler ooc bitte, ihren Charakter auf eine bestimmte Weise handeln zu lassen.
Richtig, das kann passieren. Missionieren gehen muss man mit der persönlichen Methode nicht unbedingt (ich weiß, habe ich schon gelegentlich getan, mea culpa). Aber du würdest auch bei mir auf Ablehnung stoßen, wenn du mir mit Wunschszenen kommst oder mir Charaktertipps geben würdest - und zwar deshalb, weil mich das von der Identifikation mit meinem Charakter abhält. Ich spiele Rollenspiele wegen dieser Identifikation, und die wird durch alles, was nicht unmittelbar aus der Handlungsgewalt des Charakters erwächst, gestört. Das ist Teil eines Spielstils, und nicht unbedingt eine Schwäche. Wer eine schönere / spannendere Story generieren will, soll solche Mechanismen anwenden; aber anzunehmen, die Adoption solcher Mechanismen würde auf jeden Fall zu einem befriedigenderen Spiel führen, ist schlichtweg falsch.
Robin