Divinity: Dragon Commander
Einleitung:
„Divinity: Dragon Commander“ ist ein Strategiespiel, welches verschiedene Elemente, Echtzeitschlachten, Rundenstrategie und interaktive Entscheidungen, zu vereinen versucht. Das heißt. Als Spieler kämpft man überall auf der Weltkarte, erobert Länder, wertet die Einheiten auf und muss sich nebenbei noch mit leidiger Diplomatie rumschlagen.
Ob das funktioniert? Das wird sich in den nächsten Zeilen zeigen.
Handlung:
Die Welt von Rivellon war bis vor kurzer Zeit noch vollkommen in Ordnung. Kaiser Sigurd hatte mit seinen Freunden, Erzmagier Maxos und dem Ingenieur „Architekt“, die Welt geeint und ein großes, vor allem friedliches Weltreich kreiert in dem ein jeder zufrieden war. Doch irgendwann wurde Sigurd bei der Ausführung seiner Staatsgeschäfte fahrig und seine Kinder begannen ermordeten ihn aus unbekannten Gründen, um dann selbst um den frei gewordenen Thron zu kämpfen.
Man selbst spielt den unehelichen Sohn des Kaisers, den dieser mit einer Drachedame namens Aurora zeugte und versucht nun gemeinsam mit Maxos das Reich an Bord des Luftschiffs „Raven“wieder zu vereinen. Abgesehen davon dass man außerhalb der hoheitlichen Schlafzimmer gezeugt wurde, unterscheidet einen ein wesentlich signifikanteres Detail von den langsam immer mehr in den Wahnsinn abrutschenden Geschwistern: man kann sich auf Grund seines drachischen Erbes selbst in eine solch geschuppte Bestie verwandeln und ist daher in der Lage seine Truppen selbst in die Schlacht zu führen, als der Dragon Commander! Dies tut man auch mit allen heldenhaften Elan, doch wird man im Laufe der Geschichte herausfinden, dass hinter der Ermordung des blaublütigen Papas mehr steckt, als nur die schnöde Machtgier der eigenen Geschwister, was diese Geschichte von einer einfachen Kampagne zur Wiedervereinigung des Reiches zu einer persönlichen Queste zur Rettung der Welt werden lässt.
„Dragon Commander“ erzählt eine gute und spannende Geschichte, die mit mindestens einer überraschenden Wendung aufzuwarten weiß und durchaus zum weiterspielen motiviert. Zwar entfällt ein konstanter Spannungsbogen auf Grund nicht vorhandener Zwischensequenzen, doch weiß „Dragon Commander“ seine Geschichte auf andere Art und Weise spannend zu gestalten, nämlich durch das Gameplay. Denn neben militärischer Kriegsführung gilt es auch am Verhandlungstisch sich durchzusetzen, ein Gameplayelement auf das im Abschnitt „Gameplay“ eingegangen wird, und damit maßgeblich die Zukunft Rivellons zu beeinflussen. Durch diese Entscheidungen, die sich auch bei der Wahl der zukünftigen Gattung und deren Ansichten zum Leben ausweiten, erzählt „Dragon Commander“ viele kleine Geschichten, die die Welt um einen herum formen und den Spieler dazu bringen diese als „sein Werk“ zu betrachten, welche er gestaltet hat und für deren Erhaltung man kämpft. Daraus zieht „Dragon Commander“ auch seinen Wiederspielwert, denn man stellt sich schon die Frage wie die Welt aussehen könnte, wenn man sich anders entschieden hätte und ob einen der Ausgang dieser Entscheidung dann nicht doch mehr zusagt. „Dragon Commander“ lädt also dazu ein der Handlung nicht nur stur zu folgen, sondern sie auch selbst mitzubestimmen, was ein großes Plus für die doch etwas kurze Handlung ist und vielleicht dazu beitragen wird, dass „Dragon Commander“ eines der prägenderen Spielerlebnisse der letzten Jahre sein wird, was vor allem aber auch daran liegt, dass die Entwickler Larian nicht vergessen haben den ihnen sehr eigenen Humor miteinzubauen, der das ganze Geschehen auch bei düsteren Situationen aufzulockern weiß und einen mehr als einmal schmunzeln, wenn nicht gar auflachen lassen sollte.
Rein vom erzählerischen Standpunkt ist also alles in Ordnung, doch wie sieht es im eigentlichen Kernbereich, dem Gameplay, aus?
Gameplay:
„Dragon Commander“ Gameplay teilt sich in drei Bereiche auf: die Strategiekarte, das Geschehen auf der Raven und Echtzeitschlachten.
Die Strategiekarte stellt die gesamte Spielwelt dar, die der Spieler erobern muss und erinnert an das Brettspiel Risiko, das heißt die Welt unterteilt sich in einzelne Provinzen, die jeweils einen Volk (Zwerge, Elfen, Echsenmenschen, Imps und Untote) zugeordnet sind und eine größere oder kleinere Bevölkerung haben, aus der sich wiederum eine gewisse Anzahl von Truppen rekrutieren lässt, die sich wiederum in Boden-, Luft- und Seeeinheiten einteilen. Jede dieser Einheiten hat selbstverständlich seine Vor- und Nachteile und verfügt über eine gewisse Anzahl von Bewegungspunkten, die es ihnen erlauben sich über die Karte zu bewegen, wobei die Seeeinheiten natürlich nur über das Meer fahren können, während die Lufteinheiten sich über die gesamte Land und Meer bewegen können, was natürlich Sinn ergibt aber doch schön zu sehen ist, dass dies auch berücksichtigt wurde. Dadurch kann man die Einheiten auf vielfältige Art und Weise einsetzen, Taktiken ausprobieren und gleichzeitig auch den Spielfluss wahren, wenn eine Landeinheit mehr als einen Schritt gehen kann.Dann gibt es noch Gebäude, die alle verschiedene Effekte haben (zum Beispiel mehr Gold, die Hauptressource des Spiels und einzige Möglichkeit Einheiten zu kaufen, produzieren oder eine Fabrik, um abseits der Hauptstadt Einheiten herzustellen) und für einen gewissen Goldbetrag erhältlich sind und es ist alles über den Strategiekartenteil gesagt, der sich wie ein gutes, leicht zu lernendes aber trotzdem taktisches Brettspiel anfühlt (welches existiert, aber noch nicht zum Verkauf bereitsteht) und insgesamt Spaß macht.
Als nächstes folgt die Interaktion auf der Raven. Hier wird der Spieler mit einem weiteren Spielelement konfrontiert, nämlich damit dipolmatische und persönliche Entscheidungen zu treffen. Dazu wird ihn ein Beraterstab ( aus einem Elf, einem Zwerg, einer Echsenmenschenfrau, einem Imp und einem untoten Skelett bestehend), vier Generäle und die Wahl zwischen vier Prinzessinnen (die fünfte verstarb bei einem bedauerlichen Unfall) zu entscheiden gestellt, um dann eine zu heiraten. Er wird immer vor zwei Antwortmöglichkeiten gestellt und darf zum Beispiel entscheiden, ob msn im Reich die staatliche Krankenversicherung einführen sollte, ob zwei zerstrittene Generäle zusammenarbeiten sollten oder ob die angetraute, elfische Prinzessin auf einem Bankett der Zwerge Fleisch probieren sollte, obwohl es ihre Erziehung verbietet. All diese Entscheidungen sind jedoch nicht von kosmetischer Natur, sondern wirken sich tatsächlich auf das Spiel aus. Die diplomatischen Entscheidungen können dazu führen, dass man mehr oder weniger Unterstützung von einer der Volksgruppe erfährt (angezeigt durch Prozentangaben im spielinternen Klatschblatt „Rivellon Times“), was sich dann auf die Höhe der zu rekrutierenden Einheiten auswirkt, eventuell aber auch dazu auch führen kann, dass einem weniger Gold zur Verfügung steht um diese dann zu Einheiten auszubilden, da so eine Krankenversicherung halt ins Geld geht.
Die Entscheidungen bei den Generälen und Prinzessinen bewirken derweil, dass diese sich die in die eine oder andere Richtung entwickeln, sich verbittert von der Welt abwenden oder sie mit offenen Armen in Empfang nehmen, mehr über die Welt wissen als vorher oder weiterhin naiv in ihren Elfenbeinturm verbleiben. Damit erzählt jede Partie eine andere Geschichte und die Figuren wachsen einen alle ans Herz. Spieltechnisch gesehen bedeutet das jedoch, dass man mit verschiedenen Spielkarten belohnt wird, die ebenfalls das Spielgeschehen auf der Strategiekarte und auf dem Spielfeld beeinflussen (zum Beispiel zerstört eine Karte, ein Gebäude oder eine weitere ermöglicht es die Bevölkerung einer Provinz zu verdoppeln oder zu verringern), wodurch es sich auch spielerisch lohnt sich mit den Personen an Bord der Raven auseinanderzusetzen. Gleichzeitig nimmt die Raven noch eine weitere Funktion, denn in ihr wird geforscht, was bedeutet das man eine bestimmte Abnzahl von Punkten, die man im Verlauf der Runden sammelt, entweder für die Erforschung von neuen Einheiten, deren Upgrades und neuen Zaubern für die im Kampf zum Einsatz kommende Drachengestalt ausgibt und sie dann noch in derselben Runde einsetzen kann. Zwar unterteilen sie sich noch in verschiedene Kategorien, doch existiert kein Forschungsbaum im klassischen Sinne, was diese Angelegenheit wenig komplex aber immerhin den Spielfluss zuträglich macht.
Insgesamt ist der Teil, der an Bord der Raven verbracht wird, der spielerisch unterhaltsamste Teil des Spiels, da man hier am meisten die eigentliche Geschichte beeinflusst und die Resultate relativ schnell und höchst unterhaltsam präsentiert bekommt und da man bei den Entscheidungen vor einige wirklich spannende Kopfnüsse gestellt wird, die man auf keinen Fall verpassen sollte, selbst wenn man nur am strategischen Teil des Spiels interessiert ist.
Und dann sind da noch die Echtzeitschlachten.
Auf dem Papier klingen sie zunächst logisch und spaßig: man kämpft gegen einen oder mehrere Gegner (man kann sich auch als dritte Partei einmischen, solange man Einheiten auf der Karte hat) auf einem Schlachtfeld gegeneinander, erobert bestimmte Punkte auf denen man weitere Gebäude errichten kann, die einen steten Fluss von Einheiten garantieren und mit denen man die Basis des Gegners attackiert. Gewonnen hat der, der die Basis/Basen des/der anderen vernichtet hat, bezahlt werden die Einheiten und Gebäude mit sogenannten Rekrutierungspunkten, die aus den Entscheidungen resultieren, die man vorher auf der Raven getroffen hat und wie viele Punkte man im Verlauf des Kampfes einnahm. Als zusätzliches Spielelement kann der Drache gesehen werden, in die sich die Spielfigur verwandeln kann und mit der man die Einheiten und Gebäude attackiert, seine eigenen Einheiten stärkt oder die Flut der gegnerischen Einheiten stoppt bis man selbst genug Einheiten beisammen hart, um dann an ihrer Spitze den Feind zu überrollen.
So sollte zumindest alles in der Theorie funktionieren. In der Praxis hat man (zumindest in den Partien, die der Rezensent gespielt hat) nie genug Rekrutierungspunkte um wirklich Fuß zu fassen und wird vom Gegner überrollt, wenn man nicht vorher schon von der Strategiepunkte genug Einheiten mitgebracht hat und den Feind nun seinerseits mit zahlenmäßiger Überlegenheit überrollt. Dies macht die Schlachten wenig fordernd und auch kaum Spaß fördernd, vor allem da man sich einen Großteil des Spiels mit ihnen aufhalten soll. Zwar macht es durchaus dann wieder Spaß als Drache ganze Armeen auszulöschen und das Blatt zu wenden, doch ändert das nichts daran, dass die Echtzeitkämpfe gegen den Gegner wenig bis gar nicht erfüllend sind.
Glücklicherweise muss man sie nicht austragen, da es die Möglichkeit gibt sie automatisch austragen zu lassen, entweder nur von der Armee gesteuert oder durch einen der vier Generäle, welche dadurch auch im Spiel eine Bedeutung bekommen. Jeder der Generäle glänzt in verschiedenen Bereichen (die Generalin Scarlett ist zum Beispiel gut darin Verteidigungskämpfe zu führen, während der General Henry ein Spezialist in Offensiven ist) und erhöht die Wahrscheinlichkeit den Sieg davonzutragen ungemein, aber dies kann man nur in einer Schlacht pro Runde in Anspruch nehmen, wodurch die taktische Komponente gewahrt wird und man nicht jede Schlacht einfach mit den überlegenen Fähigkeiten der Generäle gewinnt. Dazu kommt noch, dass man das eigene Heer noch mit verschiedenen Karten verstärken kann, die einen entweder Söldner zur Seite stellen und die Fähigkeiten der eigenen Einheiten stärken oder die der Gegner schwächen, was ebenfalls die Wahrscheinlichkeit zu siegen (angezeigt in Prozent) erhöht. Dadurch werden auch die an sich ja wenig fordernden, automatischen Schlachten aufgewertet und man braucht kein schlechtes Gewissen haben, die Kämpfe nicht in Echtzeit auszutragen, was allerdings nicht daran ändert, dass sie das schwächste Drittel des Spiels bleiben und daher auch die Wertung nach unten drücken.
Grafik:
Die Einheiten von „Dragon Commander“ sind alle angemessen flüssig animiert und auch die Karte könnte durchaus hübsch sein, wenn es nicht in jeder Schlacht ein- und dieselbe bewaldete Umgebung mit dazugehörigen Felsen wären. Dadurch wird „Dragon Commander“ in den Echtzeitschlachten auch äußerlich ein wenig fad, was wieder auf die Wertung drückt und noch einen Grund gibt die Schlachten einfach automatisch austragen zu lassen.
Viel schöner ist dagegen die Raven selbst, wo jeder einzelne, interaktive Raum mit allerlei netten Details gefüllt ist (man halte zum Beispiel nach der Barmaid in der Bordstaverne Ausschau) und auch die Modelle der spielwichtigen Figuren, wie Maxos der Prinzessin und den Beratern, werden detailliert und vor allem lebensecht dargestellt (eine wahre Glanzleistung, wenn man sich zum Beispiel den Echsenmenschengeneral Edmund anschaut) und man erfreut sich an ihren realistischen Bewegungen und ihrer Mimik. Die Strategiekarte ist spartanisch, aber nett dargestellt, sodass sie kaum ins Gewicht fällt. Wer sich also an etwas Schönen erfreuen will geht an Bord der Raven und hat dort seinen Spaß. Auf jeden Fall zeigt das Schiff, was mit der Engine von Larian möglich zu sein scheint und macht Hoffnung, dass sie dies auch in weiteren Projekten zu Gänze auszunutzen wissen.
Sound:
„Dragon Commander“ bietet einige einprägsame Musikstücke, die sich zwar immer wiederholen, jedoch nie an den Nerven des Spielers zehren und gut den Hintergrund ausfülle. Viel wichtiger ist jedoch die Synchro der Einheiten und der spielwichtigen Figuren, die man in englischer Sprache als mehr als nur gelungen bezeichnen kann. Die Kommentare der Einheiten sind witzig und jeder Sprecher, sei er nun Berater, General oder Prinzessin, gibt sein Bestes, um die exzentrische Persönlichkeit jeder Figur zum Ausdruck zu bringen und den gut (und vor allem humorvoll) geschriebenen Texten die Betonung zu geben, die sie verdient haben.
Aber auch die deutsche Sprachausgabe muss sich nicht hinter dem englischen Original verstecken und ist, sieht man von der Sprecherin der Elfenprinzessin einmal ab, durch die Bank gut gewählt werden und weiß auch Muttersprachlern angemessen zu gefallen. Zwar gehen einige der englischen Wortspiele in der Übersetzung verloren, aber das kann man durchaus verschmerzen, da auch hier die Sprecher mit vollem Elan dabei sind, dem Spieler das schräge Universum von „Dragon Commander“ näher zu bringen und dabei hörbar genauso viel Spaß beim aufnehmen hatten, wie es der Spieler beim spielen haben wird.
Fazit:
„Dragon Commander“ ist ein wilder Mix aus verschiedenen Elementen, die alle zum größten Teil funktionieren und für viele Stunden zu motivieren wissen. Und wenn einen ein Element nicht zusagt (siehe Echtzeitschlachten), so gibt es doch mindestens zwei Elemente, die wiederum Spaß machen und an denen man sich austoben möchte.
Und all das funktioniert einfach gut, macht Spaß und man fragt sich ob man mit diesem Spiel nicht sogar den Grundstein für eine weitere Franchise gelegt wurde, dessen eventuelle Fortsetzungen hoffentlich auch die vorhandenen Fehler verbessern und „Dragon Commander“ zu einem noch runderen Vergnügen machen werden.
So bleibt ein „gutes“ Spiel, welches zum mehreren Durchspielen motiviert und irgendwann zwar nicht mehr fordert, aber bis dahin einen genug Vergnügen bietet, dass man die für dieses Spiel ausgegebenen Euro als eine anständige Investition betrachten kann, die Hunger nach mehr macht und dem Spiel am Ende 4 (von 5) wohlverdiente, „gute“ Sterne aus Feuer einbringt.