Ich habe einen etwas längeren Artikel zu BdW AidA verfasst, auf den ich hier verlinken und aufmerksam machen möchte. Da auch Formatierung, Link, Beispiel und Fotos enthalten sind, ist das lesen des Originals zu empfehlen. Ansonsten findet sich die reine Textkopie untenstehend im Spoiler.
Ziemlich viele Abkürzungen in der Überschrift. Und wer die trotzdem lesen kann, der ist einfach ein Nerd. Und wer sie verstehen kann, der ist ein Kenner. Der kennt sich jedenfalls innerhalb der Rollenspielszene aus und weiß, was die letzten Jahre auf dem Markt war und gespielt wurde. So jedenfalls meine Rollenspieltheorie.
Für all jene die keine Ahnung haben was die Überschrift bedeutet, kommt hier die Übersetzung: Berge des Wahnsinns, Aufbruch in die Antarktis, Call of Cthulhu und Realms of Cthulhu. Der zweite Teil der Überschrift ist doch eher eine abstrakte Vorstellung, eine große Metapher.
Zwei Absätze gelesen und noch immer keine Ahnung worum es geht? Nachvollziehbar, aber unverständlich. Es dreht sich natürlich ums Rollenspiel und um das epische Abenteuer “Berge des Wahnsinns”, das in drei Bänden beim Verlag Pegasus erschienen ist. Im speziellen handelt der Artikel von Band 1, der den Titel “Aufbruch in die Antarktis” trägt. Eine Rezension zu dem Buch gibt es übrigens ebenfalls im Blog.
Den ersten Band haben wir nun bald abgeschlossen und es ist für mich an der Zeit, ein kleines Fazit zu ziehen. Nicht zum Abenteuer selbst, sondern zu meiner Umsetzung. Wer unliebsame Offenbarungen vermeiden möchte, sollte spätestens jetzt das Lesen einstellen. Alle anderen Leute sind herzlich eingeladen den Zeile zu folgen.
Der Cthulhu-Mythos an sich ist äußerst spannend und es macht große Freude Romane und Quellenbücher zu lesen. Bereits das Regelwerk Call of Cthulhu kommt gediegen daher, ist doch behäbig und oftmals unnötig detailliert. Es macht Spaß, kein Zweifel, braucht aber auch Spieler die diesen Stil mögen. Ähnlich ist es bei den Kaufabenteuern - oder gar den Abenteuern im allgemeinen - die gerne mit vorgeschriebenen Abläufen daherkommen und voraussetzen, dass die Spieler den ein oder anderen Lösungsweg im Sinne des jeweiligen Autoren beschreiten. Auch diese Willkür muss gemocht werden. Mangelt es an Liebe zu diesem Spielstil, der vor allem unter deutschen CoC-Spielern weit verbreitet und auch gemocht ist, dann mangelt es auch unweigerlich am Spielspaß.
Um das Regelwerk an den eigenen Stil anzupassen und die Spielsitzungen anders zu gestalten, gibt es natürlich viele Möglichkeiten. CoC kann mit Hausregeln versehen werden. Optionale Regeln wurden sogar in einer Artikelreihe im Magazin Cthuloide Welten vorgestellt. Spieler können auf andere Systeme umschwenken. Da gibt es die Möglichkeit freie und offene Systeme wie FATE zu benutzen. Oder der Griff zum professionellen Trail of Cthulhu (ToC), das auf GUMSHOE basiert. Ich habe allerdings zu Realms of Cthulhu gegriffen, einem Setting zu meinem aktuellen Haussystem Savage Worlds (SW).
Das Abenteuer Berge des Wahnsinns - Aufbruch in die Antarktis ist arg willkürlich. Die Figuren der Spieler heuern bei der Starkweather-Moore-Expedition an, laden die Ausrüstung an Bord und fahren dann mit dem Schiff in die Antarktis. Lässt der Spielleiter etwas mehr Eigeninitiative zu, dann droht die Handlung zu kippen und sind bestimmte Passagen des Abenteuers unnötig. Deswegen wird offiziell darauf geachtet, dass die Spieler möglichst wenig am eigentlichen Verlauf ändern können. AidA zu lesen macht großen Spaß, aber es zu spielen ist ziemlich langweilig. Im Grunde hätte der Autor Charles Engan der Spielgruppe auch nur ein großes Intro zum Vorlesen vorlegen können. Aber dann würde wiederum doch etwas fehlen. Immerhin erfahren die Spieler ja mehr über die 1930er, lernen ihre Charaktere die Leute an Bord und die Mitglieder der Expedition ein wenig näher kennen, haben Zeit, um sich einzuleben. Das sind Punkte, die ich gerne mag. Weniger mag ich die Fremdbestimmung von Spielern und Charakteren.
SW geht anders an die Sache heran. Die Spieler stehen im Mittelpunkt, sie bestimmen das Geschehen, sie geben die Richtung vor und haben dabei ziemlich große Freiheiten. Das Regelwerk ist zudem verdammt schnell und RoC kommt mit einigen Schaltern daher, um Tödlichkeit und Wahnsinn einer Kampagne auf die eigenen Bedürfnisse einzustellen. Das klingt gut, das macht Spaß, so soll es sein. Allerdings bedeutet es auch, sich erst einmal an einen Umbau heranzutasten.
Bevor die Figuren nach New York kamen und sich bei der Expedition einschrieben, haben wir zum Üben zwei kleinere Abenteuer vorneweg gespielt. Die waren flott und machten Laune. Mit RoC vertraut, ging es dann an AidA. Die Vorstellungsgespräche liefen wunderbar. Da es in solch einem Abenteuer schwer ist Charaktere als Ersatz für verstorbene Figuren nachzubringen, hat jeder Spieler einen zweiten Charakter erstellt. Dabei war es auch möglich, ein Mitglied aus der Expedition zu wählen.
Wir haben ein wenig Experimentiert und sind nach einigen Versuchen dazu übergegangen, einen Charakter zu Beginn der Spielsitzung als Hauptrolle für den Spielabend zu aktivieren, während der zweite Charakter als Nebenrolle agiert und regeltechnisch wie ein Vertrauter funktioniert. Das bedeutet er hat zwar einen Wild Die, aber keine Bennies. Stirbt die Hauptrolle, nimmt die Nebenrolle deren Platz ein.
Am Anfang, vor allem bei der Ladesequenz, habe ich die Massen an Handouts rausgehauen und versucht das Beladen der Gabrielle möglichst nahe am Buch zu halten. Das macht einigen Spielern Spaß, andere leiden einfach darunter. Die wollen Action, die wollen etwas bewegen. Im Nachhinein betrachtet wäre es sinnvoller gewesen mehr SW reinzustecken und die Handouts einfach nur zum Lesen auszulegen, anstatt damit eine Spielsitzung als Hybrid zu gestalten. Mir ist im New-York-Strang die Erkenntnis gekommen, dass eine Anpassung an RoC einfach ungenügend ist. Ein Umbau musste her.
Also habe ich mir das Buch geschnappt und das Abenteuer regelrecht in seine Bestandteile zerlegt und analysiert - mehr, als ich es sonst für eine Rezension mache, da eigentlich unwichtig. Aber hier musste ich an den Kern ran. Im Grunde ist es wie das Aufbessern eines Autos: Wer weiß wie ein Auto funktioniert und alles auseinandergenommen hat, der ist in der Lage alles unnötige und unerwünschte wegzuschneiden und das Auto neu zusammenzusetzen. Ähnlich bin ich auch vorgegangen.
Die einzelnen Szene wurden von mir abgeklopft um festzustellen, was ihre Antrieb und was das Ziel ist und ob die Figuren der Spieler überhaupt etwas bewegen können. Letzteres ist wichtig, denn - zumindest in AidA - ist es vollkommen unerheblich ob die Spielercharaktere dabei sind oder auch nicht. Das ist kein Witz. Die Expedition ist ziemlich groß und eigentlich ist jedes Mitglied auf seinem Gebiet ein Fachmann. Es gibt keinen Grund, dass die Spieler aktiv werden bräuchten oder warum Starkweather und Moore ausgerechnet die Spielercharaktere mit einer Aufgabe betrauen oder in Entscheidungen mit einbeziehen. Es gibt zwar zwei markante Situationen in denen die Spielercharaktere Eindruck schinden können, aber die als Motor für das ganze Abenteuer zu benutzen, würde die Maschine überanstrengen. Also nutzten Starkweather und Moore häufig die beiden Argumente “Sie sind genau richtig für diese Aufgabe” oder “Sie müssen sich mal bewähren”. Glücklicherweise waren die Expeditionsleiter zunehmend beeindruckt und gaben die Aufgaben gerne an die Spielercharaktere weiter. Der bittere Beigeschmack des gewollten Zufalls blieb somit fern.
Ich habe alle wichtigen Ereignisse aus dem Buch unter die Lupe genommen und in Tales umgebaut, in für SW relevante Szenen, die auch Spielerentscheidungen und Konsequenzen beinhalteten. Zudem habe ich auch kleinere Systeme im Hintergrund installiert, die wiederum Auswirkungen hatten. So konnten die Figuren mit ihren Handlungen und ihrem Verhalten Einfluss auf die Moral der Mannschaft nehmen und im schlimmsten Falle hätte die Gabrielle (das Expeditionsschiff) die Expedition irgendwo an Land gesetzt. Das hätte einen ganz eigenen Handlungsbogen (neues Geld und neues Schiff organisieren) oder gar das Scheitern der Expedition bedeutet. Egal, dann wäre es halt so gewesen. Ende des Abenteuers oder alten Speicherstand geladen - beides ginge.
Aus den statischen Listen und Ereignissen habe ich dynamische Elemente destilliert. Das ging recht gut. Die Gruppe konnte die Fahrt nun verstärkt negativ oder positiv beeinflussen. Es lag in ihrer Hand wie einfach oder schwer zukünftige Szenen würden. Es wurde unbewusst gegen Henning agiert und eine Meuterei verhindert. Im Gegenteil, schlussendlich war die Mannschaft sogar gerne bereit zu helfen. Offiziere und Kapitän stimmten gerne den Vorschlägen der Spielerfiguren zu. Es gab eine Rangliste um festzustellen, wer mit was für Aufgaben betraut wurde. Hier setzten sich die Spieler sofort an die Spitze und heimsten den ganzen Ruhm ein. Dabei stiegen sie sogar in der Achtung bei den anderen Expeditionsteilnehmern, die sich wiederum gerne kommandieren ließen, anstatt lautstark selbst eine Führungsrolle übernehmen zu wollen. Die meisten dieser Systeme und Rankings liefen schlussendlich ohne Wissen meiner Spieler im Hintergrund ab. Andere Mechanismen habe ich dagegen offen kommuniziert.
Die Überarbeitung des Abenteuers hat das Tempo ordentlich beschleunigt und - jedenfalls für mich - den Spaß um einiges gesteigert. Es gab denkwürdige Szenen, die Spieler und ihre Figuren nahmen wichtigen Einfluss auf die Ereignisse und vor allem die Ergebnisse: Alle wichtige Ausrüstung ist dabei, sämtliche Hunde starben an Bord, Henning verplapperte sich beim Folterverhör, das Pemmikan wurde vollständig ersetzt, die Gabrielle trug nur leicht Schäden davon, das Schiff wurde sicher durchs Packeis gebracht und schlussendlich hat Starkweather - mit Hilfe der Spielercharaktere - Acacia Lexington überholt. Das alles Abends, nach Feierabend, bei knapper Spielzeit - und es hat trotzdem gut funktioniert.
Die Ankunft im Rossmeer, der Aufbau des Landungslagers - das hat großen Spaß gemacht. Als kleiner Einblick stelle ich einen Auszug aus meinem PDF zur Verfügung. Es sind Arbeitsnotizen, die ich nach Bedarf am Tisch anpasse und angepasst habe. Eine anschließende Korrektur und Fehlerbereinigung fehlt. Da die Notizen nur für meinen Hausgebrauch sind, kann ich mir eine Überarbeitung natürlich sparen. Die Marker haben ich am Tisch ersetzt, indem eine der Spielerinnen das Landungslager, das Flugfeld und andere Kleinigkeiten aufgezeichnet hat. Dadurch konnte schön verfolgt werden, wie die Ausrüstung aufs Eis kam, das Lager stetig anwuchs und der Weg zurückgelegt werden musste. Fotos davon verdeutlichen die Sache ein wenig. Bei meinen Charakteren habe ich nur die wichtigsten als Trifolds gestaltet - vor allem die Brückenmannschaft und die beiden Expeditionsleiter. Zu letzteren finden sich unten, als kleiner Bonus, auch die Spielwerte die ich benutzt habe.
AidA hat Laune gemacht und ich freue mich schon darauf, wenn und wie es weitergeht.
James Abercombie Starkweather
Attribute: Geschicklichkeit W10, Konstitution W10, Stärke W8, Verstand W8, Willenskraft W10
Fertigkeiten: Heimlichkeit W8, Kämpfen W8, Mumm W10, Schießen W8, Schwimmen W6, Spuren lesen W6, Überreden W10, Wahrnehmung W8, Wissen (Astronomie) W6, Wissen (Natur) W4
Bewegungsweite: 6, Parade: 6, Robustheit: 7, Stabilität: 7
Handicaps & Talente: Heldenhaft, Übermütig; Anführen, Beziehungen, Glück, Hart im Nehmen
Sprachen: Englisch, Französisch, Kikuyu, Suaheli
Interessen: Medien, Polargebiete, Tiere, Waffen
Professor William Hannibal Moore
Attribute: Geschicklichkeit W8, Konstitution W8, Stärke W6, Verstand W12, Willenskraft W10
Fertigkeiten: Bodenfahrzeuge W6, Kämpfen W10, Mumm W10, Nachforschung W12, Schießen W6, Überreden W8, Wahrnehmung W8, Wissen (Anthropologie) W4, Wissen (Chemie) W6, Wissen (Biologie) W6, Wissen (Geologie) W12, Wissen (Geschichte) W6, Wissen (Sprengstoff) W4, Wissen (Paläontologie) W12, Wissen (Mythos) W4
Bewegungsweite: 6, Parade: 7, Robustheit: 6, Stabilität: 6
Handicaps & Talente: Dünnhäutig, Ehrenkodex; Glück, Ermittler, Gelehrter
Sprachen: Englisch, Afrikaans, Deutsch, Französisch, Inuit, Spanisch
Interessen: Anthropologie, Tiere, Afrika, Eisbohrung, Europa, Polargebiete