bzgl. Relevanz und retrospektive Betrachtung
Angenommen ich überlege mir, mir ein Lotterie-Los zu kaufen. Lohnt sich der Kauf für mich? Antwort: Ich weiß es nicht!
Ich weiß, dass der Kauf sich eventuell lohnt. Ich kann ausrechnen, ob sich der Kauf im Durchschnitt lohnt. Ich kann ausrechnen, ob sich der Kauf im Median lohnt. Aber ob sich der Kauf tatsächlich lohnt, kann ich erst retrospektiv im Nachhinein feststellen.
Klar, wenn ich durch das Los den Jackpot knacke und Millionär wäre, dann hat sich der Los-Kauf definitiv gelohnt. Und dann hat dies Relevanz für mein zukünftiges Leben. Wenn ich dagegen nichts gewinne, dann hat sich das Los nicht gelohnt.
Und genau so ist es auch mit der Erhöhung der Wahrscheinlichkeit im RPG: Es kann sich lohnen. Es muss sich aber nicht lohnen. Ich kann ausrechnen, ob es sich im Durchschnitt lohnt. Aber ob es sich tatsächlich lohnt, weiß ich erst im Nachhinein.
Und ja, Wahrscheinlichkeiten sind zukunftsgerichtet. Aber die Frage nach Relevanz kann man häufig erst retrospektiv beantworten. Man tut viele Dinge, weil man hofft dass sie relevant sind. Oder weil man glaubt, dass sie relevant sind. Aber ob sie tatsächlich relevant sind, weiß man erst im Nachhinein.
Was bedeutet Relevanz: Relevanz heißt, dass sich etwas bedeutendes dadurch verändert. Also dass es eine Veränderung gibt, die es wert ist, dass man sie erzählt.
Wenn ich mal meine Memoiren schreibe, wird dort sicherlich nicht stehen: "Eulenspiegel ging am 28.07.2015 ein Lotterie-Los kaufen. Aber er gewann nichts. Er führte sein Leben fort, wie er es vor dem Kauf getan hatte." Und warum wird das nicht dort drin stehen? Weil es irrelevant ist.
Aber andererseits würde in meinen Memoiren stehen: "Eulenspiegel ging am 28.07.2015 ein Lotterie-Los kaufen. Er knackte den Jackpot und lebte fortan in Saus&Braus." Denn das wäre relevant.
Und genau so beim Rollenspiel: Was unterscheidet beim Rollenspiel eine relevante Entscheidung von einer irrelevanten Entscheidung?
Durch eine relevante Entscheidung änderst du die Geschichte! Je nachdem, welche der beiden Entscheidungen du triffst, würde sich die Story unterschiedlich weiterentwickeln.
Je relevanter die Entscheidung, desto mehr würde sich die Story unterscheiden: Bei einer halbwegs relevanten Entscheidung würde sich vielleicht ein paar Sätze unterscheiden, ehe die beiden Linien wieder zusammenlaufen. Bei einer extrem relevanten Entscheidung würdest du ab diesen Zeitpunkt zwei komplett unterschiedliche Storys bekommen.
Wenn du aber trotz der Wahrscheinlichkeitserhöhung einen Misserfolg stehen hast, würde die Entscheidung pro oder contra Wahrscheinlichkeitserhöhung maximal einen Halbsatz in der Story ändern. (Wenn überhaupt.)
bzgl. "Gefühl etwas geleistet zu haben"
Wenn ich im RPG einen guten Plan hatte, der aufgeht, dann habe ich das Gefühl, etwas geleistet zu haben.
Wenn ich jedoch einfach nur gut gewürfelt habe, habe ich nicht das Gefühl, etwas geleistet zu haben. Klar, ich freue mich, dass ich gut gewürfelt habe. Aber ich gebe mich nicht der Illusion hin, ich hätte etwas geleistet.
@ Turning Wheel
Es geht hier nicht um die Frage: "Viele oder wenig Extremwürfe?" Es geht um die Frage "Ungleichgewicht von Erfolgen und Misserfolgen."
Wenn ich beim W100 System abwechselnd immer 1 und 100 würfel, dann habe ich lauter Extremwürfe, aber dennoch ein absolutes Gleichgewicht.
Andererseits kann meine Probe auch immer nur ganz knapp misslingen. Dann habe ich zwar keine Extremwürfe, aber ein Ungleichgewicht von Erfolgen und Misserfolgen.
Und ja: Die Häufigkeit von Extremwürfen kann ich verändern, je nachdem, welches Würfelsystem ich verwende.
Aber das Ungleichgewicht Erfolge/Misserfolge kann ich nicht ändern, solange ich ein gedächtnisloses Würfelsystem verwende.