Runde 11 - WolfsmondIntroKreml, Moskau
Adaschow verneigt sich vor dem Zaren.
„Mein Freund, jetzt, wo der Schnee schmilzt wünsche ich, dass Du eine wehrhafte Truppe zusammenstellst und den Don und den Dnjeper hinabsegelst und meiner Garde entgegenkommst. Ich hätte sie niemals alleine zur Krim schicken sollen. Gott vergebe mir.“
Adaschow verneigt sich. „Ja, Herr.“ Und macht sich auf den Weg.
Hansaray, Bakschisaray
Marats Blick ist düster.
„Verschwinde!“ herrscht er das spärlich bekleidete Mädchen an, als Hauptmann Yevhen das Gemach betritt.
„Ihr wolltet mich sprechen?“
„Allerdings. Ich beobachte, wie mein Vater diese räudigen Hunde wie Ehrengäste behandelt und diesen Bastard mit Geschenken überhäuft. Ich sage dir, Yevhen, er sieht nicht die Gefahr. Er sollte ihn töten. Aber wenn er es nicht tut, dann werde ich es tun.“
„Herr, sie stehen unter dem Schutz des Gastrechts.“
„Ja, doch sie werden nicht ewig hier bleiben.“
Hansaray, Bakschisaray, im Harem
„Mein Gemahl, lass mich diesen sogenannten Hexer prüfen – ich denke, er lügt.“
Narantsetse streicht leicht über die Schulter des Khans.
„Nara, du sollst herausfinden, was sie zu Wölfen macht. Tu, was nötig ist, aber spare dir die Spielereien. Wir haben keine Zeit mehr. In zwei Tagen ist Vollmond und es gibt noch einiges vorzubereiten.“
„Mach dir deswegen keine Sorgen. Der Ruf ist erfolgt, bald werden sich die Krieger sammeln. Was willst du mit deinen Gästen machen?“
„Ich werde ihnen meine Macht demonstrieren, damit der Zar etwas hat, worüber er nachdenken kann. Er hat uns lange genug den angemessenen Respekt verwehrt. Er wurde lange genug geschont.“---
Artjom wandert im Traum durch steinerne Gewölbe und geometrisch geformte Höhlen. Durch Löcher in den Wänden sieht er den Sternenhimmel und eine nächtliche Landschaft, die sehr an die Krim erinnert. Er ist nicht allein: Schemen und Schatten bewegen sich um ihn herum, begleiten ihn. Er tritt ins Freie, auf eine Klippe. Ein schmaler Steingrat führt vor ihm über eine tiefe Schlucht. Am anderen Ende erkennt er weitere Felsenhöhlen und ein warmes Licht, das ihn anzuziehen scheint. Am tiefen Grund der Schlucht haben sich Schatten gesammelt, von denen Jammern, Wehklagen und Schmerzensschreie heraufklingen.
Artjom überquert vorsichtig den Grat; etwa in der Mitte blickt er wider besseren Wissens erneut unter sich in die Tiefe. Dort hat sich ein rotes Glühen gebildet, Flammen, die sich auf die Schattenschemen zu bewegen. Die Schreie werden lauter, infernalisch. Artjom beeilt sich, die andere Seite zu erreichen. Das goldene Licht verwandelt sich in das Abbild einer Madonna. Da strauchelt Artjom und stürzt hinab in die Tiefe. Er erwacht von seinem eigenen Schrei.
Es ist früher Morgen im Lager. Nikos und Chin stürzen, emporgeschreckt durch Artjoms Schrei, zu ihm. Artjom berichtet von seinem Traum, der fast etwas von einer Vision hatte. Ein neues Omen? Nach kurzer Beratung bestimmt Nikos, dass es das Beste sei, Iolanta aufzusuchen, um Informationen von ihr zu bekommen.
Artjom macht sich im Hansaray auch die Suche nach einer Bibliothek oder einem Kartenraum, da er herausfinden will, wo die Höhlen aus seinem Traum liegen könnten. Ein Wächter folgt ihm auf Schritt und Tritt und lässt sich nicht abschütteln. Schlielich fragt ihn Artjom einfach offen heraus, wo sich im Palast ein Schriftkundiger finden ließe. Der Wächter führt ihn zur Moschee; in einem angrenzenden Gebäude gibt es einen Lesesaal, in dem auch einige Karten hängen. Ein Gelehrter nimmt sich Artjoms an; nach einigem fruchtlosen Hin und Her erzählt ihm Artjom seinen ganzen Traum. Erst jetzt zeigt sich der gelehrte interessiert, dem fremden zu helfen.
Er weiß, wo die Höhlen liegen, und zeigt sie Artjom auf einer Karte der Krim. Sie wurden vor langer Zeit als Grabstätten genutzt, sind nun aber schon lange verlassen.
Chin und Sinya sehen sich unterdessen im Palast um, vor allem in den Stallungen, um eine schnelle Flucht zu planen. Im Hof sammeln sich die Krieger und Reiter des Khans, offenbar für ein kurz bevorstehendes wichtiges Manöver. Marat ist ebenfalls anwesend, nimmt aber keine Notiz von Chin und Sinya. Die beiden lassen es nicht nehmen erneut Unfrieden zu stiften, und ziehen lautstark über Marats Rappen her, der friedlich in seiner Box im Stall steht. Sinya stibitzt ein Haar aus der Mähne des Tieres, um es möglicherweise später für eine Hexerei verwenden zu können.
Zu Nikos’ Überraschung sucht Iolanta ihn auf, bevor er seinerseits zu ihr aufbrechen kann. Sie ist in Eile, da der Khan nach Nikos schickt, doch sie flüstert ihm noch zu, dass am morgigen Abend ein sehr bedeutendes Ritual der Horde stattfinden soll, die „Weihe“. Außerdem bietet sie ihre Hilfe an, falls Nikos und seine Männer aus dem Palast fliehen wollen.
Iolanta führt Nikos daraufhin zum Khan, der ihn im Thronsaal empfängt. Er hat über ihr gestriges Gespräch nachgesonnen und ist nun doch bereit, einen Handel einzugehen. Der Khan bietet Frieden mit Moskau an, wenn der Zar die Krim als eigenständiges Reich anerkennt und gewisse Ausgleichszahlungen fließen. Das Königkreich Polen hat diesen Schritt bereits getan, es wurden sogar Ehebündnisse geschlossen. Der Khan bietet Nikos sogar ein Geschenk an: zwei Wachen führen einen Gefangenen herein, einen Russen. Es handelt sich um
Miron Denisovitch, einen Diener von Nikos’ Vater. Er kam kürzlich auf der Krim an, um den Khan über Nikos’ Anreise zu informieren. Miron schlug zudem vor, dass es für alle Beteiligten am besten wäre, wenn Nikos und seine Begleiter nicht nach Moskau zurückkehren würden. Nun windet sich der Scherge der Shuiskis und schwört, dass er nur die Befehle von Nikos’ Vater ausführte.
Da die Handelsbeziehungen mit den Shuiskis durch die ganze Sache unschön belastet sind, erwägt der Khan, andere Verbündete zu suchen – daher das Angebot an den Zaren. Nikos geht nicht weiter auf Miron ein und verspricht, dem Zaren das Angebot des Khans zu unterbreiten. Als das geklärt ist, lädt er Nikos und seine Männer zu einem abendlichen Festbankett ein.
Etwas später treffen wieder alle in den Gemächern ein, die neusten Erkenntnisse werden ausgetauscht. Sinya ist bestürzt über das offensichtliche Mordkomplott von Igor Shuiski gegen den eigenen Sohn. Er drängt Nikos, so schnell wie möglich etwas in der Sache zu unternehmen, doch Nikos wiegelt ab. Es gibt Dringlicheres.
Es folgt das abendliche Festbankett; die Krieger der Horde kommen zusammen, um zu feiern. Der Khan begrüßt alle und hält eine Ansprache, in der er die Gesandten des Zaren als seine Ehrengäste vorstellt. Chin nutzt die Gelegenheit, sich unter die Tartaren zu mischen und sich mit ihnen über ihre Kultur und Bräuche auszutauschen.
Gegen Mitternacht holt ein Diener Sinya aus der Menge und bringt ihn zu Narantsetses Gemächern. Sie spricht ihn auf die Hexerei an, zweifelt erneut an seinen Fähigkeiten. Es gelingt ihr, ihn zu umgarnen und in eine Traumwelt zu entführen, aus der er fast keinen Ausweg findet. Erst als sie ihm vorgaukelt, Nikos und die anderen hätten die Krim ohne ihn verlassen, erkennt Sinya die Täuschung. Chin würde seinen Bruder nie im Stich lassen. Die Illusion endet und Sinya findet sich im Palast wieder. Er eilt zu Nikos, um ihm zu berichten.
Unterdessen erreicht das Festbankett seinen Höhepunkt. Der Khan spricht nochmals mit Nikos und eröffnet ihm, dass Narantsetse zu dem Schluss gekommen ist, dass wir die Krim in Begleitung einer Eskorte verlassen dürfen. Er wünscht Nikos viel Erfolg bei der Klärung seiner Familienangelegenheiten. Im Anschluss macht sich die Horde auf den Weg zur Moschee, um dort zu beten.
Chin trifft sich mit seinem Vater und erzählt ihm, dass er und seine Begleiter sich in der folgenden Nacht unwillentlich in Wölfe verwandeln werden. Die Eskorte, die der Khan mitschicken will, wäre dann des Todes. Chin bittet den Khan um freies Geleit. Das kann er allerdings nicht einfach so gewähren – daher fordert er von Chin einen Akt der Loyalität, in der Zukunft. Chin geht darauf ein, sie geben sich die Hand darauf.
Die Nacht vergeht, alle Vorbereitungen für die Rückreise nach Moskau werden getroffen. Erneut werden Pläne geschmiedet, wie man das anstehende Ritual der Krim-Tartaren stören könnte. Sinya verhext Marats Pferd, damit es in der kommenden Nacht krank ist.
Artjoms Vision folgend entscheidet Nikos, dass wir den Höhlen im Süden einen Abstecher machen müssen, da dort wohl die Quelle der tartarischen Magie liegen muss. Tatsächlich setzt sich im Morgengrauen der mächtige Reitertross vom Palast aus in Richtung Süden in Bewegung. Wir folgen in einigem Abstand.
Als der Abend dämmert erreichen wir das Gebirge, das Artjom bereits in seinem Traum sah. Die Horde reitet hinein. Nikos besteht darauf, das Ritual auszukundschaften, obwohl Sinya eindringlich davor warnt. Wenn der Vollmond aufgeht wären wir nicht mehr Herr unserer Sinne.
In Wolfsform pirschen wir uns an und stoßen tatsächlich auf die von Artjom beschriebene Felsenstadt. Auf einem Ritualplatz sind 13 Gefangene angekettet, es wird rasch dunkel. Die Horde hat sich versammelt; Marat tritt hervor und kündigt Narantsetse an. Die Hexe beginnt mit dem Ritual. Chin überlegt, sie mit einem Blattschuss zu töten, verwirft den Gedanken aber wieder – zu gefährlich.
Wir werden Zeuge, wie die 13 Gefangenen ermordet werden. Man fängt ihr Blut in Schalen auf, die Krieger der Horde trinken es. Schatten versammeln sich um den Platz, genau wie in Artjoms Vision.
Da die Nacht voranschreitet und die Zeit bis zum Aufgehen des Vollmonds schwindet, machen wir uns schließlich auf die Suche nach der Ikone, die hier irgendwo verborgen liegen muss. Wenigstens diese wollen wir retten und dem Zaren bringen. Artjom führt uns durch die höhlenartigen Gemächer, während Narantsetse die Weihe der Krim-Krieger vollführt. Es liegt eine fast greifbare Bedrohung in der Luft.
In einer Kammer findet Artjom schließlich eine uralte, abgeblätterte Ikone, die vor seinen Augen in einem atemberaubenden Licht erstrahlt. In diesem Augenblick erscheint der Vollmond am Himmel. Artjom greift nach der Ikone, die die Verwandlung aufzuhalten scheint. Einbizarrer Anblick. Es gelingt ihm gerade noch, das Bildnis in seinen Mantel zu stecken, dann vollendet sich seine Verwandlung zum Wolf. Das Rudel ist entfesselt und hetzt durch die Höhlen.
Die Wölfe fliehen, da an einen Kampf gegen die Überzahl der Geisterwölfe nicht zu denken ist. Als sie zu dem großen Steinbogen zurückkommen, der in das Gelände führt, steht dort eine einsame Gestalt: Marat. Während Nikos, Artjom und Chin sich auf ihn stürzen, flieht Sinya in die Nacht. Auf den Klippen entbrennt ein wilder Kampf; Marat nimmt seine Geisterwolf-Form an und wehrt sich erbittert gegen die drei Werwölfe, die ihm aber immer mehr zusetzen. Der Rest der Kriegerhorde eilt aber schon heran, die Situation ist aussichtslos für die Wölfe. Da gelingt es Nikos, Marat einen Felshang hinabzustürzen. Als er in der Finsternis der Schlucht verschwindet, macht das Rudel kehrt und flieht in die Nacht.
Am nächsten Ta verlassen wir die Krim und reiten zurück nach Norden. Unterwegs treffen wir noch auf eine Gesandtschaft aus Kasan, die auf dem Weg zu den Krim-Tartaren ist. Sie wollen eine Allianz mit der Krim schmieden, da der Khan der Kasaner bei einem Saufgelage gestorben ist.
(geschrieben von Enkidi)
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