Kernelement von MarySues scheint ja zu sein, dass sie überproportional gut und fehlerfrei sein sollen und man die Vermutung hegen kann, das der Spieler damit etwas kompensieren will.
Auch auf die Gefahr hin, in die Untiefen der Hobby-Psychologie abzusteigen, aber das kommt mir wie das Kernproblem bei Mary Sues vor (selbst wenn das vielleicht (?) von der offiziellen Definition etwas abweicht). Ein Charakter, der als Wunscherfüllung dient, der cool ist, besser als ich selbst, supermächtig oder mir selbst sehr ähnlich ist,
muss keine Mary Sue sein. Dazu gehört mMn, dass ich einem Charakter solche Charakterzüge gebe, weil ich dadurch eigene (eingebildete oder reale) Schwächen kompensieren will - das aber meistens unbewußt. Genau aus diesem Grund halte ich ja Mary Sues hauptsächlich für ein Teenager-Phänomen.
Natürlich kommen Mary Sues in Reinform fast nur in Fan-Fiction oder Forenrollenspielen vor, denn dort ist man relativ anonym und macht sich nicht so persönlich angreifbar - was wichtig ist, da nach meiner Interpretation eine Mary Sue geschaffen wird, um eine Unsicherheit meinerseits zu verdecken.
In der Art können einem schwächere Mary Sues (wie erwähnt durch die Regeln im Zaum gehalten) durchaus beim Rollenspiel begegnen. Beispiel wäre ein besonders attraktiver Charakter, weil sich der Spieler für unattraktiv hält oder - ich traue mich fast nicht, es zu sagen, aber da mir das schon untergekommen ist, nehme ich es auf - ein sexuell sehr erfolgreicher Charakter, weil der Spieler Probleme mit dem anderen Geschlecht hat. Um es nochmal zu sagen: beide Arten von Charakteren kann man spielen, ohne dass sie das geringste mit Mary Sues zu tun haben oder das irgendwie negativ wäre, selbst wenn es sich um Wunscherfüllung handelt. (Anm.: das sind natürlich reichlich platte Beispiele und sicherlich ist so was normalerweise viel abstrakter und unfokusierter, aber ich bin keine Psychologin und will da lieber nicht spekulieren.)
Problematisch an dieser Art Mary Sues im Rollenspiel ist, dass sie sich persönlich angegriffen fühlen, wenn der "Überkompensations-Charakterzug" der Mary Sue angezweifelt/angegriffen wird oder gar jemand darüber Witze macht. Zusätzlich können diese Spieler doppelt schlecht damit umgehen, wenn ihrem Charakter in dieser (der von ihnen kompensierten) Hinsicht etwas Unerwünschtes zustößt...
Hm, ich habe schon Spieler erlebt, die Mary Sues mit Kompensationszügen gebastelt haben und damit gab es dann auch Probleme...