Autor Thema: [nWoD] Tugend und Laster fürs Storytelling  (Gelesen 899 mal)

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Nin

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[nWoD] Tugend und Laster fürs Storytelling
« am: 14.07.2011 | 22:56 »
(...) Mirrors moechte ich mir alleine deshalb schon holen, weil es Alternativen zu Morality/Humanity und - vor allem! - zu Virtues/Vice anbietet, beides VtR-Bauelemente, die mir nicht gefallen/zusagen. Leider ist Mirrors vergriffen. (...)

Mir ging es am Anfang ähnlich wie dir. Ich fand die Gängelung durch Morality und Reglementierung durch Virtues und Vices schrecklich. Der oWoD Bausteine von Nature/Demeanor (Sein und Schein), war mir vertrauter...
Irgendwann hat es bei mir aber Klick gemacht, "Mirrors" hat dazu entscheidend beigetragen. Seitdem sehe ich das, was ich vorher einengend oder unnütz fand, als gelungene Spielhilfe.

Zum Morality-System habe ich ja schon öfter geschrieben, dass ich das für eine passende Methode zur Thematisierung von SC-Konflikten halte. Deshalb sage ich jetzt nichts dazu

Was hinter Virtues/Vices steckt, ist da in gewisser Weise ähnlich. Allerdings sehe ich darin eher eine Möglichkeit, allgemeinen Einfluss auf die Spielwelt zu nehmen. Durch die Wahl der Virtues/Vices sagen mir die SpielerInnen, nicht nur was Ihre Figuren für Charaktereigenschaften haben, sondern vor allem, was diese erleben sollen. Gleichzeitig sind individuelle Tugend und Laster einer Figur, für mich als Erzähler, eine Option an der Schraube für die Stimmung im Spiel zu drehen.

Und das gefällt mir prinzipiell. Gerade bei langfristigen Spielrunden und der WoD finde ich es passend, wenn der Regelbaustein der Einflussnahme der SpielerInnen auf den Ausgang eines Würfelwurfs (hier Ressource: Willpower), durch das definiert wird, was die Charaktere in der Geschichte erleben haben. Das erhöht für mich die Immersion. (Und es liegt mir auch einfach näher, als Systeme, die die SpielerInnen belohnen.)

Handelt ein Charakter tugendhaft, dann ist das immer eine Belohnung wert.

Und treibt ihn sein Laster an, dann gibt das Stoff für die Story.

z.B. Gier: Ein SC will Reichtum?
Gib es ihm. Ich mach das gerne ... und zwar bedingungslos, ohne ihn zu bestrafen. Aber gleichzeitig so, dass es die gewünschte Stimmung der Geschichte forciert.
Er kommt zu Geld, Gold oder Schmuck. Aber dann!?
Soll Drama transportieren werden, dann könnte das Vermögen aus einer geheimen Quelle nächster Freunde und Angehörigen stammen. Hinter dem Geheimnis tauchen vielleicht tiefe menschliche Abgründe auf und es ist fraglich, ob der bisherige positive Beziehung weiter besteht.
Ist zu erkennen, dass das Gold aus einem Klumpen von geschmolzenen Goldzähnen zusammengesetzt ist oder der filigrane Schmuck Steine enthält, die aus unzähligen geschliffenen und polierten Schneidezähnen besteht oder das Geld Blutspuren aufweist, die auf das Lösegeld einer tödlich verlaufen Entführung verweisen, kann das eine eher horrormäßige Stimmung betonen.
Etc.

Deshalb breche ich hier mal ein Lanze für das Virtues/Vices bzw. Tugend/Laster System der nWoD.

Offline Windjammer

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Re: [nWoD] Tugend und Laster fürs Storytelling
« Antwort #1 am: 15.07.2011 | 19:47 »
Vielen Dank, dass Du das Thema aufgegriffen hast. Neben Mirrors habe ich aehnliche Ausarbeitungen und Ersatzsysteme auch schon in WoD:Innocents, VtR:Danse Macabre, und Hunter the Vigil (core book) gesehen.

Ich habe ja noch null Spielerfahrung mit dem Subsystem, aber ich tendiere dazu, dass aehnlich wie den Codex eines Moenchs oder Paladins in D&D handzuhaben - sprich, Inhalt und Rolle der Tugenden und Laster kann von SC zu SC voellig unterschiedlich sein, selbst wenn es namentliche Ueberschneidungen gibt. Zum Beispiel versteht man unter Zorn sowohl inhaltlich als auch funktionell etwas anderes bei Thomas von Aquin oder bei Aristoteles; zum einen verlaeuft die Grenze zwischen gerechtfertigtem Zorn und ungerechtfertigten anders bei den beiden Ethikmodellen. Zum anderen spielt die Tugend eine voellig andere Rolle - bei Aquin geht es um die Ueberwindung der gegebenen conditia humana (vgl. auch Dantes Purgatorium), bei Aristoteles geht es um den ureigenen Ausdruck der aktuellen menschlichen Natur (Nic. Ethik, Buch I, Kapitel 3). Das verdeutlicht doch, wie unterschiedlich man die (fast) selbe Tugend in die humanity Problematik bei VtR einbauen kann.

Und gaaaaanz spannend wird es, wenn man fuer Requiem for Rome dann wirklich zur hellenistischen Ethik greift, also Stoa und Epikurismus - ethische Systeme, die im Ggsatz zu Christentum und Antike nicht immer davor zurueckscheuen, gewagte Verhaltenspraktiken wie Anthropophagie zu vertreten. Alles perfekte Baukasten, und Material, das man hervorragend in VtR spielerisch erkunden kann. (Auf deutsch ist das die beste Quellensammlung fuer den Nichtspezialisten.)

Denn selbst von namentlichen Ueberschneidungen bei Einzeltugenden abgesehen, wuerde ich es meinen Spielern gestatten, fuer ihre Charaktere einen eigenen 'table' zu gestalten, wodurch Verlust von humanity dargestellt wuerde, in Anlehnung an den Trollmanschen 'Path of Typhon' (siehe hier).

In Summe: mir wuerde im Traum nicht einfallen, eine Lanze fuer das nWoD 'out of the book' System fuer Tugenden, Laster, und humanity zu brechen, aber ich finde es schonmal gut, dass mich ein RPG dazu veranlasst, mir zu ueberlegen, wie ich diese Thematik spannender, offener, und subtiler gestalten kann.
« Letzte Änderung: 15.07.2011 | 19:52 von Windjammer »

Offline Rabenmund

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Re: [nWoD] Tugend und Laster fürs Storytelling
« Antwort #2 am: 16.07.2011 | 05:36 »
Nun, ich bin was das Vice and Virtue-System der nWoD angeht sehr gespalten. Da erinnere ich mich einfach noch zu sehr an die Erschaffung der beiden Charaktere, welche ich für Mage bzw. die "normale" WoD gebaut habe... und wie schwer es mir fiel, etwas passendes zu finden.

Ich hatte eine klare Idee für den Charakter, und nach dem alten System mit Wesen und Verhalten wäre es ein Klacks gewesen, die Motivation für den Charakter zu finden. Da es mir einfach Spass macht, Charakteren im Spiel Schwächen zu verpassen brauchte ich dafür nie einen Extra-Wert... aber lassen wir das.

Ich sass also vor meinem Detektiv bzw. Scharfschützen und es passte einfach nichts zu dem Bild das ich im Kopf hatte. Irgend etwas störte immer, engte immer ein was ich bauen wollte. Ich nahm dann schlußendlich zwei, ohne das ich mich wirklich damit wohlgefühlt hätte. Nicht weil es 1:1 aus dem Katholizismus geklaut war, das hatte mich daran am wenigsten gestört.. es passte nur einfach nicht.

Andererseits ist es natürlich schön, jeweils eine "Prägung" in beide Richtungen zu haben, die man im Spiel unterbringen kann.. und die das Spiel bereichern kann. Viel mehr positives kann ich über den nWoD-Ansatz leider nicht sagen, da ich nach einem halben Jahr anspielen wieder froh und glücklich zur oWoD zurückging ;)
(Im Übrigen: Es lag nicht am Meister oder der Gruppe, beide waren prima.. das System liegt mir einfach nicht)
Ich bin schriftlich meist ein kurzer und knapper Schreiber. Sollten Beiträge dadurch schroff oder unfreundlich wirken, weisst mich kurz darauf hin.
 
Am Besten stellt man sich meine Aussagen mit einer lebendigen Mimik vor, dann bekommt man ein Bild davon ;)