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„Es hat alles harmlos angefangen. Die Kinobesitzer, Familie Hilma, waren nervös. Wollten erst keine Getränke anbieten, weil ihr Sohn krank war. Und die Aushilfe abgesagt hatte. Aber weil ... Sarah ...“
Dann schlägt Lars plötzlich entschlossen mit der geballten Faust wütend auf den Tisch. „Immer muss sie ihren Willen durchsetzen!“ Stoßweise zieht er die Luft zwischen den Zähnen ein und presst dann zischend jede einzelne Silbe heraus. „Sie... woll... te... was... zu... trink...en!“
„Ruhig... Psst. Ruhig.“
Lars atmet durch und entspannt sich wieder etwas. Fast schon beschämt schließt er seine Hände und schaut verlegen in die Leere zwischen seinen Armen.
„Da waren noch die aus dem Jahrgang über mir. Hagen und Max. Und der Herr Wischinski und die Frau van der Geest. Die wollten auch was. Und da hat Frau Hilma kurz Getränke und was zu Essen ausgegeben. Sie hatte es eilig, weil sie schnell wegen ihres Sohns nach Hause wollte.
Und dann brachte ich meine... mei ...“ Er schluckt. „Sarah ihre Coke light. Ich hatte 'ne Zero Cool. Dann war da Werbung. Und dann fing der Film an. Irgendwie ... irgendwie stand der Film zunächst. Und dann waren da Ausschnitte von einer Frau, die auf reisen war. Mal in einem Restaurant. Immer gut gekleidet. Und .. da war .. aber ... kein Ton. Dann ging ich los. Aber ...“
„Moment. Los? Warum gingen sie los?“
Als wollte er einem dummen Schuljungen etwas selbständiges sagen: „Na, um zu sagen, dass die den Ton anmachen sollten.“ Dabei schüttelt er auch irgendwie leicht den Kopf: „Als ich dann ins Foyer zurück wollte, da... da ... Die Türen! Sie waren zu. Beide!“
„Sie meinen den Haupteingang?“
„Aus dem Kinosaal zurück ins Foyer. Beide.“
„Die waren zu? Verschlossen.“
„Ja, doch! Oder haben sie mich was anderes sagen hören.“ Jetzt wird Lars wieder etwas unruhig und energischer. Ungeduldig will er fortfahren. Der Sonderermittler gibt ihm mit einer Handgestik zu verstehen, dass er nicht noch mal unterbrechen wolle. „Also. Die Türen waren zu. Und dann habe ich mich wieder zu meiner Freu... Ähm, zu Sarah gesetzt. Sie wollte mal wieder so einen Zickenalarm machen. Da habe ich ihr gesagt, dass sie halt selber gucken sollte, wer den Ton einschalten könnte. Und dann, tja, dann. Dann habe ich mir den Film angeschaut.“
Es ist wieder ruhig in dem kleinen Raum. Der Sonderermittler mustert Lars unschlüssig, wie er die Gemütsschwankungen einordnen soll.
Lars hängt nach seinen ersten Worten schief und schlaff auf seinem Stuhl. Sein Gesicht zeigt eine Maske, die zwischen Ausdruckslosigkeit und fassungsloser Leichtigkeit unentschlossen auszusehen versucht und dabei eher verzweifelt wirkt.
„Und ... wie war der Film?“
Völlig überrascht, dass jemand mit ihm spricht, erschrickt Lars. Sofort setzt er sich wieder gerade in seinen Stuhl. Seine Augen suchen ziellos irgendeinen Halt, und mit seiner rechten wischt er sich einmal durch sein Haar: „Wie? Wa... ? Wie bitte?“
„Der Film? Sie wollten mir gerade erzählen, wie der Film war.“
„Der Film?“
„Den sie mit ... Sarah im Apollonia zuletzt gesehen haben.“
„Ach, der Film.“
„Ja, der.“
„Wie der war?“
„Ja.“
„Ganz ehrlich?“
Der Sonderermittler nickt.
„Beschissen!“ Er grinst schelmisch und schaut dem Sonderermittler direkt in die Augen.
„Herr Dombrowski. Mal im Ernst. Sie wissen schon noch, warum sie hier sind, oder?“
„Nicht wegen des Films.“
„Nein. Nicht wegen des Films. Sondern wegen der Vorkommnisse an dem besagten Abend im Apollonia, an dem der Film über Lena Hagenberg gezeigt worden war. Der Abend, an dem unter anderem sie, Herr Dombrowski, als Haupttatverdächtiger im Zusammenhang mit den Morden der jungen Yana Müller, Sylvia Winkelmann und Elfriede Mauerbach in Betracht kommen.“
„Ich?“ Lars ist völlig erschüttert. „Aber das war ich doch alles nicht!“
Der Sonderermittler verdreht die Augen. „Herr Dombrowski. Ich habe den Eindruck, dass sie ihre Situation falsch einschätzen. Vielleicht bin ich der einzige, der ihnen hier heraus helfen kann. Aber ich kann ihnen nicht helfen, wenn sie mir hier so ein irres Schauspiel liefern.“
„Aber, aber ...“
„Was 'aber'?“
„Aber ... der Film! Ha ... haben sie denn nicht ...?“
„Herr Dombrowski! Der Film tut hier nichts zu Sache!“
Damit erhebt sich der Sonderermittler und verlässt zielstrebig und unbeirrbar den Raum.