Autor Thema: Menschlichkeit und Moral - Vorschläge für Spielmechanismen  (Gelesen 2340 mal)

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Offline Haukrinn

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Morality, Humanity, Spiritual Attributes, nennt den Krempel wie ihr es gern hättet. Ihn vielen Spielen finden sich Mechanismen, die eigentlich dazu dienen sollen, innere Konflikte zu motivieren. Leider funktionieren nur die wenigsten dieser Mechanismen wirklich gut (Spielleiterwillkür, keine sinnvolle Verknüpfung von Mechanik und Setting, usw.), siehe auch hier. Besonders nervt mich das bei der nWoD an, weil ich dieses System abgesehen von dem netten, aber irgendwie aufgepropften Moral-Mechanismus für sehr spielbar und vor alllem spielenswert halte.

Da ich heute im Büro hauptsächlich damit beschäftigt bin, Kompilierungsvorgänge zu beobachten und mein Rechner damit nahezu voll ausgelastet ist, hatte ich Zeit, mal ein wenig darüber nachzudenken, wie ich selbst einen Moralmechanismus gestalten würde. Dazu vielleicht erst einmal einige Grundgedanken:

1. Ich möchte nicht, daß der Spielleiter entscheiden darf, was moralisch richtig oder falsch ist. Ich möchte den inneren moralischen Konflikt (wenn auch nicht das allgemeine Thema) individuell vom Spieler festlegen lassen.

2. Der SL muß erkennen können, wie mein moralischer Konflikt aussieht, so daß er in der Lage ist, meinen Charakter in entsprechende Situationen zu versetzen.

3. Ein innerer Konflikt reicht. Vielleicht überwinde ich diesen irgendwann und suche mir einen neuen. Vielleicht auch nicht. Da das Ganze in meinem Fall primär im Rahmen der WoD eingesetzt werden soll, sind gewisse Randbedingungen ja sogar schon festgelegt. Für den Vampir geht es um den schmalen Grad zwischen Mensch und Tier, für den Werwolf um die innere Harmonie zwischen animistischem Geist und menschlich-physischer Natur. Für den normalen Menschen geht es wahrscheinlich am ehesten darum, wie nah oder fern er, vom Denken und Handeln her, der „normalen“ Gesellschaft ist.

4. Ich habe im jedem Konflikt zwei extreme Positionen, zwischen denen ich hin und her pendeln kann.

5. Der Spieler soll dafür belohnt werden, daß er seinen inneren Konflikt angeht.

Wie könnte ein entsprechender Mechanismus nun aussehen? Zum Beispiel für Vampire?

Fangen wir mal mit einer Skala an. Wir teilen diese in elf Stufen (0-10) ein, auf Stufe 10 landet Menschlichkeit, auf Stufe 0 Tier.  Die 5 liegt genau in der Mitte und ist somit ein guter Startwert. Jetzt ist der Spieler gefordert: Er soll sich fünf Dinge überlegen, die den Charakter „zum Menschen“ (a.k.a. „Dinge, die ich nie machen würde“) machen, und fünf Dinge, die ihn „zum Tier werden“ lassen. Diese Dinge müssen nicht nach „Stärke“ sortiert werden. Sie sollten sich nur nicht in ihrer Bedeutung zu stark überschneiden.

Die letztendliche Liste geht nun in Kopie an den SL, der sich alsdann zu bemühen hat, den Spieler mit Situationen zu konfrontieren, die entweder
a) Etwas auf die Probe stellen, was der Spieler als menschlich definiert hat.
b) Den Charakter mit etwas konfrontieren, was ihn möglicherweise zum Tier werden läßt.

In beiden Fällen kann der Charakter eine Stufe seiner Menschlichkeit verlieren. Bei a) passiert das, wenn er die Grenze, die der Spieler definiert hat, übertritt. Bei b) passiert das, wenn er dem inneren Tier freien Lauf läßt. Verliert der Charakter Menschlichkeit, so streicht er eine „menschliche“ Eigenschaft aus und ersetzt sie durch eine „tierische“. Sinkt die Menschlichkeit auf Null, so erliegt der Charakter vollständig dem Tier.

Bewältigt der Spieler den Konflikt, ohne das sein Charakter Menschlichkeit verliert, so hat eben diese gesiegt. Jetzt einfach eine Stufe auf die Menschlichkeit zu addieren wäre der einfachste Mechanismus, aber zumindest bei der WoD gehen mit hoher Menschlichkeit einige Vorteile einher, also wollen wir es dem Spieler etwas schwieriger machen:

Absolviert der Charakter eine Anzahl von Konflikten in Höhe seiner Menschlichkeit, ohne das er auch nur ein einziges Mal Menschlichkeit verliert, so steigt seine Menschlichkeit auf die nächste Stufe an, er streicht eine „tierische Eigenschaft“ und fügt eine „menschliche hinzu“.

Das wäre es für's Erste. Anmerkungen? Fragen? Kritik?
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Offline Fredi der Elch

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Könntest du mir da vielleicht mal ein Beispiel für machen? Also einen Start-Char (5 menschliche, 5 tierische Eigenschaften) und dann 2-3 Beispielkonflikte (am Besten mit Beschreibung der unterschiedlichen Ausgänge) und eine Entwicklung des Charakters einmal in Richtung Mensch, einmal in Richtung Tier.

Das wäre echt gut, um sich das Ganze vorstellen zu können. :)
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Offline Monkey McPants

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Gehts in dem Thread hauptsächlich um deine eigene Idee und die Kommentare dazu oder sind auch allgemeinere "So würde ich mein Moralkonfliktsystem basteln" Posts angebracht? :)

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Offline Haukrinn

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Minx: Tu Dir keinen Zwang an, der Thread heißt ja Vorschläge für Spielmechanismen, nicht mein Vorschlag für Spielmechanismen.

Fredi: Über'n Beispiel muß ich auch erst mal grübeln, das war ja eher so eine fixe Idee, die mir da ins Hirn geschwirrt ist.
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Offline Fredi der Elch

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das war ja eher so eine fixe Idee, die mir da ins Hirn geschwirrt ist.
Genau deswegen ja die Frage. ;) Wirre Idee, schön und gut, aber am Beispiel merkt man, ob es überhaupt funktioniert oder eben nur eine wirre Idee war. :)
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Zitat von: 1of3
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Offline Monkey McPants

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Minx: Tu Dir keinen Zwang an, der Thread heißt ja Vorschläge für Spielmechanismen, nicht mein Vorschlag für Spielmechanismen.
Ah, ok. Wollte halt nur nachfragen. :)

Mal ein paar Gedanken zum Thema: (Es ist spät, also hab ich vermutlich schon wieder die Hälfte vergessen. ;D )

Grundsätzliche ginge es mir um zwei Sachen: Erstens den Konflikt Mensch/Tier mehr in den Vordergrund zu rücken und zweitens den Aspekt der Versuchung viel stärker zu betonen. Die idealen Regeln für sowas sollten den Spieler selbst in Versuchung führen, ihn dazu bringen das er selber nachgeben möchte.

Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel eien Regel nach dem "Zucker jetzt, Peitsche später" Prinzip nach dem der Spieler sich jetzt entscheiden kann einen Bonus zu erhalten und dafür dem SL oder den anderen Spielern "Punkte" (oder was auch immer) gibt mit denen man ihm dann später Schwierigkeiten machen kann.
...
Hmmm, hier bemerke ich dann aber wieder das ich teilweise inverschiedene Richtungen gehende Vorstellungen/Wünsche habe. Einerseits ist es mir wichtig das das ganze freiwillig geschieht, also keinen wie in Vampire üblichen Bestrafungscharakter hat sondern wirklich eine Versuchung darstellt der der Spieler aber auch wiederstehen kann. Das führt andererseits dann auch wieder dazu das ein Spieler theoretisch das ganze ignorieren könnte was dem anderen Ziel entgegenläuft. (Obwohl man es sicher so deichseln könnte das es zu gut ist als das man es ignorieren könnte. Aber will man das?)

Eine andere ganz witzige Idee die mir gerade gekommen ist die zwar den Konflikt auch nicht soooo zentral macht aber doch irgendwie lustig ist: Charaktere haben Dinge die sie ans Leben binden, wie Beziehungen, Hobbies, Persönlichkeitszüge, lauter Dinge die sie halt zu dem machen was sie sind. Zu Beginn des Spiels überlegt man sich für jeden Charakter halt eine Handvoll Dinge die ihn wirklich ausmachen. Wenn jemand also "Gut Essen Gehen" nimmt dann ist das nicht nur etwas wwas er gern macht sondern ein ganz, ganz integraler Bestandteil seiner Persönlichkeit, quasi das Equivalent der Großen Liebe und ähnlichem. Jetzt kann er im Spiel diese Beziehungen auf Spiel setzen (Wenn man das ganze weniger heftig machen möchte.) oder gleich verbrennen (Wenn man den Wandel etwas stärker machen möchte.) um so richtig heftige Gummipunkte oder Bonuse zu bekommen. Aber wenn man das Ding verloren hat ist es Weg und man bekommt es niemals wieder. Hat man die Liebe des Lebens verspielt dann liebt oder kennt sie vielleicht überhaupt garnicht mehr, wenn es das Essen gehen war dann schmecken einem nichts mehr und alles ist wie Asche in seinem Mund. Und man ist wieder ein Stückchen weniger Mensch geworden.

So eine Regel, zusammen mit Szenen die einen andauernd an die Kante des Abgrunds bringen und es einem wirklich schwer machen (Vielleicht könnte man Regeln einbringen in denen die anderen Spieler immer wieder Konflikte einbringen die den jeweiligen Charakter besonders fordern...) sie zu überstehen ohne die Gummipunkte einzusetzen stellen die Spieler die ganze Zeit vor die Wahl entweder zu vergehen oder das eigene Menschsein zu opfern. Je nachdem was für einen Ton man im Sinn hat könnten diese Konflikte eher typische Rollenspielkonflikte sein (Vielleicht werden Vampire hiergejagt, was weiß ich.) oder vielleicht sind es eher soziale oder auch mentale Probleme mit denen sich die Charaktere herumstreiten müssen.

Auch eine Möglichkeit um die "Aussage" zu ändern wäre die Frage ob man die [Dinge die einen Mensch machen] wiedergewinnen kann oder nicht. Persönlich fände ich es interessanter wenn man es nicht kann aber ich könnte mir vorstellen das man, wenn man sich wieder "rehabilitieren" kann, dieses System auch verwenden könnte um den Versuch wieder zurück zum Menschsein zu finden auszuspielen. (Nicht ganz mein Ding im Moment aber wer weiß...)

Eher die erste Zielsetzung erfüllen würde ein System in dem mit scharfenSzenenwechseln gewarbeitet werden würde und in dem es an gewissen Momenten dezidierte, Harrowing-artige Konfliktszenen gibt in denen dann jeweils die eigene Menschlichkeit auf dem Spiel stehen würde...

Bin aber im Moment zu zombifiziert um mir jetzt irgendwas pervy-narriges ausdenken zu können. Ich glaub ich geh jetzt schlafen, Gute Nacht... ;D

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Online Skyrock

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Sind auch Hinweise auf bestehende Systeme erwünscht? Ich gehe mal rotzfrech von "Ja" aus und verweise auf Unsung.
Das macht die Sache IMHO recht geschickt, auch wenn ich es noch nicht testspielen konnte. (Leute zu finden die im Anti-Krieg-Genre rollenspielen wollen ist mehr als schwierig.)



Es gibt zwei gegeneinander arbeitende Attribute, nämlich Responsibility und Instinct, die zusammen immer 20 ergeben. Immer wenn der Charakter etwas unmenschliches tut (unschuldige Zivilisten erschießen etc.) muß er eine Probe auf Responsibility ablegen. Mißlingt diese so sinkt Responsibility auf 1 und Instinct steigt um 1. Wichtig ist dass es keine "Wenn Responsibility auf 0 sinkt nimmt dir der SL den Charakter weg"-Regel gibt, womit es keine extreme Panik vor Responsibilityverlust gibt.

Dann gibt es noch sogenannte Lapses. Wenn der Charakter in Gefahr ist auszuticken oder eine unmoralische Entscheidung deutlich besser wäre als eine moralische muß er ebenfalls eine Responsibility-Probe ablegen; bei Mißlingen tickt er aus und die anderen Spieler entscheiden wie er agiert und was er während dem Lapse anstellt.

Instinct hat auch vorteilhafte Auswirkungen: Vor einer kampforientierten Probe kann man mit einer Instinctprobe seine Chancen verbessern indem man besonders gnadenlos zuschlägt. Wer bereit ist anschließend einen Lapse zu riskieren kann diesen Bonus sogar noch erhöhen.

Zur Förderung von ethischen Dilemmas gibt es schließlich noch Gifts. Spieler können einem Mitspieler jederzeit einen Bang vor den Latz knallen und erhalten dafür einen Gift Point, der als Leckerli fungiert (Wurfwiederholungen etc.)



Alles in allem macht das für mich den Eindruck eines runden, funktionierenden Kreislaufs. Die Charaktere befinden sich in einem Krieg und können durch Kampf fix sterben => die Moral aus dem Fenster zu werfen erhöht die Überlebenschancen, da Instinctwürfe leichter gelingen und mehr Boni bringen => es gibt keine extremen Strafen durch Menschlichkeitsverlust à la "Du wirst zum NSC" => man kann als Spieler weitere Leckerlis abstauben indem man die Moral der SCs seiner Mitspieler angreift
Wenn man die Kampfsache um Intrigen erweitert und Instinct mit dem Tier und dessen k3w1 p0w3rz verknüpft könnte damit sicher auch bei Vampire arbeiten, welches ja der Ausgangspunkt dieses Threads war.

Auch wenn ich das System nicht testspielen konnte sehe ich aber zwei offensichtliche Schwächen:
1.) Es gibt keine klare Richtlinie dafür was fies genug ist um Responsibilityverlust zu rechtfertigen. Hier müsste man die Lücke schließen und die SL-Willkür eindämmen, etwa dadurch dass man die Entscheidung ob etwas Responsibilityverlust rechtfertigt oder nicht auf die ganze Gruppe überträgt oder eine Liste wie von Minx und Haukrinn vorgeschlagen einfügt.
2.) Wer eine hohe Responsibility hat kann sie kaum verlieren. Die Verlustchancen müssten erhöht werden, etwa indem man auf ein Poolsystem zurückgreift und den Mindestwurf hoch ansetzt (VtM) oder indem man die Verlustchance pauschal auf 50% festlegt (Sorcerer).
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Offline Wawoozle

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Thread bereinigt... bitte beim Thema bleiben
« Letzte Änderung: 14.07.2006 | 09:18 von Wawoozle »
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