Autor Thema: Unwired: Ultrakurz-Eindrücke/Rezension  (Gelesen 1330 mal)

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Unwired: Ultrakurz-Eindrücke/Rezension
« am: 6.07.2008 | 01:50 »
Das sind meine ersten Eindrücke über das Unwired-PDF. Es ist natürlich keine tiefschürfende Rezension, und die eine oder andere Meinung wird sich wohl noch ändern, einfach weil viele Dinge erst noch in Ruhe ausgetestet werden müssen.

Artwork: gut.
Es hat einige sehr schöne Bilder, vor allem das Cover, es hat die üblichen psychodelischen Bilder, die die Sprites/AIs sowie die generelle GaGa-ness der Matrix symbolisieren sollen, es hat ein paar langweilige Bilder, die durchschnittlich sind. Es hat bislang kein Bild, wo ich spontanen Brechreiz bekomme. Vor allem scheinen einige Bilder durchaus mit dem Gedanken gemacht worden zu sein "Ja, das ist so in SR". Mir persönlich hat der Größenvergleich zwischen Schuh und Microdrohne gefallen. Ich hoffe sehr, daß dies kein übliches "Ja, aber das Bild hat ja eigentlich nichts mit der Realität von SR zu tun"-Bild ist, sondern daß man sich Microdrohnen wirklich so vorstellen kann.

Kapitel-Kurzgeschichten: sehr gut
Wie in den anderen Büchern fängt jedes Kapitel mit einer einseitigen Kurzgeschichte an, die einen Aspekt der digitalen Welt umfasst. Nett geschrieben und durchaus atmosphärisch. IMHO war diese Kapiteleinführung eine der schönsten Neuerung in SR4 und ich hoffe, es wird beibehalten.

Matrix Overview: gut
Ähnlich wie Magie oder die Einführung im Arsenal beschreibt es typische Anwendungsgebiete der Matrix in der sechste Welt. Für alte Hasen nichts unbekanntes, für Neulinge oder Leute, die Probleme haben, sich die (neue) Matrix vorszustellen, sicherlich sehr hilfreich. Nett geschrieben, halbwegs sinnvoller Shadowtalk, allgemein ein guter und hilfreicher Einstieg in die digitale Welt. Schön sind auch generell im Buch die schwarzen Seitenbalken, die immer wieder einzelne Aspekte aufgreifen und näher erläutern. Zumindest nach den ersten Stunden wirkt es alles überlegt, durchdacht und mehr oder weniger glaubwürdig.

The Matrix User: befriedigend
Es beschreibt die regeltechnische Seite des Hackers: Fertigkeiten, Rasse, ein paar neue Qualities, Ausrüstung. Für jemanden, der sich mit dem GRW beschäftigt hat, ist es natürlich nicht besonders hilfreich, daß es auch schriftlich jetzt den Hinweis gibt, daß ein Commlink und die Computer-Fertigkeit jetzt wichtig sind für Hacker ... man müßte sich schon ziemliche Mühe geben, das NICHT zu wissen. Aber naja, ich schätze, das hat seit dem Grimoire 1 Tradition in SR. Die neuen Qualities wirken ok, der neue Lebenstil ist durchaus stylisch und passend.

The Idiots Guide to the Matrix: sehr gut
(leichte Abzüge in der B-Note, weil das Kapitel sehr sehr kurz ist)
Ich hätte ja persönlich es eher "The guide for people who cannot read the basic book" genannt ... ;-). Es beschreibt in einfachen Worten, wie man sich die Matrix, die augmented reality, nodes, icons etc vorstellen kann. Es definiert, was genau ein DNI ist und wie es funktioniert, eben, wie ein normaler 0815-Mensch seine ersten Schritte in der digitalen AR-Welt macht.

Matrix Topology: gut
Hier startet dann endgültig der Crunch: hardware, nexi (nodes für mehr user), standard and not so standard nodes, data requests, subcripting ... hier werden viele Fragen beantwortet, die in den letzten Jahren immer wieder auftauchten. Vor allem dem Thema PAN und slaving wird viel Text gewidmet. Angesichts der zahlreichen Diskussionen zu dem Thema gar nicht mal so verkehrt. Ob sich das alles im Spiel auch bewährt, bleibt abzuwarten.

System Security: befriedigend
Hurra, endlich gibt es die Wifi-blockierende Farbe ... und sie kann in der Tat in jeder Imbissbude sein. Das Kaptitel beschreibt die Mögichkeiten des Spielleiters, das Runnerleben zu erschweren. Es geht auf die grundsätzlichen Möglichkeiten ein, wie etwas aufgebaut ist, wie etwas funktioniert (durchaus wichtig für die Glaubwürdigkeit eines gegnerischen Sicherheitssystems), wie genau jetzt Authentification funktioniert etc. Dazu kommen Werte für Spiders (Sicherheitsrigger/hacker) und Beispielsysetme (zb Dantes Inferno), IC-Regeln und Beschrebungen, sowie IC-Pakete (auch schön, daß ein paar feste Namen dabei sind, denn es wirkt stylischer, wenn man sagen kann, daß ein MCT Bloodhund Dir auf den Fersten ist als ein Analyze/Track-Agent). Warum man allerdings so krumme Preise wie "Rating x 3240¥" ausgewählt hat, bleibt mir trotz Pakektoption etwas schleierhaft. Mehr Mut zum sinnvollen Runden!

Auch schön ist das "Security in Action", welches einen mehr oder weniger kompletten Matrixrun aus regeltechnsicher Sicht einer Spider zeigt. Nützlich, sowas sollte es des öfteren geben, fürs Hacken und für andere REgelbereiche. Nicht ein oder zwei Beispielsätze, sondern eben eine komplette Aktion von vorne bis hinten regeltechnisch durchbeschrieben. Ich könnte mir vorstellen, daß dies für so manchen Spieler/Spielleiter hilfreich wäre.

Etwas zwiespältig betrachte ich den Absatz zu Encryption. Es ist nicht das erste Mal, daß die problematischen Entschlüsselungszeiten diskutiert werden (es ist ungefähr so, daß ein durchschnittlicher Hacker die geheime Kommunikation des Pentagon mal kurz in der Mittagspause entschlüsseln kann) ... mit Unwired wird das Problem nur bedingt behoben, sondern eher zum Standard gemacht. Es ist jetzt offiziell festgelegt, daß durch mathematische Fortschritte Verschlüsselung bislang einfach im Hintertreffen ist und damit in keinster Weise sicher ist. Es gibt einige neue Verschlüsselungsoptionen (strong zb), darunter auch eine Verschlüsselung, wie wohl bei "On the Run" verhinderte, daß ein Hacker die dortige CD entschlüsselte. Nunja. Sehr nunja.

Ich bewerte das mal durchschnittlich, weil ich durchaus die die Argumentation der Spielbarkeit eines Hackers akzeptiere, aber ich bin mir nicht sicher, ob es nicht bessere Lösungen als die derzeitige Regelung gegeben hätte (Und ja, ich bin einer derjenigen, für die eine sinnvolle Verschlüsselung wichtig für eine glaubwürdige Welt ist).

Hackers Handbook: *seufz*
Cracker Underground, Piracy, Tricks und Tipps, Shadowtalk, Hintergrundinformationen, Malware, Agents (samt Lösung für das Agent Smith-Problem), DDOS-Attacken, Viren, Hackerdienste samt Kosten, Paydata, Forgery eigentlich ein sehr gutes Kapitel mit vielen wichtigen Tipps, sowie, wichtig für den SL, zusammengefassten Riggerproben für alle möglichen Fälle. Sehr nützlich.

Man muß sich allerdings vor Augen halten, daß mit diesem Kapitel, dem Softwarekapitel und dem Security-Kapitel die Komplexität eines Matrixruns dramatisch nach oben geschraubt wird. Nicht zwingend die Kompliziertheit, das Matrixsystem von SR4 ist nicht wirklich schwer, aber durch die Vielfalt an Optionen könnte man, ohne Witz, eine komplette Runnerrunde nur als Hacker beschäftigen und hätte nicht nur vom Hintergrund, sondern auch von der regeltechnischen Ausgestaltung her genauso viel zu tun wie bei einem normalen, klassischen Run.

Software: *doppelseufz*
Es beschreibt ... Software. ARE-Software, legal/pirated software, program options, neue Software (und damit neue Handlungen für den Hacker), Autosofts, Herstellung von Viren, Würmern und Trojanern sowie (hurra) taktische Software, die jetzt etwas anders funtioniert als der alte taktische Computer / BattleNet aus SR3. Es ist zwar etwas unlogisch, daß man erst ein Netzwerk errichten muß, bevor man aus den eigenen Daten einen Vorteil zieht, aber zumindest kann jetzt jede kleinere Gruppe zumindest ein primitives (und durchaus stylisch beschriebenes)  taktisches Netzwerk aufziehen ... und das wird auch notwendig sein, denn taktische Netzwerke, selbst der Stufe 1, bieten bereits massive crunch- und vor allem fluff-Boni, die einem kreativen Spieler die Freundentränen in de Augen treiben. Dem Powergamer sowieso. ;-)

Persönliche Anmerkung
Warum also *seufz* und *doppelseufz* als Bewertung, obwohl beide Kapitel eigentlich gut sind?

Nun, Unwired fügt SOTA-Regeln für Software ein. Kurz gesagt: jede Software, die legal gekauft ist, kann nicht kopiert werden, bzw registriert sich beim Hersteller und wird regelmäßig gepatched, außerdem gibt es einen massiven Datatrail (der durch einige neue Hackeroptionen verringert werden kann). Soweit ok, soweit realistisch und glaubwürdig. Gecrackte Software (die deutlich billiger ist als normale Software) wird nicht gepatched ... und verliert damit im Ein/Zwei-Monatsrythmus einen Punkt ihrer Stufe. Um diesen Punkt auszugleichen, muß man entweder gecrackte Patches selber programmieren (was nicht geht aufgrund der Zeit-Intervalle, weil man sonst kein Hacker für Runs mehr ist, sondern ein 24/7 Patcher) oder man kauft sich die gecrackten Patches für einen akzeptablen Preis bei Crackernetzwerken. Soweit so gut.

Das Problem ist jetzt die Buchführung. Ich muß für jede einzelne Software einen eigenen Verfügbarkeitswurf ausrechnen, ich muß für jedes Programm die eigenen Nuyenkosten ausrechnen und ich muß alle 1-2 Monate dann für jedes Programm die Verfügbarkeit von Patches auswürfeln, bzw hoffen, daß die gekauften Erfolge ausreichen, wenn man nicht würfeln möchte. Nur um das kurz zu illustrieren: der Beispielhacker aus dem Grundregelwerk muß alle 1-2 Monate (je nach Art der Programme) zwischen 900 und 1060 Nuyen zahlen, und bis zu 17x Proben ausrechnen bzw auswürfeln oder die Erfolge kaufen (1:4). Ein fortgeschrittener Hacker, mit ein paar Drohnen, einem Fahrzeug, vollständiger Softwareausstattung, dazu Agenten bzw Skillsoft wie Sprache und Wissen kann leicht auf die doppelte Anzahl kommen.

Betroffene Software ist: selber geschriebene Software, open-source-software, common/hacking programs, autosoft, skillsoft (active/lingua/knowledge), also alle Programme, die von der Registration/Copy-Protection-Option betroffen sein können. Hier gibt es auch Unklarheiten, weil unter legaler Software noch andere Typen wie Betriebssysteme und Agenten aufgeführt sind, die aber in der Registration/Copy-Protection-Option nicht aufgeführt werden. Daß es hier Widersprüche zwischen den Regeln gibt und daß diese Regeln auf 3 verschiedenen Seiten insgesamt zu finden sind (und in zwei verschiedenen Kapiteln), macht die Sache nicht besser.

Man kann sich jetzt darüber unterhalten, wie sinnvoll es ist, daß nach 10 Monaten mein Englisch-Sprachchip nicht mehr funktioniert, weil sich die englische Sprache dermaßen weiterentwickelt hat, so daß ich mich nicht mehr damit verständigen kann, oder daß sich Exploit/Firewalldesigner einen ständigen Kampf um das letzte Byte liefern, aber der reine Mechanismus selber ist, selbst wenn man es nur ein einziges Mal ausrechnen muß, zeitaufwendig, nicht elegant, definitiv nicht streamlined. Ich bin sicher, es hätte elegantere Lösungen gegeben (zb ein einfaches "1% vom Kaufpreis" oder "addiere Stufenpunkte x 10¥", fertig)

Auf gut Deutsch: Bullshit!

Technomancers: keine Wertung
*hüstel* Ich gestehe, daß ich in den drei Jahren SR4 kein einziges Mal es geschafft habe, mir das Technomancerkapitel im GRW durchzulesen ... ergo fehlt mir hier die Grundlage, überhaupt etwas sagen zu können. Das sollen bitte berufenere Leute als ich machen, mir fehlt das Wissen, das Kapitel korrekt abschätzen zu können. Nur als Kurzinfo: neue Initiationskräfte, Mentor-Geister, TM-Traditionen, Hintergrund, Coming Outs / Wie fühlt es sich an, ein TM zu sein, Shadowtak

Sprites: keine Wertung
Die gleiche Begründung wie oben. Neue Geister (Verzeihung: Sprites), Freie Geister, Wilde Geister. Ein sehr kurzes Kapitel, man hätte es wohl ins TM-Kapitel setzen können. Die Bilder zu den Sprites sind lustig, sie gefallen mir gut.

Matrix Phenomena: "gut"
Legenden & AIs samit AI-Qualities, UV-Nodes, Resonance Realms, Entropic Sprites, Dissonace Streams ... AIs sind nicht mehr die gottgleichen Superkiller aus vergangenen Zeiten, sondern eher vergleichbar mit extrem hochentwickelten Agenten mit eigener Wahrnehmung. AIs scheinen recht häufig zu sein, Beispiele werden mermals genannt. Wer also einen Tip auf die nächste Spielerrasse im Runners Compendium abgeben möchte ...

Ich habe dieses Kapitel leider nur ganz kurz überflogen, es hat mir gefallen, aber aufgrund der Kürze nur ein sehr vorsichtiges "gut"

Simsense&Skillwire: sehr gut
Hintergrundinformationen und regeltechnische Informationen. Wie wird ein Sim hergestellt, was sind die sozialen Auswirkungen auf die weltweite Arbeitskraft bei chipped labor force, Brainwashing (nur überflogen, ich hoffe es ist nicht so krass wie in SR3, denn dort war Verrat und Illoyalität quasi unmöglich), Skillwire-Portale etc.

Matrix Gear: gut
Viele neue Ausrüstungsgegenstände und Drohnen, nichts wirklich weltbewegendes, außer der 5IP-Ausnahme, einige heftige Dinge sind dabei, aber nichts, wo man auf den ersten Blick schlucken muß (so ala Mnemoverstärker in SR3). Eben guter Durchschnitt. Hier ist auch eines meiner Lieblingsbilder zu finden. Dazu kommen Tabellen und Zusammenfassungen, was es gerade für den Spielleiter einfacher machen sollte.

Fazit: eine Gruppe, welche die Matrix bislang nur am Rande hatte oder deren Hacker mit dem GRW bereits ausreichend bedient war, wird mit dem Unwired einen Overkill, sowohl was Regeln, Ausrüstung/Optionen und Hintergrund angeht, erleiden. Für echte Hacker jedoch, und Spielleiter, die sich nicht scheuen, neue Elemente einzuführen, jedoch, werden hier mit einer Fülle an neuen Möglickeiten, Optionen und Fähigkeiten für alle (auch Nichthacker) beglückt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die SOTA-Regeln im echten Spiel über Monate hinweg integrieren und wie sehr der Spielleiter sich in die neuen Regel/Ausrüstungsoptionen einlesen muß, damit ein flüssiges Spiel und das Gleichgewicht zwischen mundaner Gruppenaktion und Matrix-Hacker-Soloaktion gewahrt bleibt.

Alles in allem: Kaufempfehlung für alle, die SR4 intenstiv und umfassend spielen möchten und nicht vor einem komplexen System zurückschrecken (Note: ich sage komplex, nicht kompliziert).

SYL
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Re: Unwired: Ultrakurz-Eindrücke/Rezension
« Antwort #1 am: 7.07.2008 | 12:23 »
Hey, danke für die nette Zusammenfassung!
Was den Crunch angeht, gabs zum Gück keine neuen schlechten Nachrichten (von den 5 IPS und den SOTA-Regeln hab ich schon gelesen), werd ich wohl sehr selektiv auswählen müssen. Was ich auch gelesen habe, ist, dass alternative Matrixregeln, wie die, dass man Attribut + Skill mit dem Programm als Maximalwert für die Erfolge (also wie bei Zaubern) jetzt auch als optionale Regeln erwähnt werden. Da ich die nächste Kamagne diese Regel nutzen will, tät mich vorallem interessieren, ob der neue Crunch sich mit dieser Regeländerung beißt.
Was mich noch interessieren würde: Wie ist denn etwa das Verhältnis von Fluff zu Crunch? Für mich ist der Fluff nämlich der Hauptgrund, warum ich mir das Buch besorgen will. Und dieser Idiots Guide klingt irgendwie genau nach dem, was ich brauche. ;D
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Re: Unwired: Ultrakurz-Eindrücke/Rezension
« Antwort #2 am: 7.07.2008 | 12:37 »
Es ist einiges an Fluff vorhanden, der Hauptteil ist jedoch Crunch (vermischt mit Hintergrundregelungen und Erklärungen), der sich auf neue Optionen, Ausrüstung und einige neue Regeln aufteilt. Vielleicht 60:40 oder so.

SYL
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Re: Unwired: Ultrakurz-Eindrücke/Rezension
« Antwort #3 am: 7.07.2008 | 13:08 »
Wow, das ist ja doch deutlich mehr Fluff als bei Streetmagic, Arsenal und Augmentation. Ist aber wohl auch notwendig, schließlich gabs hier auch die größten Änderungen.
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