Autor Thema: Ein SF Setting soll Muss darf nicht?  (Gelesen 12602 mal)

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Ucalegon

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Re: Ein SF Setting soll Muss darf nicht?
« Antwort #125 am: 13.11.2014 | 01:10 »
Worauf der Uceldingens da anspielt, ist als Sapir-Whorf-Hypothese bekannt. Die war erstens nie mehr als das: eine Hypothese, und hat sich auch über die Zeit nicht so wirklich erhärtet, bzw in bestimmten Aspekten wurde sie widerlegt. Um es mal ganz knapp zu sagen: auch Japaner oder Waliser können zwischen grün und blau unterscheiden, und auch Völker, deren Sprachen keine Zeitformen kennen, haben dennoch klare Vorstellungen von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft.

Menschen sind sich letzten Endes doch ziemlich ähnlich.

Oder ziemlich unterschiedlich, je nach Blickwinkel. Whorf wurde widerlegt, was freilich nicht heißt, dass die Idee, dass unsere Sprache Einfluss auf unser Denken nimmt, Unsinn ist. Was Slayn und YY jetzt gerade am Transhumanismus so besonders finden, habe ich allerdings immer noch nicht verstanden. In Eclipse Phase z.B. spielt man ohnehin nur AGIs, die "vermenschlicht" sind. Erziehung, Sozialisierung und so.

Das ist bei anderen Settings mit ähnlichen Problemfeldern natürlich auch so, aber da kann man die Charaktere notgedrungen so weit vermenschlichen, bis der Bezug wieder da ist.
Weil aber die Frage nach der Entmenschlichung so zentral ist beim Thema Transhumanismus, sägt man dort mit diesem Notbehelf deutlich mehr an der Prämisse als in anderen Settings.

Ist das euer zentrales Argument?

alexandro

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Re: Ein SF Setting soll Muss darf nicht?
« Antwort #126 am: 13.11.2014 | 05:55 »
Ob Sapir-Whorf "widerlegt" wurde, ist umstritten. Es gibt halt heutzutage keine komplett isolierten Volksstämme mehr (gab es eigentlich auch zu den Zeiten nicht mehr, in denen die Hypothese aufkam). Deswegen ist es praktisch unmöglich zu ermitteln, ob Völker ohne Zeitformen in ihrer Sprache über das selbe Konzept von "Gegenwart" verfügen oder sich selbiges vielleicht eher aus einer ihrer "Interferenzsprachen" geborgt haben.

Tatsache ist, dass Sprache und Kultur zusammen gehören und gemeinsam (als Sozialisierung) das Denken bestimmen. Beim Lernen einer fremden Sprache tritt das teilweise auch auf, allerdings gibt es da eher den Umkehrprozess: die Art wie man gewohnt ist zu Denken und zu Handeln bestimmt die Art, wie man das Instrumentarium der fremden Sprache benutzt und welche kommunikativen Strategien man damit verwirklicht.

Online Galatea

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Re: Ein SF Setting soll Muss darf nicht?
« Antwort #127 am: 13.11.2014 | 13:11 »
Menschen sind sich letzten Endes doch ziemlich ähnlich.
Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass sich alle Lebewesen auf der gesamten Erde ziemlich ähnlich sind. Wenn man sich mal anschaut wie viel DNA und Körperfunktionen wir selbst mit einem Thunfisch teilen, dann ist recht wahrscheinlich, dass auch die zumindest ein grobes Konzept von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft besitzen, selbst wenn sie keine höhere Sprache verwenden. Schon so primitive Organismen wie Anomalocaris benötigen eine gewisse Vorahnung in welche Richtung ihre angepeilte Beute ausweichen wird und damit ein rudimentäres Verständnis von Zeitabläufen.

Außergewöhnlich sind hier lediglich staatenbildende Insekten die teilweise komplett andere Vorstellungen von Raum und Zeit besitzen - beispielsweise haben viele Ameisen keine Vorstellung wie groß die Entfernung zu einer Futterquelle ist, weil sie es nicht wissen müssen. Bei ihnen geht es nur um die Effizienz, also das Verhältnis zwischen Weg und Ergiebigkeit der Futterquelle und die ergibt sich durch die Intensität der Duftspur nach recht kurzer Zeit von selbst (allerdings gibt es auch hier wieder Ausnahmen wie Wüstenameisen, die im Kopf eine Karte anlegen für jeden Schritt den sie machen und selbst in der finstersten Nacht ohne Duftspur wieder zurück in den Bau finden).
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Offline Yerho

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Re: Ein SF Setting soll Muss darf nicht?
« Antwort #128 am: 13.11.2014 | 18:19 »
Außergewöhnlich sind hier lediglich staatenbildende Insekten die teilweise komplett andere Vorstellungen von Raum und Zeit besitzen

Das gilt übrigens nicht nur für staatenbildende Insekten, sondern für alle Lebewesen, die ihre Körpertemperatur nicht selbst regulieren können. Denn Zeitwahrnehmung ist nun einmal an Wahrnehmung, und die hängt am Stoffwechsel. Für ein kaltblütiges Lebewesen vergeht Zeit immer abhängig von der Umgebungstemperatur.

Die Zeitwahrnehmung von uns Warmblütern kann natürlich ebenfalls über (unter anderem) die Temperatur beeinflusst werden, aber für uns ist das nicht der Grundzustand, weshalb wir überhaupt linear skalierende, autarke Zeiteinheiten entwickeln konnten: Eine Stunde ist immer eine Stunde, ob nun im Gefrierfach oder im Ofen. Wir nutzen zwar künstliche Zeitmesser, haben aber die Möglichkeit, verstreichende Zeit mit unserer inneren Uhr zu messen, die - entsprechende Übung und gleichbleibende Konzentration vorausgesetzt - sehr einheitlich tickt.
Für Ameisen gilt das so nicht, aber sie haben trotzdem eine Zeitvorstellung, die vom Zeitverlauf unabhängig ist. Sie aktualisieren und normalisieren ihre innere Uhr anhand anderer Indikatoren, die uns auch zur Verfügung stehen, wie beispielsweise am Sonnenstand.

Kaltblütiges außerirdisches Leben würde vielleicht irgendwann künstliche Mittel verwenden, um sich von der Umgebungstemperatur unabhängig(er) zu machen, aber zu diesem Zeitpunkt hätten sie garantiert bereits ein anderes Zeitsystem als wir entwickelt. "Ich schau' mal eben auf's Thermometer, wie spät es ist" wäre für die vermutlich kein Witz. Womit wir auch gleich die Kurve zur Sprache geschlagen hätten.
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Re: Ein SF Setting soll Muss darf nicht?
« Antwort #129 am: 13.11.2014 | 18:39 »
Was Slayn und YY jetzt gerade am Transhumanismus so besonders finden, habe ich allerdings immer noch nicht verstanden. In Eclipse Phase z.B. spielt man ohnehin nur AGIs, die "vermenschlicht" sind. Erziehung, Sozialisierung und so.
Dann spiele mal Transhuman Space. Das RPG ist noch eine Spur transhumanistischer als Eclipse Phase.

Tatsache ist, dass Sprache und Kultur zusammen gehören und gemeinsam (als Sozialisierung) das Denken bestimmen.
Ich sehe das eher andersrum: Das Denken bestimmt die Sprache. Aber die Sprache bestimmt nicht das Denken.

Zitat
Beim Lernen einer fremden Sprache tritt das teilweise auch auf, allerdings gibt es da eher den Umkehrprozess: die Art wie man gewohnt ist zu Denken und zu Handeln bestimmt die Art, wie man das Instrumentarium der fremden Sprache benutzt und welche kommunikativen Strategien man damit verwirklicht.
Richtig. Diese Richtung tritt regelmäßig auf und wird imho auch von niemanden bestritten.
Die Richtung "Denken --> Sprache" ist klar.

Was aber widerlegt wurde: "Sprache --> Denken".

Und das kann man wunderbar an folgendem Experiment sehen:
Nehme 4 Personen:
1) Ein Deutscher, der nur deutsch kann.
2) Ein Deutscher, der fließend chinesisch sprechen kann.
3) Ein Chinese, der fließend deutsch sprechen kann.
4) Ein Chinese, der nur chinesisch beherrscht.

Wenn die Sapir-Whorf-Hypothese stimmen würde, dann müsste es drei Denk-Gruppen geben:
1) Die Person, die nur deutsch kann.
2) Die zwei Personen, die deutsch und chinesisch können.
3) Die Person, die nur chinesisch kann.

Tatsächlich ist es aber so, dass die Sprache keinen Einfluss auf das Denken hat. Der Deutsche, der chinesisch sprechen kann, verhält sich genau so chinesisch wie der Deutsche, der nur deutsch kann.

Offline Yerho

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Re: Ein SF Setting soll Muss darf nicht?
« Antwort #130 am: 13.11.2014 | 18:58 »
Und das kann man wunderbar an folgendem Experiment sehen:

Das ist vollkommen ungeeignet, denn die Hypothese geht ja von der Muttersprache oder auch mehrsprachig erworben, aberprägenden Sprachkenntnissen aus. Als Angehöriger einer (hypothetischen) Sprach-/Kulturgruppe wäre es nicht relevant, wenn man zusätzlich zur Sprachsozialisierung weitere Fremdsprachen lernt, da diese nicht prägend sein müssen.

Sie können trotzdem prägend werden. Man versetze eine Deutschen lange genug ohne Kontakt zu seinem ursprüngliche Sprach-/Kulturraum unter Chinesen, und er wird mit der Sprache auch viel Kultur annehmen. Es wird nur schwer erkennbar sein, wie stark Sprache und Kultur voneinander abhängig adaptiert wurden.

Der fehlende Kontakt zur ursprünglichen Sprach-/Kulturgruppe wird natürlich in einer zunehmend globalisierten Welt kaum vorkommen, da es auf unserem Planeten eben keine isolierten Gruppen mehr gibt. Wenn wir auf außerirdisches Leben träfen, könnte es aber schon wieder ganz anders aussehen, selbst wenn diese an sich sehr menschenähnlich sein sollten.
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Eulenspiegel

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Re: Ein SF Setting soll Muss darf nicht?
« Antwort #131 am: 13.11.2014 | 19:06 »
@ Fantomas
Wieso sollte die Muttersprache andere Formen des Denkens aktivieren als eine erlernte Sprache?

Wenn die Sprache das Denken formen würde, dann wäre es egal, ob du es als Muttersprache oder als Fremdsprache lernst.

Aber OK, dann nehmen wir eben folgende Personen
1) Familie A haben eine deutsche Kultur und ziehen ihr Kind auf deutsch auf.
2) Familie B hat ebenfalls eine deutsche Kultur, zieht ihr Kind aber zweisprachig (deutsch und chinesisch) auf.
3) Familie C ist eine Einwandererfamilie mit chinesischer Kultur, die ihr Kind zweisprachig aufziehen.

Wenn die Muttersprache einen Einfluss auf das Denken hätte, müsste sich das Kind von Familie B und C ähnlich entwickeln und das Kind von Familie A anders.
Eher ist es aber so, dass die Kinder A und B sich ähnlich entwickeln.

Zitat
Der fehlende Kontakt zur ursprünglichen Sprach-/Kulturgruppe wird natürlich in einer zunehmend globalisierten Welt kaum vorkommen,
Was nun? Kommt es nun auf die Muttersprache an? Oder kommt es auf die Sprache an, mit der man als Schüler/Erwachsener in Kontakt kommt?

Offline Bad Horse

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Re: Ein SF Setting soll Muss darf nicht?
« Antwort #132 am: 13.11.2014 | 19:09 »
Was hat das jetzt eigentlich noch mit dem Thema zu tun?  :btt:
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

Offline Yerho

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Re: Ein SF Setting soll Muss darf nicht?
« Antwort #133 am: 14.11.2014 | 07:49 »
Wenn die Sprache das Denken formen würde, dann wäre es egal, ob du es als Muttersprache oder als Fremdsprache lernst.

Entscheidend ist doch der Erwerb der Sprache, und dass der Sprecher in irgend einer Art und Weise kulturell formbar ist. Wer bereits einen starken kulturellen Anker hat, wird diesen nicht durch Fremdsprache verlieren - es sei denn, man ist durch die Umstände gezwungen, eine Fremdsprache zur eigenen zu machen. Aber auch dann dürfte die durch Muttersprache/n in der prägenden Phase (Kindheit) erworbene Kultur immer wieder durchschimmern.

Die Gegenprobe: Man lasse einen gebürtigen Deutschen ab dem 20 Lebensjahr den Rest seines Lebens in China verbringen, wo er im Prinzip alle in Deutschland geprägten Lebensgewohnheiten beibehalten kann und er sogar in einer deutschen Gemeinschaft lebt - aber trotzdem dürfen dort alle nur chinesisch sprechen. Meinst du wirklich, dass das keine Auswirkungen hätte?

Was hat das jetzt eigentlich noch mit dem Thema zu tun?  :btt:

Der Bezug zum Thema ist da, aber es geht schon sehr ins Detail ... Man könnte man das Ganze gut und gerne in einen separaten Thread auslagern.  :)
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Offline Harlekin78

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Re: Ein SF Setting soll Muss darf nicht?
« Antwort #134 am: 14.11.2014 | 08:40 »
Entscheidend ist doch der Erwerb der Sprache, und dass der Sprecher in irgend einer Art und Weise kulturell formbar ist. Wer bereits einen starken kulturellen Anker hat, wird diesen nicht durch Fremdsprache verlieren - es sei denn, man ist durch die Umstände gezwungen, eine Fremdsprache zur eigenen zu machen. Aber auch dann dürfte die durch Muttersprache/n in der prägenden Phase (Kindheit) erworbene Kultur immer wieder durchschimmern.

Die Gegenprobe: Man lasse einen gebürtigen Deutschen ab dem 20 Lebensjahr den Rest seines Lebens in China verbringen, wo er im Prinzip alle in Deutschland geprägten Lebensgewohnheiten beibehalten kann und er sogar in einer deutschen Gemeinschaft lebt - aber trotzdem dürfen dort alle nur chinesisch sprechen. Meinst du wirklich, dass das keine Auswirkungen hätte?

Der Bezug zum Thema ist da, aber es geht schon sehr ins Detail ... Man könnte man das Ganze gut und gerne in einen separaten Thread auslagern.  :)

Ohne das Thema wissenschaftlich durchdrungen zu haben, kann ich auf jeden Fall mit gesundem Menschenverstand sagen: Alle äußeren Umstände, alle Erfahrungen prägen uns und damit auch unser Denken, und haben somit Auswirkungen! Also kann ich sagen: "Sicher hat deine Gegenprobe Auswirkungen".
« Letzte Änderung: 14.11.2014 | 10:35 von Harlekin78 »
“The baby has known the dragon intimately ever since he had an imagination. What the fairy tale provides for him is a St. George to kill the dragon.” - G.K. Chesterton

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Re: Ein SF Setting soll Muss darf nicht?
« Antwort #135 am: 14.11.2014 | 09:30 »
Warum sollte die Risk Aversive Deutsche Einstellung zu Gefahren , in einem Space Setting dominieren,  bzw. dort dominieren wo Abenteuer, Aktion und Gefahr  wirklich Teil der Realität sind.

Spacer, Kolonisten, Security Services, Explorer.....

Sorry, aber die gepolsterte Eierschale können wir nicht, mitnehmen, Support en oder finanzieren.

Kohlenhocker hätten zuhause bleiben sollen.

Vielleicht sind Menschenleben auch nicht soviel Wert?
“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
“I don’t know, like, all of our stuff? Like the tent, the bedroll, my shovel, your pot, our cups, the food, our water, your dice, my basket, that net, our spare nails and arrowheads, Jim’s pick, my shovel, the tent-pegs…”
“Crap.”