Hi zusammen,
ich war gestern Teil einer Runde "Microscope", einem eher abstrakten Spiel zur gemeinsamen Erschaffung einer Zivilisation, einer Welt, Myriaden von Welten.
Mehr dazu hier, sowie
auf diesem BlogUns kam es vor, als würden wir in diesem Spiel, das auch Rollenspielelemente besitzt, den gemeinsamen Erlebnishorizont, das Setting schaffen,
mit dem wir künftig eine Rollenspielrunde würden bestreiten können.
Die gespielten Szenen waren recht kurz (so ist das auch vom Spiel gewollt) und gaben uns kleine Vorgeschmäcker, wie es sich anfühlen könnte, in unserem Universum zu spielen.
Und es hat uns geschmeckt!
Gespielt haben wir ziemlich genau 5 Stunden, wobei Regelerklärung darin enthalten ist, sowie Regelnachschlagen, wenn gelegentlich Dinge unklar waren.
Ich liste unser Universum jetzt chronologisch auf, obwohl es natürlich nicht in dieser Reihenfolge entstanden ist.
Erster Schritt ist der Entwurf eines "Big Picture" - einer Art Basissatz, der grob sagt, in welche Richtung unser Spiel gehen soll. Drei Spieler dachten wohl das Gleiche und warfen Stichwörter der Kategorie "Swords & Planets" ein (ohne sich vorher darüber besprochen zu haben...), die vierte Mitspielerin (gleichzeitig auch unsere Erklärerin) wollte auf jeden Fall Phantastik dabei haben.
Die Formulierung zog sich dennoch fast 20 Minuten, weil wir alle noch nicht gespielt hatten und nicht ganz klar war, was jetzt in dem Big Picture drinstehen dürfe und was nicht.
Zum Teil ging auch die Fantasie mit uns durch und wir schwelgten gleich in Gedanken, was alles in dem Universum vorkommen könnte.
Hier leistete unsere Erklärerin (einen Spielleiter gibt es nicht) gute Arbeit indem sie uns immer wieder zur Räson rief und erinnerte, dass nur gültig sei, was später auch auf den Karteikärtchen stehe.
Schließlich einigten wir uns auf folgendes Big Picture:
"Auf ausgetretenen Pfaden wandelt die Menschheit zwischen den Sternen zu neuen Welten."Zweiter Schritt ist die Festlegung von NEINs, die auf keinen Fall im Spiel vorkommen dürfen und JAs, die man gern im Spiel sehen würde, aber nicht zwangsläufig auftreten müssen.
Auch dieser Schritt geschieht in gemeinsamer Diskussion und gehört zur Vorbereitung der eigentlichen Spielrunden.
Fast alle Punkte waren konsensfähig, Diskussion gab es über das Vorkommen von Aliens.
Wir einigten uns schließlich auf folgende Listen:
NEIN: Nazis, intelligente Aliens, galaxieweite Kommunikation, physische Götter, Einhörner (das war auch die Geburtsstunde des "Nazi-Einhorns", aus dessen Stirn sich ein Hakenkreuz gen Himmel reckt...
)
JA: Schnelle evolutionäre Anpassung der Menschen (an die besiedelten Planeten), Magie, der Äther (als befahrbares Sternenmeer mit anderer Physik als unser Weltraum)
Dritter Schritt vor dem eigentlichen Spiel ist die Festlegung von Start- & Zielpunkt des zu erschaffenden Universums.
Es gibt im Spiel drei Abstufungen des Erschaffens: Epochen als größte Einheit, Ereignisse innerhalb einer Epoche und Szenen innerhalb eines Ereignisses, die jeweils eine gezielte Frage beantworten.
Als Start legten wir fest:
"Die Galaxie wird besiedelt" (dunkel), als Endpunkt:
"Der letzte Mensch transzendiert" (hell). Beide Punkte sollen Epochen sein, also große, bzw. bedeutende Zeitspannen.
Wir merkten im späteren Spiel, dass unser Endpunkt eher der nächstkleineren Stufe im Spiel, dem Ereignis innerhalb einer bestimmten Epoche entsprach, beließen es aber dabei.
Jede Epoche/Ereignis/Szene bekommt übrigens einen weißen oder schwarzen Punkt, der besagt, ob das Geschehene eher positiv oder negativ ist.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass wir im folgenden Spiel nicht ganz regelkonform gespielt haben (unbeabsichtigt). Wir haben nämlich zuviel diskutiert.
Wer dran ist, bestimmt in gewissem Rahmen Epochen/Ereignisse/Szenen wie er das möchte, ohne dass die anderen daran etwas ändern können. Wenn jemandem nichts einfällt, sind Vorschläge erlaubt.
Wir haben hier häufig gleich Vorschläge beigesteuert oder Gesagtes diskutiert.
Das hat dem Spiel wahrscheinlich einen anderen Charakter gegeben als von den Erfindern vorgesehen, hat aber auf der anderen Seite dazu beigetragen, dass wir alle den vielzitierten gemeinsamen Erlebnishorizont hatten.
Obwohl immer wieder kleine Bausteine nicht in unser individuelles Bild des Universums passten, waren alle vier begeistert von dem Universum, dass da im Entstehen begriffen war.
Das hat uns wirklich begeistert an dem Spiel, dass aus dem bloßen Zusammenfabulieren eines Settings nach gewissen Regeln soviel Spaß entstehen kann.
Und jetzt gehts mit den Epochen los:
In jeder regulären Spielrunde ist ein Spieler die "Linse" und legt den Fokus auf ein bestimmtes Thema, mit dem alle Beiträge der Spieler etwas zu tun haben müssen. Auf diese Weise zerfasert der Entstehungsprozess nicht komplett. Von diesen Runden haben wir nur drei geschafft, ein Spieler war also noch gar nicht "Linse".
Fokus war hierbei in der ersten Runde die Alpha-Centaurische Handelskompanie, an deren Ende die "Liga der Schwarzen Welten" in Erscheinung trat. Von der Liga wussten wir NICHTS außer ihrem Namen, aber der hat uns so gefallen, dass die zweite Runde direkt die Liga als Fokus hatte. Die dritte Runde wandte sich der "Heiligen Kirche der Befreiten Seelen" zu, die sich nach und nach als Gegenspieler der "Liga der Schwarzen Welten" etablierte.
1. Die Galaxie wird besiedelt. (dunkel)
Hier gibts noch keine weiteren Geschehnisse. Die dunkle Markierung wurde diskutiert, hier konnte sich aber die Argumentation durchsetzen, dass der (bisher übrigens nicht näher definierte) Aufbruch zu den Sternen aus der Not heraus, die Erde verlassen zu müssen, entstanden sei.
2. Durch Mutantenhandel wird aus einem Familienbetrieb ein galaxieweites Unternehmen - die ACH (Alpha-Centaurische Handelskompanie) (hell)
2.1 (Unterpunkt = Ereignis, bzw. Szene) Hochzeit der Kinder der zwei größten Handelsfamilien führt zur Bildung der ACH. (hell)
2.1.1 Was ist das wichtigste Handelsgut der zweiten Familie? - Antwort: Glutkerne, welche für die Antriebe der Ätherschiffe benötigt werden. (hell)
Hier hatten wir bereits vorher eine Szene (die aber chronologisch später eingeordnet ist), in der diese Glutkerne erstmals auftauchten.
Das Spielen der Szene war eher rollenspielerische Fingerübung, daher nicht groß erwähnenstwert. Interessant ist, dass Figuren nicht fest an Spieler gebunden sind. Tauchen sie also in einer anderen Szene nochmal auf, kann auch ein anderer Spieler sie verkörpern.
2.2 Planet Moklammah wird zum Zentrum der alten Religion. (hell)
Dieses Ereignis kam erst ganz spät dazu, als in einer Runde der Fokus auf der "Heiligen Kirche der Befreiten Seelen" lag. Was es mit dem Planeten auf sich hat, erfahrt ihr noch.
Wenn ihr euch zwischendrin fragt "Was für Mutanten? Handel? Was fürne Kirche?" ist das völlig in Ordnung. Es tauchen ständig solche Fragen auf im Spiel. Jedes Karteikärtchen bietet einen Informationshappen, der Lawinen der Fantasie anstößt. Wir haben jedes von uns geschriebene Kärtchen entsprechend erklärt, was wir uns dabei dachten.
Der geschriebene Happen ist sozusagen nur die Quintessenz der Überlegungen.
Der Mutantenhandel beispielsweise entstand daraus, dass wir "festgestellt" hatten, dass es zwar keine Aliens gibt, die Menschen sich aber recht schnell an die Lebensbedingungen der besiedelten Welten anpassen.
3. Die ACH kontrolliert den Äther-Handel (also den Handel auf dem Sternenmeer) (dunkel).
Eine eher dunkle Epoche, da von Sklaverei, Gier, etc. geprägt.
3.1 Die Prestige-Flotte "Solaris 1" wird von Mutanten gekapert; es gibt keine Überlebenden. (dunkel)
3.2 Der erste Flüchtlingszug rettet sich vor dem Los der Leibeigenschaft/Sklaverei auf den Planeten Ashrakh (eine "Schwarze Welt", da sie nicht innerhalb eines Sonnensystems liegt). (hell)
3.3 Immer mehr Flüchtlingswelten schließen sich zu einem Bund zusammen, um sich koordinieren und verteidigen zu können.