Also, Curse Of The Yellow Sign Teil 3.
Ich werde erst mal allgemein etwas dazu sagen, das keine größeren Rückschlüsse auf den Inhalt zulässt. Wer es genauer wissen will, der sehe sich den Spoiler an.
Kurz und knapp: Wer die ersten beiden Teile mochte, der wird auch an diesem wenig zu meckern finden. Man bekommt für sein Geld ein kurz umrissenes Setup, vorgegebene Protagonisten und eine zugrunde liegende Problematik, aus der heraus sich die Handlungen der Spielercharaktere ergeben sollen. Was vollkommen fehlt ist ein roter Faden, ein Handlungsablauf. Das ganze verlässt sich stark auf einen von Improvisation befeuerten Spielstil, den John Wick ja auch gerne propagiert.
Das ganze spielt sich diesmal ab an Bord eines Raumschiffs, das Spiel beginnt mit dem Erwachen aus dem Kälteschlaf, Lichtjahre entfernt von allem menschlichen Leben und ohne Möglichkeit zur Kommunikation mit außerhalb. Lediglich eine immer suspekter werdende Künstliche Intelligenz ist der einzige Ansprechpartner der Spieler den gesamten Spielverlauf.
Der Autor legt einiges an begleitenden Texten vor, in denen er die Stimmung, die ihm vorschwebt beschreibt und dem SL Werkzeuge an die Hand gibt um den Handlungsverlauf mit besonderen Ereignissen und Effekten zu strukturieren. Es sind einige wirklich erinnerungswürdige Einfälle in seinen Beschreibungen erhalten, die ihren Zweck bezüglich Strukturierung und Konfliktentfaltung zwischen den Charakteren erfüllen sollten. Manche sind auch nicht so erinnerungswürdig aber immer noch gut.
Seltsam aber finde ich nach wie vor den Vorschlag, einen Spieler, von dessen Anwesenheit am Spielort die anderen nichts ahnen, quasi als Joker oder Schockeffekt einzubauen, der Schock nämlich, den die anderen Spieler bekommen wenn sie auf gewisse Lautäußerungen des fraglichen Spielers hin anfangen, die Quelle der Laute zu suchen und er brüllend aus seinem Versteck gehüpft kommt. Das mag zwar funktionieren, aber ich frage mich, welchen mir bekannten Rollenspieler ich, wie im Abenteuer vorgeschlagen, für eine unbestimmte Zeit im Küchenschrank verstecken soll. Mir fällt nur eine Dame ein, die von Größe und Körpergewicht her dieser Aufgabe gewachsen sein könnte, aber die wird mich für bescheuert erklären.
Naja, wie dem auch sei, vielleicht hat Herr Wick auch einfach einen wesentlich luxuriöseren Küchenschrank als ich.
Eine knappe Beschreibung des Schiffs enthält nichts besonderes, ebenso die Beschreibung einiger Leichen, die an Bord gefunden werden. Beide haben bei mir keine Inspirationen zum Spielverlauf gebracht, die Leichen sind eigentlich auch nur als Lieferanten für verfehlte Stabilitätsproben von Bedeutung.
Beide Daumen hoch für die Vorschläge zur Musikauswahl, die sind wirklich gut.
Die vorgefertigten Charaktere sind recht gut ausgearbeitet und liefern dem Spieler mit einer knappen Beschreibung genügend Material um sie zu verkörpern. In den Beschreibungen sind wieder wichtige Elemente für die Interaktion unter den Charakteren und den Ablauf des Spiels untergebracht.
Ärgerlich sind einige Ungereimtheiten und fehlende Teile. So schreibt John Wick, er habe für alle Charaktere fünf Flashbackszenen beschrieben, aber auch bei intensiver Suche entdecke ich nur drei pro Charakter. Es gibt widersprüchliche Angaben darüber, ob die Charaktere jetzt die ersten sind die aus dem Kälteschlaf erwachen oder ob andere vor ihnen waren. Von wem wurde denn nun das System des Schiffs offline genommen, und wie können so viele Tote herumliegen, wenn angeblich erst drei Leute tot sind? Das dann ein großer Teil des letzten Charakterbogens fehlt (auch in der Downloadsektion der Autorenhomepage ist das der Fall) und ersetzt wurde durch ein Handout, das meiner Erinnerung nach aus Teil 1 stammt, ist wirklich ärgerlich.
Wie auch in den vorherigen Teilen so soll auch in diesem Fragen der menschlichen Psyche zum Gegenstand einer rollenspielerischen Nabelschau werden, auserwähltes Feld sind diesmal Fragen der menschlichen Identität und Individualität. Man darf sich dann von einer KI darüber belehren lassen, das man selber nicht so eigenständig ist, wie man sich so dachte, und das Psychopathen doch wesentlich freier von Selbsttäuschung sind. Das soll dann wohl die Insignifikanz des menschlichen Individuums vor dem Hintergrund des Kosmosumspannenden Mythos näher bringen, kommt mir persönlich aber hauptsächlich wie pseudopsychologisches Gelaber vor.
Das Ende des Abenteuers ist so ziemlich endgültig, auch in Teil 3 wird von Tod oder völliger geistiger Zerstörung der Charaktere ausgegangen. Für ein Cthulhu One-Shot sicher nichts weltbewegendes, man weiß, worauf man sich einlässt. Allerdings sind die Handlungsmöglichkeiten der Spieler ziemlich eingeschränkt, Erkenntnisgewinn über die Hintergründe des Geschehens sucht man vergebens und zu irgendeinem dramaturgisch befriedigenden Abschluss strebt das Abenteuer zu keinem Zeitpunkt.
In der Einleitung wird das Wort ´Abenteuer´ für das hier besprochene Werk aber auch verneint, es soll sich laut Wick um eine kurze Geschichte handeln, deren Erfolg daran gemessen wird, ob es gelingt, die Spieler zu verstören und zu Nerven zu kosten.
Mein Fazit:
Dem eigenen Anspruch des Verstörens kann Teil drei durchaus gerecht werden. Allerdings speist sich ein großer Teil des Konfliktpotentials des Abenteuers aus einer impliziten Grundannahme seitens des Autors, und für den Fall, das dieses Konzept nicht so zündet wie vorgesehen, wird es eng, fürchte ich. Problematisch sehe ich das vor allem daher, das wirklich nichts und niemand die Spieler zwingt, auf eine entscheidende Offenbarung so zu reagieren, wie es das Abenteuer scheinbar annimmt (mehr dazu im Spoiler). Außerdem kommt der ganze Witz der Offenbarungen erst dann zum Tragen, wenn man die Wick´sche Inerpretation des Gelben Zeichens kennt und ihr zustimmt. Ich fürchte also, das es sich im vorliegenden Fall nur um einen schmalen Grat handelt, der den gelungenen Spielabend von frustrierender Zeitverschwendung trennt. Der Improvisationsanteil ist hoch und das kann meiner Erfahrung nach auch schnell in die Hose gehen. Wenn also ein oder zwei Spieler keinen guten Abend haben, dann lieber ein gut gerailroadetes DSA-Abenteuer gezückt
.
Durchaus Potential, aber ein zerbrechliches Gleichgewicht. Qualitativ etwa mit dem Rest der Reihe vergleichbar.
Der Hintergrund des Ganzen sieht wie folgt aus: Die Charaktere sind Kolonisten, die auf einen fremden Planeten zwecks Aufbau einer Kolonie verfrachtet werden. Das Schiff wird gesteuert von einer kleinen Basismannschaft und einer K I. Während des Flugs gerät das Schiff unter den Einfluss dunkler, von Hastur gesandter Mächte und die KI wird quasi vom Mythos infiziert. Sie beschließt, erst die Mannschaft gegeneinander aufzuhetzen und sich gegenseitig umbringen zu lassen. Danach will sie dasselbe mit den Kolonisten tun, einfach nur weil sie das kann und interessant findet. Flugs werden also die ersten Kolonisten erweckt, die KI tischt ihnen einige Lügen über den kurz vor der Explosion stehenden Zustand des Schiffs auf, und sieht zu, wie die Spieler sich abmühen und immer paranoider werden, wenn sie bei ihren Rettungsbemühungen über die Leichen der Mannschaft und evtl. schon vorher erweckter Kolonisten stolpern.
Der Clou an der Sache: Die Kolonisten sind psychisch reprogrammierte Schwerstverbrecher, die zur Arbeit auf den Kolonien verurteilt wurden. Die KI hat die Reprogrammierung unterbrochen, so das die wahre Natur der Charaktere unter ihrer noch unfertigen Fassade wertvoller Gesellschaftsmitglieder lauert und mit fortschreitendem Stabilitätsverlust die Oberhand gewinnen soll. Zur Auswahl stehen ein Frauenmörder, ein Kannibale, ein sadistischer Serienmörder, eine Kindermörderin und einmal Münchhausen by Proxy. Beim letzten präsentierten Charakter weiß man es nicht, aufgrund des oben erwähnten Fehlers im Charakterbogen. Alle diese Personen hatten im Rahmen ihrer Gräueltaten Kontakt mit dem Gelben Zeichen, sind also schon vom Mythos berührt und zu ihren Taten dadurch ermutigt worden (Das ist zumindest eine Interpretation). John Wick setzt jetzt darauf, das die schrittweise Enthüllung dieser Identitäten zur Triebfeder des Abenteuers wird, und das bestenfalls die Charaktere anfangen, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen.
Und hierin sehe ich einen Schwachpunkt des Abenteuers, denn wenn dieser Ansatz nicht einschlägt, ich mir vielleicht als Spieler denke : ´Na gut, jetzt habe ich Visionen darüber, wie ich angeblich Kinder umgebracht haben soll, aber das wird mir irgendwie diese verrückte KI eingeimpft haben´, dann befürchte ich, das das Spiel schnell in einen uninspirierten Schlagabtausch zwischen den Charakteren und der KI samt ihrer Kampfroboter abdriftet. Das dieser dann nicht zu gewinnen ist, ist für ein puristisches Cthulhu-Gefühl noch erträglich, aber irgendwie wäre dann der Großteil des Potentials des Abenteuers verschenkt.