CrowdfundingsIn diesem Artikel versuche ich mal darzustellen, was Crowdfundings heutzutage für Verlage, aber auch für Händler und Endkunden bedeuten. Dabei werde ich vor allem natürlich die Seite des Verlegers darlegen können, allerdings bin ich auch selber Backer vieler CFs und habe über viele Jahre lang im Spieleeinzelhandel gearbeitet (aber das war bevor es CFs gab), insofern kann versuchen unterschiedliche Sichtweisen zu simulieren. Außerdem habe ich mich zu dem Thema auch schon mit diversen Händlern unterhalten.
Wie immer natürlich nur meine Sicht und Meinungen der Dinge – andere Verlage mögen das teilweise anders sehen (und evtl. sogar damit recht haben, was weiß ich schon...
)
Crowdfundings für VerlageWie bereits geschrieben, hat sich der Markt für Rollenspiele stark geändert und CFs sind ein Kanal, neue Rollenspiele direkt an den Endkunden zu bringen, was für den Verlag den Vorteil hat, das die Marge höher ist, als beim Verkauf über die traditionellen Wege über Großhändler und Händler.
Außerdem kommt hinzu, dass bei einem CF das Geld für die Produktion rein kommt, bevor die Bücher fertig sind, was das Risiko (zumindest für den Verlag
) verringert und mehr Planungssicherheit bringt.
Beides – höhere Marge und weniger Risiken – stimmt allerdings nur, wenn die Kalkulation im Vorfeld stimmt und es keine sonstigen Probleme gibt. Wir hatten da selber schon unseren Super-GAU, der aber in Deutschland eher nicht wahrgenommen wurde, weil es sich da bei uns um ein englisches CF handelte (weiter unten wahrscheinlich mehr dazu).
Der dritte, SEHR wichtige Punkt, der euch evtl. nicht so offensichtlich ist, ist die Marketingmacht von Plattformen wie Kickstarter etc. Backer, die sich für Rollenspiele interessieren finden auf Kickstarter, Startnext etc. dein Projekt, von dem sie ansonsten evtl. nie was mitbekommen würden.
Und wenn man erst mal das erste Projekt gemacht hat, hat man direkt eine nette Liste mit Kontakten, denen man das nächste Projekt direkt mal vorschlagen kann, oder die automatisch über die Plattform informiert werden. Und diese Liste wird mit jedem Projekt größer.
Außerdem haben Crowdfundings einen gewissen Event-Charakter und erzeugen evtl. einen Hype, der interessante Resultate bringt (ein gutes Beispiel dafür wäre der 7th Sea Kickstarter oder auf sehr viel kleinerem Level unser Numenera CF auf Startnext).
Diese Marketingmacht ersetzt zum Teil den Wegfall vieler Läden, in denen man früher ein neues Rollenspiel entdecken konnte.
Wie Uli Lindner schon im Diskussions-Tread geschrieben hat, glauben wir z.B., das wenn wir 13th Age als Crowdfunding gemacht hätten, die Linie heute noch leben würde.
Crowdfundings für den HändlerTjaaaaa.. das ist eine zweischneidige Sache.
Es gibt Crowdfundings ganz ohne Händlerpledges. Mittlerweile gibt es sogar Crowdfundings, bei denen man das normale Endprodukt später nie im Handel kaufen können wird.
Aber selbst Crowdfundings mit sinnvollen Händlerpledges sind für Händler problematisch, denke ich. Natürlich kann der Händler über das CF die Bücher evtl. günstiger bekommen, als später im normalen Einkauf. Und er bekommt auch die exklusiven Zusatzprodukte, die es später nicht regulär geben wird. Nichtsdestotrotz unterstützt er mit einem Pledge im Grunde ein Produkt und ein Finanzierungskonzept, bei dem er als Mittelsmann eher umgangen wird.
Wobei es auf der anderen Seite die Faustregel gibt, das man die Menge, die man über ein CF verkauft hat, später auch nochmal über die traditionellen Kanäle verkaufen kann. Das können wir bei Numenera mehr als bestätigen und da hat das CF unserer Meinung nach auch zu einer höheren Nachfrage im Handel NACH dem CF geführt.
Fakt ist auch, das zumindest bei uns, der Händlerpledge fast nicht wahrgenommen wird, obwohl wir Händlern während des CFs bessere Rabatte anbieten als später. Bei Mutant Year Zero haben z.B. DREI Händler teilgenommen, was jetzt nicht so viel ist.
Allerdings haben wir das auch nicht viel oder gut beworben, was wir in Zukunft evtl. ändern werden. Nicht jeder Händler bekommt jedes CF mit.
Auf der anderen Seite würde eine ZU große Beteiligung von Händlern natürlich die Kalkulation zerschlagen.
Schwierige Sache, zu der ich keine total gute Lösung habe, derzeit. Ich würde mich über Meldungen von Händlern, die im Tanelorn angemeldet sind sehr freuen!
Crowdfundings für den EndkundenAlso ich persönlich mache bei CFs mit, wenn mich das Produkt toll finde. Viele oder exklusive Zusätze sind mir nicht so wichtig, aber das ist sicherlich persönliche Meinung und bei anderen Backern anders.
Bei einem CF teilzunehmen gibt mir außerdem das Gefühl, dazu beizutragen, das ein Projekt überhaupt zustande kommt, was ich gut finde
Das große negative Ding für Endkunden ist allerdings, dass natürlich das Risiko eines Projekts fast komplett beim Backer liegt. Das Geld ist bezahlt und irgendwann kommen die Bücher oder auch nicht (wobei das Risiko von „oder auch nicht“ nicht so groß ist, wie es sich „anfühlt“, mMn. Natürlich schlagen die CFs, die Probleme haben aber mehr hohe Wellen im Internet als die, die normal ablaufen).
Was es fast immer gibt sind Verzögerungen, die einen ärgern können. Ich glaube in Deutschland ist Ulisses bis jetzt bei der pünktlichen Lieferung am weitesten vorne, alle anderen inkl. Uns sind da dahinter.
Da wir in der Vergangenheit die Produktion bei Büchern von CFs genauso vorgegangen sind, wie bei der Produktion von Büchern die nicht so finanziert wurden, gab es bei uns leider auch oft die dafür üblichen Verzögerungen, die auftreten können.
Was uns zum nächsten Kapitel bringt...
Uhrwerk Crowdfunding als Beispiele für Sachen die schieflaufen können und wie wir damit umgehen und reagieren.Wir haben schon einige Crowdfundings gemacht und damit einige Beispiele dafür, was nicht ganz so glatt laufen kann – hier zwei Beispiele:
Der engl. Space: 1889 KickstarterAls wir den KS für Space: 1889 auf englisch gestartet haben, gab es noch nicht die Möglichkeit einen Kickstarter von Deutschland aus zu starten, weshalb wir einen englischen oder amerikanischen Partner dafür brauchten.
Das ist schon mal so oder so keine gute Idee. Es gibt damit nämlich zwei Parteien, bei denen irgendwas schief laufen kann. Und damit ist die Wahrscheinlichkeit dafür doppelt so hoch
Und natürlich ist was schief gelaufen. Ohne allzu konkret zu werden – es gab massive Verzögerungen mit gleichzeitiger Einstellung der Kommunikation zu dem Thema.
Die Stimmung war wirklich mies in den Kommentaren und teilweise wussten wir selber nicht, woran wir waren.
Wir haben dann irgendwann die (Mit-)Kontrolle über den Account übernommen, dann Dinge erklärt, Fragen beantwortet und die verdammten Bücher raus gebracht. Es stehen zwar immer noch (wenige) Bücher aus, aber die PDFs sind raus und der Druck steht kurz bevor.
Die Verzögerungen haben uns sehr viel Geld beim Porto gekostet, weil wir von uns aus viel mehr Versandwellen gemacht haben, damit die Leute ihren Kram schneller bekommen.
Was für Lehren haben wir aus diesem CF gezogen:
weniger Zusatzprodukte machen, oder zumindest besser kalkulieren, wie man den ganzen Kram auch verschickt bekommt, wenn sich eins oder mehrere der Bücher verzögern.
Viele Köche verderben den Brei
Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation!
Und wenn „Kommunikation“, dann keinen Bullshit erzählen, sondern Dinge erklären. Backer sind auch meistens intelligente Menschen die Dinge verstehen und verzeihen können.
Das Numenera CrowdfundingAuch Numenera hatte eine größere Verzögerung von ca. einem halben Jahr. Da ICH da der verursachende Faktor war, kann ich hier mehr ins Detail gehen.
Übersetzung war relativ pünktlich da, alles war cool soweit. Allerdings gab es bei der Produktion einen Flaschenhals in Form von mir selbst (also ca. kugelförmig
). In der Zeit hatte ich massiv Burnout, was auf einer sehr irrationalen Art und Weise die Weiterverarbeitung verzögert hat. UND gleichzeitig war ich natürlich nicht in der Lage so was sinnvoll zu kommunizieren.
Das hat natürlich zu einem gewissen Unmut geführt. Und „Mitbetreiber“ des CFs haben natürlich auch Druck gemacht (verständlicherweise). Was aber in der Situation nicht hilfreich war, eher im Gegenteil (aber wie gesagt – trotzdem sehr verständlich).
Nun ja aus dem Loch raus gekrochen, sich zusammengerissen und die Sache in einem Update erklärt.
Und siehe da – Kommunikation hilft. Sowohl die Reaktionen waren sehr positiv als auch der von der Seele gefallene Stein als Reaktion auf diese positiven Reaktionen haben das Projekt dann wieder sinnvoll auf den Weg gebracht und fertig war die Box
(Hatte ich eigentlich schon erwähnt, wie wichtig Kommunikation ist?)
(Ich kann immer noch nur schwierig damit umgehen, wenn was schief läuft, und wer mich wirklich gut kennt, weiß was ich meine oder hat da schon so seine Erfahrungen mit gemacht. Ohne Uli Lindner in der Position des Kommunikators in solchen Situationen, wäre ich immer noch recht aufgeschmissen! Musste mal gesagt werde, so!)
Ein weiteres Problem beim Numenera Projekt war die Kalkulation der Box in Tateinheit mit dem, was wir während der Kampagne versprochen haben, in Tateinheit mit meiner Unfähigkeit in die Zukunft zu schauen
Die Box war sehr voll und sehr schwer und hat 49,95€ gekostet. Hätten wir dafür kein Crowdfunding gemacht hatte die Box mal gut 79,95€ kosten müssen. Was erst mal kein Problem ist.
Allerdings mussten wir uns dann beim Druck entscheiden, wie viele Boxen wir zusätzlich drucken. Beim Crowdfunding hatten aber schon ca. 800 Leute teilgenommen.
Wie viele Leute sollten das also noch kaufen?
Wir haben also sehr vorsichtig, die Box nur so um ca. 500-600 Stück überdruckt.
Diese Boxen waren nach 2-3 Monaten ausverkauft und der Bedarf war anscheinend noch lange nicht gedeckt (was natürlich eigentlich GUT ist
)
Das Problem war nur – es war zu dem Preis vollkommen unmöglich diese Box nochmal nachzudrucken, außer wir hätten eine wirklich wirklich wirklich große Auflage gemacht.
Und das Buch als Hardcover nachdrucken ging nicht, da wir in der CF-Kampagne gesagt haben, dass die Hardcoverversion die Startnext-Exklusive Version ist....
Also gibt es jetzt ein Numenera Softcover, als einzige mögliche Version, die wir überhaupt noch machen konnten, als eine Art Notlösung. Ist jetzt kein Beinbruch, aber ein Beispiel dafür, wie kleine Entscheidungen im Vorfeld oder Fehleinschätzungen Dinge beeinflussen können.
Was machen wir in Zukunft anders um Verzögerungen zu verhindern.Was ich schon irgendwo öfter vor einiger Zeit mal gesagt habe war, dass wir kein Crowdfunding anfangen, bevor das nächste nicht abgeschlossen ist. Das mussten/wollen wir allerdings ein wenig relativieren. Die Marktentwicklung hat CFs für uns so wichtig gemacht, dass wir da mehr machen müssen, insofern haben wir uns dazu entschlossen, ein neues CF nur zu beginnen, wenn es keine offensichtlichen großen Probleme bei den vergangenen CFs gibt und/oder das neue CF selber sehr schnell abgeschlossen werden kann.
Derzeit läuft z.B. das CF für „Der Sprawl“ (kleine Werbeeinblendung:
https://www.kickstarter.com/projects/58354395/der-sprawl-ein-missionsbasiertes-cyberpunk-rollens ), aber Mutant: Jahr Null ist noch nicht ausgeliefert. Allerdings ist das Regelwerk in der finalen Endbearbeitung, die Kompendien sind im Layout, der Schnellstarter ist im Lektorat und alles ist auf einem guten Weg, weswegen wir das riskieren konnten, unserer Meinung nach.
Außerdem ist „Der Sprawl“ selber auch sehr weit und kann nach dem Abschluss der Kampagne fast sofort in den Druck
Für weitere Projekte machen wir mehr Vorarbeit, was natürlich das unternehmerische Risiko wieder (fairerweise) erhöht, da vor der Kampagne Kosten anfallen, aber die Abwicklung beschleunigen wird. (z.B. ist das Coriolis Regelwerk schon übersetzt
)
So – ich hoffe, ich habe nicht zu viel geschwurbelt oder doppelt geschrieben – im Prinzip habe ich das gerade alles so in einem Rutsch runter geschrieben... weswegen bitte auch die Räschtschaibfehler zu entschuldigen sind.