Autor Thema: Questers of the Middle Realms  (Gelesen 3000 mal)

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Tybalt

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Questers of the Middle Realms
« am: 6.08.2008 | 12:32 »
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Verlag: Silver Branch Games
Autor: Tim Gray
72 Seiten
21,95 € als Buch
$8,95 als PDF

Um was geht es?
Da zitiere ich doch einfach mal aus der Einleitung:
Zitat
This game is written as a somewhat tongue-in-cheek reworking of common fantasy elements, poking affectionate fun at the conventions and stylings of fantasy games. Especially That One. So groups of characters with widely disparate backgrounds and personalities charge round the countryside, poking into Places Man Was Not Meant To Poke, slaying hapless Things and accumulating Stuff - but with a particular flavour.

Und wie sieht es aus?
Das Layout ist einfach und zweckmäßig, es ist 2-spaltig und zusammen mit den durchaus guten Zeichungen versprüht es Old-School-Charme. Und es ist druckerfreundlich.
 
Die Regeln
QotMR benutzt das PDQ-System von Chad Underkoffler. Das System selbst ist frei erhältlich, und es wurde in Spielen wie Truth & Justice (Superhelden), Zorcerer of Zo (märchenhafte Fantasy), Dead Inside (Horror, Urban Fantasy), Ninja Burger und Monkey, Ninja, Pirate, Robot (beides Comedy) verwendet.

PDQ kennt keine Attribute, Fertigkeiten, Vor- und Nachteile, es gibt nur Qualities. Das kann so was sein wie Stark oder Aufmerksam, aber auch Mitglied bei der Diebesgilde oder ungestüm, eben alles, was den SC definiert. Es gibt eine Skala, ähnlich der von FUDGE: Poor[-2], Average[0], Good[+2], Expert[+4], Master[+6]. Alles, was irgendwie in Werten wiedergegeben wird, läuft über diese Skala.

Das System ist recht simpel, es gibt 3 Modelle für Proben

Simple Situation: Wenn die passenden Qualities zusammen höher als die Schwierigkeit ist, die auf der gleichen Skala gemessen wird, dann ist der Konflikt gewonnen.

Komplizierte Situation: Wenn die Schwierigkeit höher ist oder wenn der Zufall gewollt ist, muß mit 2W6 + passende Qualities die Schwierigkeit übertroffen werden.

Konflikt: Jeder Charakter wirft 2W6, addiert passende Qualities, das besser Ergebnis gewinnt, die Differenz ist der Schaden. Das kann körperlicher Schaden sein, aber auch eher abstrakter "Schaden" bei z.B. einem Streitgespräch.

Wer beim Wurf gut erzählt, bekommt einen Upshift, d.h., seine Stufe wird um eines erhöht. Damit haben alle Spieler einen Anreiz, mehr als nur "Ich greife an" zu sagen.

Der Kampf ist sehr simpel, Waffen und Rüstungen z.B. sind Fluff, solange sie nicht als Qualitiy gekauft wurden. Der Schaden reduziert die Qualities, sobald eins unter Poor sinkt, war es das. Ja, der Schaden ist sehr abstrakt, man kann von einem Schwert getroffen werden und verliert eine Stufe in Ikebana oder in Mitglied im Orden der schwarz-weißen Steine.

Insgesamt bietet das System eine erstaunliche Menge Crunch für ein solch abstraktes System, und es wirkt durchdacht und aus einem Guß. Es ist aber definitiv nichts für Realismus-Fans.

Charaktererschaffung
Die Charaktererschaffung ist ebenfalls eher übersichtlich. Sie starte mit einer Beschreibung, dann kommt die Rasse. Die Rassen (dazu später mehr) haben alle Vor- und Nachteile, die entweder als Modifikator für bestimmte Proben genutzt werden, die aktiviert werden können (meist 1x pro Szene) oder die ständig gelten, so wie Nachtsicht.

Dann die Stufe, SCs starten auf Stufe 1. Später gibt es statt XPs irgendwann, wenn der SL meint es würde passen, einen Stufenaufstieg, und zwei Qualities verbessert sich.

Als nächstes kommen Personality Hooks. Eine Tugend und ein Laster wird für den SC definiert.

Es folgt das Heimatland, dann eine Organisation, die der SC angehört oder angehörte. Entweder nimmt man eine vorgegeben Organisation, oder man denkt sich selbst eine aus. (Diese beiden Qualities können für passende Proben verwendet werden und können auch Schaden erleiden.)

Dann noch Basic Qualities. 5 Ränge dürfen auf beliebige Qualities verteilt werden. Das können Berufe, Fertigkeiten, Persönlichkeitsmerkmale, Attribute, Gegenstände, Zaubersprüche oder was einem sonst einfällt sein.

Zum Abschuß eine Schwäche auf der Stufe Poor, und der SC ist fertig.

(An dieser Stelle kann ich nur empfehlen, den Charakter Assistant als PDF gleich mitzukaufen. Auf 6 Seiten wird ein bißchen Struktur in die doch sehr freie Charaktererschaffung gebracht. So wird vorgeschlagen, die 5 Punkte für Basic Qualities auf einen Beruf/Klasse und 4 beliebige Merkmale aufzuteilen. Es gibt jede Menge Tabellen, auf die man, wenn man denn möchte, auch würfeln kann. Viel praktischer sind sie allerdings als Inspirationsquelle.)

Magie
Es gibt drei Arten von Magie: Thaumaturgie, die klassische Formel-und-Gesten-Magie, Mystizismus, fernöstliche angehaucht, und göttliche Magie für die Priester.

Ein SC, der Zaubern möchte, braucht eine entsprechende Quality, die festlegt, was er machen kann. Feuermagie, Heilung oder Schattenmagie wäre ein Beispiel. Die Schwierigkeit ergibt sich dann aus einer umfangreichen aber simplen Tabelle, mit deren Hilfe der jeweilige Spruch regeltechnisch umgesetzt werden kann.

Sprüche kosten keine Magie-Punkte oder ähnliches, es gibt ein Entzugs-System ähnlich wie Shadowrun. Und auch hier ist es wie auch an anderer Stelle: Die Qualities bekommen "Schaden" (durch den Entzug), der Schaden "verheilt" allerdings recht schnell.

Setting
Nach dem Einleitungstext könnte man eine im besten Fall lustige oder absurde, im schlechtesten Fall eine alberne Welt erwarten, irgendwas in der Liga Monthy Python, Terry Pratchett oder eine Parodie wie Order of the Stick.

Glücklicherweise (IMHO) ist es nicht so.

Rassen
Es gibt die Standard-Rassen, aber alle haben etwas besonders. Elfen sind unsterblich, arrogant und eher gelangweilt, sie haben mehr von Pratchetts Elfen oder Moorcocks Melniboner als von Tolkiens Elfen. Sie sind nicht per se böse, aber sie können... unangenehm werde.

Zwerge werden nicht geboren, sondern aus Stein geschaffen, der dann in Fleisch verwandelt wird. Sie sind geschlechtslos, stehen also allem, was sich um Sex, Verführung usw. dreht, irritiert gegenüber.

Hoblinge (Die Hobbits von QotMR) stammen von Nagetieren ab, die von einem Gott in menschenähnliche Gestalt gebracht wurden. Ansonsten folgen sie allen Hobbits/Halblingen/Kender-Klischees, und mit der ganzen Nagetier-Kiste machen die Klischees überraschenderweise sogar noch mehr Sinn.

Orks wurden erschaffen, um Elfen zu töten, da sie unsterblich sind. Und da Elfen so gut wie alles außer der kompletten Vernichtung überleben, wendeten die Orks eine einfache Strategie an: Sie fraßen die besiegten Elfen. Man kann aber durchaus einen aufgeklärten Ork spielen, der so was nicht mehr macht...

Götter
Es gibt das schon fast unvermeidliche Götterphanteon. Aber dazu gibt es einen ganzen Haufen kleinere Götter, die allerdings nichts genauer definiert werden. Es ist so gedacht, daß diese Götter von den Spieler definiert werden, und jeder Spieler schreibt sich auf, ob er dem Gott einen Gefallen getan hat oder ihn verärgert hat. Dafür kann man Punkte sammeln, und jeder Charakter kann um ein Wunder beten. (Die Priester sind darin allerdings um einiges besser.)

Im Idealfall entsteht ein Geflecht aus konkurrierenden und verbündeten Göttern, mit den SCs mittendrin.

Monster
Ein klassisches Fantasy-Rollenspiel braucht Monster. Hier ist QotMR mit gerade mal 19 Monster ein bißchen schwach auf der Brust. Dafür ist es gut strukturiert. Es werden einige Qualities für Monster definiert, inklusive Regeln, und bei den jeweiligen Einträgen wird dann darauf Bezug genommen.

(Wem das zu wenig Monster sind: Im Book of bewildering Beasts sind noch 44 weitere Monster drin, und eine paar neue Qualities. DrivethroughRPG biete eine Bundle mit QotMR, dem oben angesprochenem Character Assitant und dem Book of bewildering Beasts an. Sehr praktisch.)

Die Welt
Die Welt ist größtenteils eine generische Fantasywelt, in der alles, was man so brauchen kann, reingestopft wurde. Es gibt Wikinger und Samurai, Dschungel, Wüste, Pirateninseln, große Städte und Nomaden. Letztere sind ein Reitervolk, die allerdings nicht auf Pferden sondern auf großen Wieseln reiten. Aber auch hier: nicht albern oder als Parodie dargestellt, die Riesenwiesel sind nicht knuffig und kuschelig sondern echt gefährlich.

Es gibt weitere Merkwürdigkeiten wie Shiny Gates, einer Stadt, die an der Grenze zu Arrganarr liegt, einem monsterverseuchten Landstrich. Sowohl Menschen als auch Monster wissen Handel zu schätzen, und so kann man in Shiny Gates Monster finden, die einem außerhalb der Stadt den Kopf abreißen würden.

Aber im Großen und Ganzen ist die Welt durchaus spielbar, und zwar auch ohne daß ein Witz dem anderen folgt.

Was noch übrig blieb
QotMR hat noch eine Kapitel mit SL-Tips, nichts umwerfend neues, geht aber in Ordnung. Und es gibt ein paar Beispielcharaktere, was bei der eher freien Charaktererschaffung eine gute Idee ist.

Fazit
Das System macht einen sehr guten Eindruck, und es ist leicht von der Welt zu lösen, falls man auf einer anderen Welt spielen möchte. Es ist auch ohne weiteres möglich, das System für einen ernsthafteren Hintergrund zu verwenden.

Wer regelleichte Systeme mag kann ruhig einen Blick riskieren, PDQ ist von Haus aus schon gut, und Tim Gray hat für QotMR noch ein paar passende Änderungen und Ergänzungen am System vorgenommen.

Die Welt ist ziemlich generisch, weist aber die eine oder andere nette Idee auf, und man kann sie sicher gut als Hintergrund nehmen.

Und wenn man so richtig die Old-School-Schiene fahren möchte, durch das einfache System dürfte es ein leichtes Sein, alte Abenteurer mit QotMR zu spielen.


QotMR versagt allerdings mit seinem Anspruch, eine Parodie auf Old-School-Rollenspiel im Allgemeinen und auf D&D im Speziellen zu sein. Und das ist aus meiner Sicht kein Nachteil, sondern durchaus ein Vorteil. So ist QotMR ein eigenständiges Rollenspiel geworden, daß sich nicht an die Vorbilder anlehnen muß, die es parodieren will.


Tybalt

Offline Jed Clayton

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Re: Questers of the Middle Realms
« Antwort #1 am: 5.03.2009 | 08:38 »
Hallo Tybalt.

Dank Dir für die schöne Rezension.
Ich habe Questers o.t.M.R. ebenfalls zu Hause, ich hab's mir schon vor fast zwei Jahren von einem Laden als gedrucktes Softcover-Buch bestellt. (Der Inhalt der gedruckten Version ist genau wie hier beschrieben.)

Ich stimme dir in allen Punkten zu. Der hauptsächliche Grund, weshalb ich zurzeit kein QotMR spiele ist, dass wir in unserer regelmäßigen Runde schon drei andere Fantasy-Systeme zocken, darunter mindestens eines mit stark parodistischen Elementen. (Selbst unsere "klassische" RuneQuest-Runde driftet immer mehr in die Slapstick-Ecke ab, obwohl wir nichts an den Regeln verändern!)

Ich würde nicht sagen, dass ich ein Problem mit QotMR hätte, aber schon wieder EDO-Fantasy? Das ist meiner Gruppe im Augenblick eben schwer zu verkaufen. Genau genommen wollen die Leute dort durchaus EDO-Fantasy spielen, aber nicht fortwährend das System wechseln. Hätte ich nicht bereits 2 bis 3 sehr ähnliche Systeme am Start, könnte ich wohl etwas damit machen.

Truth & Justice habe ich auch in meiner PDF-Sammlung... muss ich mir noch mal näher angucken, wenn ich mal dazu komme.
"Somewhere there is danger, somewhere there's injustice, and somewhere else the tea is getting cold."

(Doctor Who, Survival, 26th season, serial 4, part 3)