Autor Thema: Eigener Leitstil in der Retrospektive und als Toolbox  (Gelesen 1441 mal)

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Offline 8t88

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Ich möchte in diesem Thread zur Diskussion anregen, was man von seinen früheren Spielleiterhabitaten heute wiederentdeckt hat.

Bei mir war es "cinematisches" Spiel.

Es gab mal eine Zeit, wo sich Cinematisches Spiel als reiner Selbstläufer zumindest bei mir als Sl über Wasser halten konnte. Es gab recht viel Action, und die Beschreibungen wurden durch Regelarme Systeme, zum Zentralen Mittelpunkt.
Wushu hat das ganze dermaßen auf die Spitze getrieben, dass ich von einigen Leuten Kritik eingefahren habe, die ich in diesem Moment überhaupt nicht nachvollziehen konnte.

Durch
-meinen aktuellen Spielleiter
-meiner 7te See Chronik
-Scion Oneshots
-meine Aufgabe als Con-Supporter
-Angehender UA-SL

...habe ich jedoch angefangen mich mit meinem eigenem Leitstil auseinander zu setzen.

Diese neuen Erkenntnisse und meine Erfahrungen im Leiten im „puristischen Action-Stil“ ergeben eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten für mich als SL.
Dabei wurde die Cinematik für mich zu einer „Trickkiste“ mit der ich bestimmte Aspekte einer Runde, eines Abends, eines Abenteuers, eines (N)SC's, einer Szene, einer Spielmechanik, eines Systems, eines Plotarcs, kurz allen Elementen des Spiels diesen anstrich verpassen „kann“ aber nicht muss.

Wer hat so etwas ähnliches nach dem Ablegen seiner „früheren“ Rollenspielweise durchgemacht?
Live and let rock!

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Eran

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Re: Eigener Leitstil in der Retrospektive und als Toolbox
« Antwort #1 am: 27.08.2009 | 12:17 »
Erstmal, danke, für diesen schönen Beitrag.  :D

Wenn ich mal so zurückblicke, fällt mir auf, dass ich schon immer viel mit Symbolik und auch Artefakten gemacht habe.
Heute fällt es mir leicht darauf zurück zu greifen und daraus einen roten Faden für mich als SL zu weben, der für die Spieler jedoch schön mystisch und geheimnisvoll ist, einfach weil diese ja nunmal nicht in meinem Kopf wohnen.

Auch habe ich es immer verstanden Regeln zu improvisieren und zu vereinfachen. Es mag sein, dass dieser Stil nicht jedem gefällt. Mir hat dies jedoch ermöglicht DSA4.1 zu leiten und Großteils von meinen DSA Kenntnissen von vor 15 Jahren zu zehren.

Mit der Zeit (seit ca. 6 Jahren) habe ich mir angeeignet Beziehungskarten zu machen, was dazu geführt hat, dass meine Abenteuer mehr NSC bekamen. Dies würde ich auch schon als erpobtes Tool nennen auf das ich zurück greifen kann.

Was ich auch nach langjähriger Rollenspielerzeit und auch nun schon über zehn Jahren regelmäßigem Spielleiten noch immer ausgebaut werden kann ist das Beschreiben und Stimmung/Spannung erzeugen. Dies mache ich vor allem intuitiv. Im Grunde bin ich diesbezüglich auch zufrieden mit mir, doch immer klappt es auch nicht. Manchmal liegt das sicher auch daran wie die Gruppe grade drauf ist.

Offline sindar

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Re: Eigener Leitstil in der Retrospektive und als Toolbox
« Antwort #2 am: 9.09.2009 | 12:53 »
*gg* Erst mal was, was nicht funktioniert hat: Wenn ich mich akribisch vorbereite, endet es in der Katastrophe (und Langeweile fuer die Spieler).

Gelernt habe ich, dass ich nicht mehr als eine grob berschriebene Situation brauche, um gut zu leiten; den Rest kann ich improvisieren bzw. von Spielerideen uebernehmen. Ich hatte schon AB's, die ich komplett aus Spielerideen zusammengesetzt habe!
Ich glaube, ein Abenteuer, dass ich mal gelesen habe, hat meinen Leitstil am meisten gepraegt: Das inoffizielle DSA-AB "Die Schwarzen Streuner". Da steht genau das drin, was ohne die Helden passiert, ausserdem werden die NSC's recht genau beschrieben, so dass der SL sich deren Reaktionen auf die Helden gut ausdenken kann.
Die Gruppe, die ich geleitet habe (war bisher nur eine), hat sich nicht sonderlich dran gestoert, wenn ich mal ein paar NSC- oder Ortsnamen durcheinandergeschmissen habe. Das ist aber sicherlich etwas, was ich besser machen muss, wenn ich mal wieder leite (was im Moment unwahrscheinlich ist). Ich muss mir angewoehnen, mir Listen anzulegen, am besten waehrend ich die Namen erfinde.
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Offline Skele-Surtur

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Re: Eigener Leitstil in der Retrospektive und als Toolbox
« Antwort #3 am: 10.09.2009 | 14:21 »
Gelernt habe ich, dass auf Cons die komplexen Storys, die ich mir über die Jahre angewöhnt habe, nicht ziehen. Dazu ist zu wenig Zeit und die Spieler oft zu wenig aufeinander abgestimmt. Also bin ich zum altbewährten "Ein Problem, offene Lösung" zurück gekehrt. Damit schienen die Spieler mehr anfangen zu können, besonders, da ihnen kein Lösungsweg vorgegeben ist und es ihre Entscheidung ist, was sie tun.
Doomstone ist die Einheit in der schlechte Rollenspiele gemessen werden.

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Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: Eigener Leitstil in der Retrospektive und als Toolbox
« Antwort #4 am: 11.09.2009 | 02:31 »
Da steht genau das drin, was ohne die Helden passiert, ausserdem werden die NSC's recht genau beschrieben, so dass der SL sich deren Reaktionen auf die Helden gut ausdenken kann.

Yopp. Optimale Planung einer lebendigen Welt. Überlege relativ detailliert, was warum passiert, wenn die SC nicht kämen, und dann laß Deine Gruppe drauflos. Damit kann man ganze Kampagnen strukturieren.

Schlechte Erfahrung: Ich bin miserabel im Kaufabenteuer leiten, und Dinge, die ich für besonders gelungen halte, fallen meist durch. Daher meine oberste Maxime: Kill your darlings.

EDIT/Mehr topicbezogen. Sorry.
« Letzte Änderung: 11.09.2009 | 02:34 von Lorom »
I'm not nice. I'm on medication.

Butt-Kicker 75% / Tactician 75% / Method Actor 67% / Specialist 67% / Power Gamer 67% / Storyteller 58% / Casual 0% (Schubladen)

Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

Zitat von: Dolge
Auf Diskussionen, was im Rollenspiel realistisch ist und was nicht, sollte man sich nie unter gar keinen Umständen absolut gar überhaupt vollständig nicht einlassen.

Offline Grey

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Re: Eigener Leitstil in der Retrospektive und als Toolbox
« Antwort #5 am: 17.09.2009 | 14:13 »
Bei mir hat sich die größte Änderung des Spielstils in Punkto Einsatz von Medien ergeben.

Früher: "Minimalistischer" Ansatz. Hintergrundmusik nur in Schlüsselszenen. Zinnminiaturen nur der Übersicht halber auf Blanko-Kampffeldern.

Vor drei Jahren dann sind meine Frau und ich auf die "richtige" Rollenspielmusik gestoßen, und das hat meinen Stil komplett umgekrempelt. Die nächste Spielsitzung danach habe ich testweise von vornherein so geplant, daß ich jeder Szene ein Musikstück zugeordnet habe, das ich dann auch eingespielt habe. Seitdem sind mir folgende positive Effekte an der Musik aufgefallen:

1. Sie hilft ungemein beim Planen. Durch die Musikauswahl denke ich von vornherein sehr viel bewußter darüber nach, welche Stimmung ich in welcher Szene erzeugen will. Das tut seinerseits wieder dem Spannungsbogen der Geschichte als Ganzes gut.

2. Im eigentlichen Spiel hilft die Musik dabei, die Spieler bei der Sache zu halten. Vorher hatte ich oft das Problem, daß Spieler A noch in der Herberge was klären wollte, während Spieler B schon drei Tagesreisen weiter in der Stadt "unterwegs" war und keiner mehr so recht wußte, welche Zeit wir [im Spiel] haben und an welchem Ort wir sind. Die Musik hat sich bei mir als Signal etabliert: "Solange dieses Stück läuft, sind alle noch in bzw. bei der Herberge, und es gibt noch keine Action in der Stadt. Sobald ich das Stück wechsle, gibt es keine Action mehr in der Herberge, denn dann haben wir sie alle verlassen."

Langfristig führte das bei mir insgesamt zu mehr Medieneinsatz, insbesondere auch zu liebevoll ausgearbeiteten Geländeskizzen. Das Feedback ist durchweg :d.
Ich werd' euch lehren, ehrbaren Kaufleuten die Zitrusfrucht zu gurgeln!
--
Lust auf ein gutes Buch oder ein packendes Rollenspiel? Schaut mal rein! ;)

Offline Joerg.D

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Re: Eigener Leitstil in der Retrospektive und als Toolbox
« Antwort #6 am: 17.09.2009 | 14:19 »
Bei mir gibt es nur die Betrachtung der letzten Kampagne, weil ich mich in dieser immer mit dem auseinandergesetzt habe, was meinen Spielern oder mir in den letzten Spielen aufgefallen ist.

Da gibt es nur einen kontinuierlichen Entwicklungsprozess.

Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren.

Offline Grey

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Re: Eigener Leitstil in der Retrospektive und als Toolbox
« Antwort #7 am: 17.09.2009 | 14:46 »
*gg* Erst mal was, was nicht funktioniert hat: Wenn ich mich akribisch vorbereite, endet es in der Katastrophe (und Langeweile fuer die Spieler).

Zu dem Thema hatte ich rückblickend ebenfalls ein ziemliches Aha-Erlebnis.

Als ich vor 20 Jahren anfing zu leiten, habe ich immer akribisch alles vorbereitet, detaillierte Karten gezeichnet, mir zu jedem NSC ausführliche Notizen gemacht usw. usf.

Die erfahreneren Spielleiter, bei denen ich selbst Spieler war und deren Stil ich als Anfänger imitiert habe, haben mir bald davon abgeraten ("Damit nimmst du dir nur den Freiraum zum Improvisieren." - "Das meiste kriegen die Spieler doch eh nie zu sehen, also spar dir die Mühe."), daher ließ ich es irgendwann bleiben. Meine Runden waren meinen Spielern gut genug, es hat allen Spaß gemacht, und lange Zeit habe ich die Freiheit zum Improvisieren genossen. Auf der anderen Seite aber war ich immer etwas frustriert, daß meine Kampagnen irgendwann sang- und klanglos einschliefen, weil die Szenarien unter lauter Improvisationen "kaputtgewuchert" waren. Gegen Ende klafften immer logische Löcher auf, durch die ein Öltanker quer durchpaßte, und es fiel mir immer schwerer, meinen Spielern stimmige und stimmungsvolle Szenarien zu bieten. Daraufhin habe ich mich für eine Weile auf Kurzkampagnen beschränkt, aber von allem Epischen die Finger gelassen.

Vor ein paar Jahren habe ich, einfach aus Spaß an der Freude, mal wieder angefangen, eine Karte zu zeichnen. Die Karte war Selbstzweck. Als SL habe ich damals pausiert und hatte gar nicht vor, eine neue Kampagne anzufangen.

Sobald ich merkte, wieviel Spaß mir das Kartenzeichnen an sich machte und das Durchplanen der Städte, der Gegenden, der Einwohner und ihrer Kulturen, kamen plötzlich auch wieder Ideen für eine Spielhandlung. Meine "aus dem Bauch heraus" entstandene Weltkarte wurde zum Setting für meine nächste Kampagne. Siehe da, mit dieser exzessiven Planung im Rücken konnte ich meinen Spielern das bieten, woran ich in meinen Impro-Zeiten immer gescheitert war: eine von Anfang bis Ende stimmige, in sich geschlossene und stimmungsvolle Kampagne. Die gut ausgearbeitete Welt war mir in diesem Fall beim Improvisieren kein Hindernis, sondern im Gegenteil die Toolbox (sic!), aus der ich jederzeit neue NSCs, Orte am Wegesrand, einheimische Flora und Fauna etc. schöpfen konnte.

Besagte Kampagne - Reise-Szenario mit Schatzsuche - fand nach 18 Spielsitzungen ihren Abschluß. Die nächste Kampagne auf dieser Welt ist schon in der Mache. Episch diesmal. :)

Fazit: für den einen mag akribische Vorbereitung in der Katastrophe enden; dem anderen kann sie den entscheidenden Inspirationsschub einbringen.

Persönliches Fazit: "Plane für dich selbst, leite für die Spieler!" ;)
Ich werd' euch lehren, ehrbaren Kaufleuten die Zitrusfrucht zu gurgeln!
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