Mrs. Ferrington rannte schreiend aus dem Haus. Ich kann es ihr nicht verdenken - ihr blutverschmierter Sohn lag bewußtlos am Boden, die Irre, die sie angeschossen hatte, beugte sich über ihn, um irgendwas mit ihm anzustellen, und ein wahnsinniger Axtschwinger rannte herum und köpfte Leute. Mann, was rede ich da, aber genauso muß es für sie ausgesehen haben. Genau so. Brian meinte, in dem Film wären wir die Monster gewesen, und wenn ich an diese Szene denke, hat er Recht. Ich glaube, ich geh jetzt erstmal eine Runde um den Block. Bin gleich wieder da.
Um ehrlich zu sein, bin ich erstmal aufs Klo gegangen, um mich zu übergeben. Danach war ich eine Weile ausreiten, um meinen Kopf wieder halbwegs klar zu kriegen. Gerade jetzt eben, als ich das ganze noch mal niedergeschrieben habe, ist mir klargeworden, was in dem Haus passiert ist. Worte reichen nicht aus, um das zu beschreiben, aber die Wahrheit ist, daß ich schon Schwierigkeiten habe, das zu lesen, was ich da oben geschrieben habe. Ich habe auch Schwierigkeiten zu schreiben, weil meine Hand gerade jetzt so zittert, aber ich muß irgendetwas sagen.
Verdammt. Verdammt. Nein, das hilft auch nicht. Laß es raus, Junge. Mach schon.
Also, weiter im Text. Irgendwie beruhigt es mich fast, daß ich das alles nicht ganz so cool ertragen kann. Scheint, als wäre ich doch noch menschlicher, als ich dachte.
Tschuldigung. Ihr wolltet ja Fakten von mir hören. Wo war ich? Weg, nochmal. Diese letzte Szene, mit dem toten Arzt... das geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Aber die Worte, in die ich das fassen muß, gehören nicht hierher.
Sylvia kümmerte sich um Brian, der aus seiner Kopfwunde heftig blutete. Ich machte mich auf die Suche nach Kim, den ich auch ziemlich schnell fand. Hier drinnen war die Musik wieder zu hören, wenn auch nicht ganz so laut und penetrant wie vorher.
Kim saß in einem Gästezimmer auf dem Bett und spielte auf seinem Instrument. Oder? Wie war das nochmal genau? Ich kann mich kaum noch erinnern, die ganze Geschichte erscheint mir teilweise bruchstückhaft und zusammengestückelt, wie Sequenzen aus einem Alptraum.
Um mal zu erzählen, was Kim passiert war: Er wurde von dem Schuss getroffen und es wurde schwarz um ihn herum. Er erzählte mir, daß er ein Licht gesehen hätte, auf das er zuschwebte, bis er plötzlich hinter sich Musik hörte. Er drehte sich um, und dann sah er Bill Toge (?), der ihm mit seinem Musikinstrument winkte. Keine Frage - Kim kam zurück, um weiter seine Musik zu spielen.
Und dann fand er den perfekten Groove (das ist Kims Wortwahl, nicht meine!) und spielte selbstvergessen vor sich hin, bis ihn Don Spending aus der Konzentration riss. "Das reicht jetzt wohl, oder?", fragte er und nickte Kim gönnerhaft zu. Kim war nicht so begeistert von der Unterbrechung - er spielte doch gerade seinen Groove! -, aber er kam nicht wieder auf den Level, den er vorher gehabt hatte.
Irgendwann in dieser Geschichte (die Kim vielleicht noch mal selber erzählen sollte, wenn er sie bis dahin noch weiß) tauchte ich auf. Kim war nicht weiter verletzt, von einer schweren Schußwunde war keine Spur zu sehen. Als ich hörte, daß Spending tatsächlich kurz vorher da gewesen war, machte ich mich auf die Suche nach ihm. Ich hatte da einige Fragen, und ich dachte, Spending wüßte vielleicht ein paar Antworten. Kim folgte mir.
Draußen sahen wir, wie Spending in ein Auto stieg, freundlich winkte und losfuhr. Nach der ganzen Geschichte, die sich ja zumindest teilweise um ihn gedreht hatte, wollte ich ihn nicht einfach wegfahren lassen, und schoss ihm in einen seiner Reifen (und ja, ich treffe auch Sachen, wenn mich keine Musik beeinflußt!). Spending stieg aus und schien eher amüsiert als verärgert - so, als wäre ich ein kleiner Junge, der seinen Lieblingsonkel nicht nach Hause gehen lassen will.
Ich fragte ihn, was hier los wäre, was dieser ganze übernatürliche Scheiß eigentlich zu bedeuten hatte, was Morrison von ihm wollte, und - keine Ahnung - vermutlich auch noch, warum das Universum eigentlich existiert. Ich dachte einfach, irgendwer wäre uns mal eine Erklärung schuldig, und Spending wußte, was los war. Er war vielleicht nicht daran schuld, aber er wußte es, und er ließ uns verdammt noch mal im Dunkeln tappen. Und dann kam er auch noch mit dieser onkelhaften 'Ach-mein-Junge-das-verstehst-du-nicht'-Tour, die jetzt nicht unbedingt geeignet war, mich auch nur ansatzweise zu beruhigen.
Das ging eine Weile hin und her: Ich fragte, er wich aus, meinte, er könnte das nicht erklären, er müsse jetzt weiter, blablabla. Und die ganze Zeit hatte er so ein kleines scheiß-freundliches Lächeln im Gesicht. Ich sagte ihm, ich würde ihn nicht gehen lassen, bis ich nicht eine Erklärung hatte.
Er zuckte die Schultern und streckte die Hand nach mir aus. Ich wich zurück und fragte ihn, was das jetzt wieder sollte. Er meinte, er könne das nicht mit Worten erklären und müsse es mir zeigen. "Worte reichen mir vollkommen aus, danke", sagte ich. Nach der Geschichte mit Bill Toge lass ich mich doch nicht einfach von einem von diesen... übernatürlichen Typen anfassen. Ich war einfach mißtrauisch.
Kim natürlich nicht. Er meinte, er wäre gern bereit, sich irgendwas zeigen zu lassen. Spending fasste ihn an, Kim fiel um und regte sich nicht mehr. Dann kam Spending auf mich zu, die ganze Zeit immer noch mit diesem kleinen Lächeln auf dem Gesicht.
Ich schoß ihm vor die Füße und sagte ihm, er solle verdammt noch mal stehenbleiben. Er kam weiter auf mich zu, und bevor er mich berühren konnte, schoß ich noch einmal. Er fiel rückwärts um. Tot. Besonders überrascht sah er allerdings nicht aus. Eher zufrieden. Das blöde kleine Lächeln war jedenfalls noch da. (Das ist jetzt absolut mein persönlicher Eindruck, und es kann gut sein, daß ich mir das nur einbilde. Aber so kam es mir vor.)
Kim kam ziemlich schnell wieder zu Bewußtsein. Als er erfuhr, daß ich Spending erschossen hatte, war er entsetzt und reichlich verärgert. Er meinte, er wüßte nicht, ob wir überhaupt auf derselben Seite stehen. Das weiß ich doch auch nicht. Ich weiß ja nicht mal, was es für Seiten gibt, auf denen man stehen kann.
Gemeinsam machten wir uns auf die Suche nach den befreiten Geiseln. Meine Eltern, Don und Mr. Parker hatten in der Zwischenzeit Mrs.Ferrington aufgegabelt und versuchten, sie zu beruhigen. Sie waren immer noch im Garten. (Warum eigentlich, verdammt noch mal? Sollten die nicht abhauen, statt herumzustehen und sich die Show anzusehen?!?)
Als wir auf sie zugingen, sah ich den Blick meines Vaters: Entsetzt. Schockiert. Abgestossen. Mir wurde jäh bewußt, daß ich von oben bis unten mit Blut besudelt war. Nicht nur meins, ganz und gar nicht. Ganz und gar nicht. Und er wußte, was ich getan hatte - er hatte es gesehen. Nicht alles, aber genug. Er sah mich an, als würde er mich nicht kennen. In diesem Moment verließ mich alle Kraft, meine Hand sank herunter, die Waffe fiel zu Boden. Ich schloss die Augen und gab mich der tröstlichen Finsternis hin.
(Ich verspüre gerade den Drang, mich für meine blumige Prosa zu entschuldigen, aber warum sollte ich? Genauso hat es sich angefühlt - als würde ich alle Last von mir werfen, indem ich mich für eine Weile dem Nicht-Sein, dem Nicht-Fühlen hingab. Tröstlich, geborgen. Wenn ich wieder ein Licht gesehen hätte, ich glaube, alle Visionen der Welt hätten mich nicht davon abgehalten, dorthin zu gehen. Oder, um es anders zu sagen: Ich war einfach müde bis auf die Knochen, und ich wollte nur noch schlafen. Ja, das gefällt mir besser. Ignoriert die Sätze ab "Ich schloss...".)
Ich wachte im Krankenhaus wieder auf. Diesmal schien es ein richtiges Hospital zu sein, mit piepsenden Dingern, effektiven Krankenschwestern, Ärzten und allem Drum und Dran. Wir waren alle in einem Zimmer untergebracht, Sylvia, Kim, Brian und ich.
Meine Eltern, Mrs. Ferrington, Mr. Parker und Don waren auch da, saßen an unseren Betten und warteten darauf, daß wir wieder aufwachten. Sie schienen ganz in Ordnung zu sein, auch wenn ich ein paar Verbände sah.
Brians Mutter flehte ihn an, wieder nach Hause zu kommen, sein Vater werde das mit den Hollow Men schon regeln - die würden nie wieder irgendwen entführen. Brian meint, seine Mutter sei naiv, wenn sie dächte, daß Mr. Ferrington den Hollow Men ernsthaft an den Karren fahren könnte. Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht ist auch Brian naiv, wenn er die Verbindungen seines Vaters unterschätzt (ich sage nur "Onkel Charlie"). Jedenfalls wollte er immer noch nicht wieder nach Hause gehen. Schließlich gab seine Mutter es auf und ging (glaube ich zumindest, allzu viel habe ich davon ja nicht mitbekommen).
Mr. Parker drückte seinem Sohn eine goldene Kreditkarte in die Hand und sagte ein paar markige Worte. Für seine Verhältnisse kam das einem tränenreichen Gefühlsausbruch gleich. Kim beschloss, ein paar Tage mit ihm nach New York zu fliegen, damit sie ein wenig Zeit miteinander verbringen konnten. Daß Brian und ich noch dringend Ruhe brauchten, war ja offensichtlich.
Don sprach mit Sylvia, ich weiß nicht, worüber. Vielleicht erzählt sie es ja noch.
Ich selbst hatte ein sehr schwieriges Gespräch mit meinem Dad. Er erzählte mir, daß die Hollow Men ihn und meine Mutter noch auf dem Weg zum Flughafen abgepasst und nach Iowa verschleppt hätten. Dort stellte man ihnen Fragen nach den Ketten - mein Vater meint, sie wären gefoltert worden. Seine Stimme klang so emotionslos, als er das erzählte. So, als wäre das alles gar nicht ihm passiert, sondern irgendeiner Gestalt in irgendeiner Geschichte. Das ist nicht seine Art - Dad hat seine Gefühle nie versteckt - aber ich nehme an, daß er... ich weiß nicht, was ich annehme. Ich hoffe nur, daß er nicht versucht, auf diese Art damit klarzukommen. Andererseits bin ich vielleicht auch nicht gerade derjenige, mit dem er darüber reden will. Verstehe ich auch, aber trotzdem...
Er hat nichts über die Befreiung gesagt. Gar nichts. Mein Dad ist Pazifist, mit Leib und Seele, und ich weiß, daß er gesehen hat, wie ich die Hollow Men ermordet habe. Ich wünschte, er hätte mich angeschrieen. Aber er sah mich nur aus diesem verwundeten, leeren Augen an, als würde er mich nicht mehr richtig kennen.
Ich sagte ihm, ich hätte das Gefühl, es sei meine Schuld, daß er und meine Mutter mit in diese Sache hineingezogen worden sind. Er widersprach nicht. Verdammt. Also hatte er das Gefühl auch. Aber ich weiß auch nicht, wie ich das ganze hätte vermeiden können - wenn man mal davon absieht, daß ich die Motorräder vielleicht nicht hätte umwerfen sollen, fällt mir nur eine Möglichkeit ein: Ich hätte sterben können, bevor es soweit kommt. Und das kann er doch nicht gemeint haben. Oder?
Vielleicht bin ich unfair. Mein Dad ist auch nur ein Mensch, und er hat schreckliches mitgemacht. Es war ja deutlich zu sehen, daß er das Ganze kein bißchen verkraftet hatte. Und trotzdem, trotzdem habe ich irgendwie erwartet, daß er mich tröstet und mir Kraft gibt. Ganz schön kindisch, eigentlich.
Letzten Endes hat er mich dann doch in den Arm genommen, als ich anfing zu weinen. Ich konnte seinen Blick voller unausgesprochener Vorwürfe einfach nicht mehr ertragen. Und den Gedanken daran, was ihm diese... diese toten Leute angetan hatten. Ich habe ihm mal gesagt, wenn sich jemand an ihm oder meiner Mutter vergreift, dann würde ich sie alle umbringen. Er hat mich damals schon so seltsam angesehen - so, als wüßte er nicht genau, wer ich bin. Verdammt, jetzt muß ich schon wieder weinen.
(Wenn ich dieses Ding nicht mit dem Laptop verfassen würde, wären die letzten Seiten mittlerweile völlig unleserlich. Wäre vielleicht auch besser so...)
Ich weiß jedenfalls nicht, wie es mit mir und meinem Dad weitergeht. Ich hoffe, er erholt sich von der ganzen Geschichte. Ich hoffe, wir können irgendwann über alles reden. Mein Dad und ich standen uns immer sehr nahe. Haben wir das jetzt verloren? Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht. Ich schätze, er auch nicht.
Er fragte mich, ob ich nicht mit ihm und Ina nach Hause zurückkommen will. Ich wurde melodramatisch und gab ein paar filmreife Sprüche von mir, daß ich nicht nach Hause gehen könnte, blablabla. Was soll ich sagen - es ging mir nicht gerade gut, und meine Gedanken waren ein wilder Wirrwarr. Sonst hätte ich das anders formuliert. Aber es ist nun mal so, daß ich mich verändert habe, und ich kann das nicht rückgängig machen. Auch nicht für meinen Dad. Ich hoffe, er wird das irgendwann verstehen.
Mit meiner Mutter war das ganze nicht so dramatisch. Sie hat mir bei meiner Geburt den Namen ihres Großonkels gegeben, der vier Männer aus Rache für seine kleine Schwester umgebracht hat - sie hat keine Probleme damit, daß ich jemanden getötet habe (zumindest nicht so viele wie mein Dad). Klar, sie macht sich Sorgen um mich, und sie würde mich gerne öfter sehen, aber ich glaube, sie versteht mich im Augenblick einfach besser als mein Vater. Früher war das oft anders.
So, jetzt reicht´s aber mit der Analyse meines Gefühlslebens. Oder? Ach ja, da war ja noch der 'Ich habe verwundete Leute ermordet'-Monolog, den ich euch versprochen hatte.
Was soll ich dazu sagen? Ich kann jetzt Tausende von Entschuldigungen, Erklärungen und Begründungen anführen, aber die Wahrheit ist eigentlich ganz einfach: Ich wollte keine Feinde in meinem Rücken, auch keine verwundeten. Es braucht nicht viel Kraft, den Abzug einer Waffe durchzudrücken. Außerdem erholen sich verwundete Feinde irgendwann wieder, und dann muß man sich noch mal mit ihnen herumschlagen. Jeder, den ich jetzt töte, ist jemand, mit dem ich nie wieder Schwierigkeiten haben werde.
Ja, das ist kalt. Ich weiß. Wenn ich kämpfe, dann gerate ich nicht in einen rotumschleierten Blutrausch, in dem außer Wut und Hass nichts mehr Platz in meinem Kopf hat. Ganz im Gegenteil, es wird alles ganz kalt und klar, die Dinge reduzieren sich aufs Wesentliche: Feind oder Freund, Leben oder Tod. Für Gefühle ist da kein Platz, nur für eiskalte Berechnung. Das war bei Joe Napier so, den ich erschossen habe, weil mich sein Gezeter gestört hat (und in einem Kampf auf Leben und Tod kann so eine Ablenkung durchaus fatal sein); das war in New Fortune so, als ich versucht habe, den Boss zu erwischen, als er gehen wollte (und wenn ich ihn getroffen hätte... hm, dann wären wir das Primärziel der Hollow Men geworden, ja, aber dann hätten sie vielleicht darauf verzichtet, die Dörfler abzuschlachten. Vielleicht auch nicht. Verschlimmert hätte es die Situation jedenfalls kaum); und das war auch diesmal wieder so.
Okay. Soweit die Erklärung. Was halte ich davon, wenn ich nicht gerade eine kaltherzige Kampfmaschine bin? Schwer zu sagen. Damit meine ich nicht, daß das besonders schwierig in Worte zu fassen ist, sondern daß es mir schwerfällt, diese Worte auszusprechen. Die Antwort ist eigentlich einfach: Nichts. Ich halte gar nichts davon. Verdammt, es gab eine Zeit, da habe ich geglaubt, daß niemand das Blut eines anderen vergießen muß, daß man immer einen anderen Weg finden kann, daß Worte die Lösung sind, nicht Gewalt. Das ist noch gar nicht so lange her, und ein Teil von mir glaubt das immer noch. Ein anderer Teil ist nicht mehr ganz so idealistisch, aber selbst der fragt mich, wie weit ich eigentlich bereit bin, zu gehen? Gute Frage. Ich wünschte, ich hätte eine gute Antwort.
Ich habe tatsächlich überlegt, zur Polizei zu gehen und mich zu stellen. Ich bin ein Mörder, daran ändern schöne Worte auch nichts mehr. Aber es gibt viele Gründe, die dagegen sprechen (ich habe keine Lust, alle aufzuführen, wenn es euch interessiert, dann fragt mich einfach - oder fragt Brian, dem fallen bestimmt noch ein paar zusätzliche ein), und außerdem bin ich dafür zu feige.
Dazu noch eine Sache am Rande: Keiner der Hollow Men, die ich ermordet habe, hat mich gebeten, es nicht zu tun. Ich weiß nicht, ob ich inne gehalten hätte (und ja, es tut weh, das zugeben zu müssen), aber außer Flüchen und zusammengebissenen Zähnen war da nichts. Keiner hat angefangen, mir von Frau und Kind zu erzählen oder sich zu entschuldigen oder ganz einfach zu sagen, daß er weiterleben möchte. Das entschuldigt natürlich gar nichts, aber ich finde es einfach sehr merkwürdig.
Was die polizeiliche Seite der ganzen Angelegenheit angeht: Meine Eltern, Don und Mr. Parker haben uns vier und Mrs. Ferrington vom Gelände gebracht, bevor die Polizei dort überhaupt auftauchte. Mr. Parker hat seinen Einfluß geltend gemacht (ich nehme an, das heißt, er hat säckeweise Geld verteilt), um zu verhindern, daß allzu genaue Nachforschungen angestellt werden. Offiziell hat bei der Villa eine Art Bandenkrieg stattgefunden. Die Verdächtigen sind alle tot, und die Ärzte in der kleinen Privatklinik werden den Mund halten (irgendwie könnte ich mir vorstellen, daß Mr. Ferrington diese Klinik empfohlen hat, ich weiß gar nicht, warum). Der Cop, der uns an die Hollow Men verraten hat, kommt davon. Das stört Brian übrigens ganz immens, aber ich weiß nicht, was wir jetzt deswegen machen sollen. Ich habe keine Lust, hinzugehen und ihn zusammenzuschlagen.
Die Webpage der Hollow Men ist aus dem Internet verschwunden. Ich weiß nicht, was das heißt - aber die Gang hat mittlerweile über die Hälfte ihrer Mitglieder und etliche Anführer verloren. Vielleicht hat der Rest jetzt endlich die Schnauze voll. Hoffentlich, aber irgendwie glaube ich noch nicht so recht dran. Und selbst wenn - irgendwer wird doch bei den bisherigen Kämpfen einen Bruder oder Freund verloren haben, oder?
Noch was? Ach ja, Don Spending. Im Krankenhaus erzählte uns Kim, was ihm Spending per Visionen in jener Nacht zu verstehen gegeben hatte: Der Kerl ist ein Unsterblicher, der schon seit der Antike unterwegs ist und über die "Gabe der Wiedergeburt" verfügt oder so. Kim ist vollkommen davon überzeugt und ziemlich sauer, weil ich Spending erschossen habe. Ich gebe ja zu, daß das strategisch nicht besonders klug war: Der 'Unsterbliche' hat uns ein paar mal echt geholfen - laut eigener Aussage war er derjenige, der in jener Nacht Kim 'angestupst' hat, damit die Musik diese Auswirkungen hatte. (Ich glaube, ich habe oben vergessen, das zu erwähnen.) Aber der Kerl war mir einfach unheimlich, und ich fühlte mich von ihm bedroht. Ich will nicht behaupten, daß ich keine Schuldgefühle deswegen habe. Habe ich. Trotzdem würde ich mich auch jetzt nicht von dem Typ anfassen lassen.
Ich bin mir nicht sicher, inwieweit ich diese Geschichte mit dem 'Unsterblichen', der durch die Zeiten wandert, glauben soll. Klingt für mich ein bißchen nach den 'Unknown Reading Objects' und Dr. Sylvias Ufo-Sekte. Hey, vielleicht ist Spending ja dieser Comte de St. Germain. Oder Ahasver, der Ewige Jude. Oder vielleicht Kain, der Erste Mörder. Oder dieser Knilch mit der Lanze, der Jesus in die Seite gepiekst hat. Oder etwa ein *gasp* Highlander?!? Na sicher.
Okay, andererseits haben wir ein paar seltsame Sachen gesehen und gehört. Aber Unsterbliche? Nur weil es tatsächlich übernatürliches Zeugs gibt, heißt das nicht, daß wir jeden Scheiß glauben müssen. Und Spending traue ich nicht so weit, wie ich King Kong werfen kann. (Nein, ich glaube irgendwie nicht, daß er wirklich tot ist. Muß Don noch mal fragen, ob seine Leiche bei der Villa rumlag.)
Oh Mann, das ist ja mittlerweile ganz schön lang hier. Ich mach jetzt einfach ein neues Kapitel auf.