Hallo Leute!
Bevor ich mein Anliegen loswerde, wollte ich mich noch kurz vorstellen. Ich heiße Manfred Fischer, bin einer der zwischenzeitlichen Zugänge zum Opus Anima Team und zurzeit mit der Entwicklung und dem Schreiben des Schemenheim-Bandes betraut, des ersten Quellenbuchs für OA. Ich wohne in Kiel und bin auch schon ein Weilchen hier registriert.
EIN WORT ZUM GRUNDTENOR
Ich hab das Bedürfnis, mal auf den Grundtenor OAs und die divergierenden Erwartungshaltungen einzugehen, die man so beobachten kann, und diese aus meiner Sicht zu schildern. Ich empfinde den Hintergrund Opus Animas nicht im Geringsten als weinerlich, depressiv, pseudodüster oder über die Maßen tragiklastig, sondern viel eher als Sprungbrett für die Erschaffung abgedrehter Charaktere und das Erleben bizarrer Abenteuer. Wenn ich im Kopf eine Begegnung zwischen einem Brunad-Buchverkäufer und einem menschlichen Kunden durchspiele, die in einem urigen Antiquariat in einer rumpeligen Gasse Schimmerlunds stattfindet, während von draußen das dumpfe Knattern von Dampfmaschinen und müffelnde Schwaden des allgegenwärtigen Nebels hereindringen, dann denke ich sofort an die viktorianische Gemütlichkeit eines Dickens, gepaart mit der visionären Bizarrerie Burtons oder der düsteren Stimmung der „Stadt der verlorenen Kinder“. Das Herausragende an Opus Anima ist meiner Meinung nach die Frische der Welt und die Innovationen, die diese mit sich bringt. Wo sonst gibt es Schollen aus Erdkruste, die im Äther treiben und auf denen das Leben stattfindet, wo solche exotischen, neuartigen Spezies wie die vogelartigen San’herib, die gepanzerten Brunad oder die weißhäutigen, gigantischen Abara mit ihren zusätzlichen Tragarmen auf dem Rücken? Den Seelenlosenkontext kann man doch, wenn man ihn nicht wünscht, problemlos außen vor lassen und die bizarre Spielwelt einfach so genießen. Oder ihn einfach als spielerfremden Hintergrund nutzen, etwa wie den Mythos bei Cthulhu.
Ich denke, das Problem Opus Animas ist/war die einseitige Präsentation mit dem legendären Satz „Opus Anima ist ein Rollenspiel um Tragik, Verlust und einen epischen Konflikt.“. Der Fokus wird damit auf das Herausreißen der Seele gelegt, die Leere, die der Charakter empfindet und die Strapazen, die ihm bei der Rückgewinnung der Splitter aufgebürdet werden. Man gewinnt den Eindruck, dass es bei OA unmöglich sei, einen gut gelaunten Charakter zu spielen, dass man sich mit dem GRW auch ein Ticket ins „Emo-Land“ kauft (ich verwende diesen Begriff nur widerwillig zur Verdeutlichung, da mir das ganze vorurteilsbehaftete Emogequatsche auf den Sender geht). Dabei bieten der Metaplot und all die Ungetüme der Lavathor meiner Meinung nach, zusammen mit der außergewöhnlichen Welt OAs, eine tolle, ergiebige Grundlage zur Erschaffung abwechslungsreicher und spannender Abenteuer in einer besonderen Atmosphäre. Außerdem böte selbst das Spiel mit den Seelenlosen dermaßen viel Ansätze für schwarzen Humor, dass man, wenn man nicht gewillt ist, die Tragik zum Hauptfaktor zu machen, diese problemlos unter den Tisch fallen lassen könnte. Maata des Toten oder des Versehrten laden mMn doch geradezu ein, schwarzhumorige Szenen zu produzieren.
Und wie immer gilt auch bei Opus Anima: nimm es an oder lass es bleiben! Oder lass eines von beiden bleiben und spiel mit mundanen Charakteren in Kurip-Aleph oder transferiere den Seelenlosen-Hintergrund in ein anderes System Deiner Wahl. Für mich jedenfalls bedeutet OA in erster Linie Rollenspiel in einer grotesken, Burtonschen Unwelt mit schrägen Charakteren, noch schrägeren Technologien, irgendwie verkehrten physikalischen Gegebenheiten und, wenn ich es denn möchte, dem Horror, den die Dunkelgesellen der Lavathor verbreiten.
Bitte betrachtet diesen Post nicht als offizielles Statement. Ich habe nur geschrieben, was für mich persönlich den größten Reiz an OA ausmacht, und das ist eben das Setting. Die Seelenlosenthematik gefällt mir auch sehr gut, rangiert aber für mich in zweiter Reihe (was nicht gleichzusetzen ist mit: "ist unwichtig:"). Da sollte sich jeder sein eigenes Urteil bilden, wenn das GRW draußen ist und er denn willens ist.
Opus Anima bringt viele neue Aspekte mit sich und ich denke, wenn man über den bisher fehlenden repräsentativen Gesamteindruck hinwegzusehen willens ist, dann wird sich der eine oder andere von Euch bestimmt noch überzeugen lassen.
Das war’s. Danke fürs „Zuhören“. Was sagt Ihr dazu?
Viele Grüße,
MF