Ich glaube, dass Machtlosigkeit sehr viele Facetten haben kann und man das mit der Zwei-Alternativen-Bewertung "Hat Macht? Ja/Nein." nicht weit kommt. Die Frage ist doch eher: Wo oder wemgegenüber hat der Charakter Macht. So gibt es ja durchaus auch Stoffe, bei denen der Charakter machtlos ist bestimmte Dinge zu ändern, aber nicht machtlos sein Umfeld, sich selbst oder einzelne Schicksale, die mit diesen Dingen in Zusammenhang stehen, zu beeinflussen. Ich denke da aktuell an Szenarien in denen die SCs irgendeine Form von zum Scheitern verurteilten Widerstand bilden (Sklavereigegnerschaft, Studentenwiderstand gegen das NS-Regime, innerer Aufstand gegen einen futuristischen Überwachungsstaat, etc.) - auch wenn sie eigentlich machtlos sind, das möglicherweise sogar wissen, kämpfen sie gegen das an, was sie für falsch halten. Die eigentliche Machtlosigkeit wächst nicht daraus, dass man machtlos ist, sondern dass man sich dieser Machtlosigkeit unterwirft - der Punkt, die Veränderung alleine schon versucht zu haben, ist in vielen Geschichten unterschiedlichster Medien, schon faszinierend genug. Dramatisches Scheitern kann auch am Spieltisch eine Menge Spaß machen. Abgesehen davon, dass es in Rollenspielen auch das gegenteilige Konzept, dass der Allmacht, nur sehr vereinzelt geben könnte. Also: Jeder Rollenspielcharakter ist irgendwo in bestimmten Gebieten machtlos. Von Slasher-Horror will ich hier im Übrigen gar nicht anfangen, denn auch da sind die Protagonisten in der Regel machtlos.
Hinzu kommt sicherlich auch die Präsentation von Machtlosigkeit am Spieltisch: Will ich dass meine Charaktere gewinnen? Will ich, dass sie sich einfach nur verändern, aber nicht unbedingt besser in etwas werden? Wie wird Scheitern am Spieltisch dargestellt: Als Blocken ("Nein", geht nicht); als Weiterspinnen der Geschichte; als verdeckte Konsequenzen, die erst später deutlich werden? Was ist mit Teilsiegen? Ich denke es kommt schwer darauf an, was als Machtlosigkeit in der konkreten Spielsituation gewertet wird und was nicht.
Ich glaube auch im Übrigen nicht, dass der Threadsteller "Machtlosigkeit" mit "Dein Charakter wird unweigerlich in allem versagen" identifiziert, sondern mehr mit "Dein Charakter hat eine denkbar schlechte Ausgangsposition um etwas zu verändern, aber er könnte". Über etwas anderes als das zu diskutieren scheint mir auch müßig.
Ich bin aber persönlich auch jemand, der es gern hat, wenn Charaktere Rückschläge hinnehmen oder einen schlechteren Start als andere haben. Die Tatsache Grenzen zu haben und mit der eigenen Fehlbarkeit konfrontiert zu werden, macht einen Charakter für mich erst interessant.