Autor Thema: Setting vs. Abenteuer  (Gelesen 1481 mal)

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Offline korknadel

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Setting vs. Abenteuer
« am: 29.09.2015 | 14:09 »
Aus mir unerfindlichen Gründen bin ich über einen Kommentar von Rumpel gestoßen, der mich zum Grübeln gebracht hat. Rumpel hat einmal im Bezug auf ein paar Biswanger-Covers von alten DSA-Abenteuern Folgendes geschrieben:

Ich bin mal wieder an dem Punkt, festzustellen, dass irgendwer mal dieses Setting schreiben muss ... irgendwie gibt es das, was diese DSA-Cover und einige ganz frühe Produkte versprochen haben, so noch nicht richtig, oder? Märchen+Sword&Socery+diese komische Wurzeligkeit?

Darauf wollte ich antworten: Gibt es doch, nimm einfach DCC RPG!

Aber das stimmt so natürlich nicht. Denn für das DCC RPG gibt es im eigentlichen Sinne kein Setting, jedenfalls hätte sich meine Antwort nicht auf ein beschriebenes Setting bezogen (es gab mal eine Setting-Box zu den alten, für D&D produzierten DCC Abenteuern, aber den Inhalt der Box kenne ich gar nicht, und auf die wird bei DCC RPG eigentlich auch nicht verwiesen, auch wenn der Name der Welt derselbe ist), sondern nur auf ein paar Hinweise im GRW und vor allem auf einen Haufen Abenteuer, die ich gelesen und gespielt habe.

Wenn hier einige aus meiner Perspektive Gleichgesinnte nostalgisch über die Welt von DSA1 schwärmen, dann beziehen wir uns auch auf ein Setting, das nicht als Setting "geschrieben" war, sondern das man über eine Handvoll Abenteuer diffus zu fassen bekommen hat.

Von dieser Feststellung ausgehend habe ich mir überlegt, was wäre, wenn tatsächlich jemand Rumpels Aufforderung nachkommen und dieses (oder ein ähnliches/anderes) Setting schreiben würde? Meine erste Reaktion wäre inzwischen (in meiner Jugend war das ganz anders): Ächz, wieder ein Setting-Buch, durch das man sich durcharbeiten muss!

Und die Frage ist: Was habe ich davon, wenn ich ein Setting habe? Klar, die Lektüre witziger, interessanter, spannender Ideen kann unterhaltsam und inspirierend sein, wenn ich selber Abenteuer bastle. Und sicher braucht man auch für alle Spieler am Tisch verbindliche Settingvorgaben. Aber bei den Details geht es mir mehr und mehr so, dass ich denke: Das, was im Abenteuer nicht erlebbar ist, kann mir gestohlen bleiben. Und das, was ich im Abenteuer erlebe, das ergibt das tatsächliche Setting.

Gerade in den Abenteuern zum DCC RPG sind so viele tolle Ideen, Widersacher, Monster, Orte drin, die überraschen und direkt "bespielbar" sind, die in einen Plot eingebunden sind. Würde jemand dazu (oder zu den Biswanger-Covers o.ä.) ein Setting schreiben, dann wäre es zwar für den Leser sehr angenehm, von all diesen Widersachern, Monstern und Orten zu lesen, aber sie sind erst mal nicht erlebbar. Sie sind einfach nur Setzung. Und wenn ein Spieler sich das Setting durchliest, dann kommt beim Spielen der Aventurien-Effekt, den ich zu Ende meiner abgebrochenen Borbarad-Kampagne hatte. Da war nämlich ein Spieler dabei, der wahnsinnig gerne Settingbücher gelesen hat und mit einem guten Gedächtnis gesegnet war. Sobald ein Monster, NSC oder sonstwas auftauchte, kam von dem erstmal der (Outgame-)Vortrag mit allen wissenswerten Fakten. Die Überraschung ist weg.

Je mehr Setzung, Setting, desto weniger Überraschung, Abenteuer, desto weniger das, was zum Beispiel die Biswanger-Covers verheißen. Und egal, wie gut ein Setting geschrieben ist, bleibt halt die Frage: Macht ein umfallender Baum ein Geräusch, wenn es niemand hört? Sind die 250 Seiten Quellenbuch tatsächlich Setting, wenn sie am Spieltisch nicht erlebt werden? Oder sind sie nur Lektüre?

Dabei würde ich mich durchaus auch freuen, wenn dieses Setting jemand schreiben würde. Es ist eine Crux.

Ich grüble mal weiter.
Hipster

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Offline YY

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Re: Setting vs. Abenteuer
« Antwort #1 am: 29.09.2015 | 16:54 »
Aber bei den Details geht es mir mehr und mehr so, dass ich denke: Das, was im Abenteuer nicht erlebbar ist, kann mir gestohlen bleiben. Und das, was ich im Abenteuer erlebe, das ergibt das tatsächliche Setting.

So geht es mir auch.

Jüngst erlebt habe ich das aus der anderen Perspektive auf dem Treffen, als Grimnir sich so über das Setting unserer Near-Future-Runde gefreut hat.
Das bestand aufgrund meiner Faulheit und meines improvisationslastigen Leitstiles zunächst aus nicht mehr als den Randbedingungen für die Ausgangssituation.
Der ganze Rest wurde in der Sitzung "erspielt", so dass sich hinterher ein recht stimmiges Bild ergab.


Bei "offiziellen" Settings mache ich es mit Spielern, die System bzw. Setting nicht kennen, auch sehr oft so, dass ich ein paar für mich zentrale Aspekte bespiele. Seien das nun ikonische Gegner, bestimmte Orte oder weniger greifbare Sachen wie Lebensweise und -gefühl der Wesen im Setting.



Und gerade zu DSA-Zeiten habe ich das als Spieler auch ganz gerne mit meinen Charakteren so gemacht.
Statt 48 Seiten Hintergrund war da erst mal nur ein Name und ein Satz Werte.
Aber nach und nach wurde der Charakter der Gruppe und mir selbst z.B. bekannter, indem er bei passender Gelegenheit (völlig "fiktive", also nie gespielte) Anekdoten von sich erzählte - in Kontexten und in Mengen, wie man das tatsächlich tun würde, wenn man gemeinsam reist und/oder zusammen arbeitet.
So konnte man das Bild, das sich durch den tatsächlichen Spielverlauf ergab, ändern, abrunden oder konterkarieren.

Das war natürlich alles sehr schlaglichtartig und ergab niemals eine lückenlose Biographie o.Ä., aber trotzdem wirkte da so mancher SC echter und vertrauter als mit romanartiger Hintergrundgeschichte, die sich a) keine Sau jemals ganz durchlas und die b) in alten DSA-Editionen logischerweise am Spielbeginn, also vor dem ersten Abenteuer, endete und allein deswegen schon stets diffuser und weniger greifbar blieb als die gemeinsam erlebten/erspielten Sachen.


Kurz:
Mehr Mut zum Schlaglicht!  ;D
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Offline Blechpirat

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Re: Setting vs. Abenteuer
« Antwort #2 am: 29.09.2015 | 16:58 »
Kurz:
Mehr Mut zum Schlaglicht!  ;D

Oller Storygamer.

Übrigens geht mir das auch so, lieber Korki, dass ich Settingbücher nicht (mehr) gerne lese. Insbesondere, wenn sie mal etwas ins schwafelige Abdriften (wie das Tharun-Settingbuch) muss ich gähnen. Und selbst Splittermond (das ich mögen wollte) war mir zu sehr ein Lexikon - das lese ich auch nicht am Stück. Ich mag daher Settings mit Romanen im Hintergrund. Da kann das Rollenspielmaterial drauf aufsetzen.

Daher mag ich (wie YY so schön schreibt) am Spieltisch entstehende (nicht unbedingt gemeinsam im Vorfeld festgelegte) Settings inzwischen lieber.

Am tollsten wäre aber eine neue Methode, Settinginfos interessant zu kommunizieren, ohne Textwüsten durchstehen zu müssen.

Edit/Nachtrag:

Evtl. bin ich visueller geworden. Oder mehr am zwischenmenschlichen Interessiert als damals. Wie würde für dich eine Settingbuch funktionieren, das nur Bilder und Karten enthält, aber keine Zeile Text?
« Letzte Änderung: 29.09.2015 | 17:02 von Kharlie Brown »

Offline Weltengeist

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Re: Setting vs. Abenteuer
« Antwort #3 am: 29.09.2015 | 17:14 »
Und die Frage ist: Was habe ich davon, wenn ich ein Setting habe? Klar, die Lektüre witziger, interessanter, spannender Ideen kann unterhaltsam und inspirierend sein, wenn ich selber Abenteuer bastle. Und sicher braucht man auch für alle Spieler am Tisch verbindliche Settingvorgaben. Aber bei den Details geht es mir mehr und mehr so, dass ich denke: Das, was im Abenteuer nicht erlebbar ist, kann mir gestohlen bleiben. Und das, was ich im Abenteuer erlebe, das ergibt das tatsächliche Setting.

Dann will ich als Setting-Fan mal ein paar Gründe nennen, warum ich total auf gut gemachte Settings stehe:
  • Ein Setting befeuert zunächst einmal mein inneres Kopfkino. Es spricht meinen "Sense of Wonder" an und gibt mir idealerweise gleich ein paar Ideen, was ich gerne (als Spieler oder Spielleiter) spielen möchte.
  • Als nur manchmal superkreativer Mensch bin ich froh, wenn andere mir tolle NSCs, Völker, Viecher, Reiche, Götter, Plothooks, whatever liefern. Ein gutes Setting tut so etwas.
  • Ein ausgefeiltes Setting, mit dem sich auch die Spieler auseinandergesetzt haben, bietet zudem die Möglichkeit sehr immersiven Spiels. Das kann man jetzt mögen oder nicht, aber wer mal mit einer Runde echter Setting-Freaks DSA, Star Wars oder Warhammer gespielt hat, weiß was ich meine. Gerade für die Gestaltung der SC kann es sehr reizvoll sein, auf einen gemeinschaftlichen Referenzrahmen zurückgreifen zu können. Das macht die Figuren im Idealfall sehr plastisch und kann sehr intensives Rollenspiel befeuern.
  • Auch als Spielleiter mag ich es, im Abenteuer auf Settingelemente zurückgreifen zu können, ohne sie selbst einführen zu müssen. Wenn alle wissen, wer - sagen wir mal - Phex ist, welche heiligen Symbole ihm zugeordnet sind, wer seine Freunde und Feinde sind usw., dann kann ich Andeutungen fallen lassen, die in seine Richtung deuten. Genauso mit Kulturen, Geschichte, Personen etc. Sei es plotrelevant, als falsche Fährte oder einfach nur zur Anreicherung der Szenerie.
  • Und nein, ich denke nicht, dass es genau das gleiche ist, wenn das Setting nur aus den Sachen besteht, die am Spieltisch schon vorgekommen sind. Ein solches Setting besteht halt automatisch nur aus (1) relevanten Elementen, die (2) auch schon vorgekommen sind. Ich mag es dagegen durchaus, wenn auch (1) nichtrelevante Elemente herumschwirren oder solche verwendet werden können, die (2) noch gar nicht vorgekommen sind ;).
So, und bevor jetzt wieder jemand protestiert: Ich spreche hier von meinen Gründen und meinem Spielstil. Bei anderen Vorlieben kann das natürlich völlig anders aussehen. Und wenn ich nur mal schnell einen One-Shot spielen will, dann interessiert mich das Setting sicher auch deutlich weniger und ich kann mit "Denkt euch eine 08/15-Fantasywelt mit Zwergen, Elfen und Orks" einigermaßen leben. Aber gerade fürs Kampagnenspiel darf es bei mir durchaus mehr sein.
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Offline YY

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Re: Setting vs. Abenteuer
« Antwort #4 am: 29.09.2015 | 17:36 »
Und nein, ich denke nicht, dass es genau das gleiche ist, wenn das Setting nur aus den Sachen besteht, die am Spieltisch schon vorgekommen sind. Ein solches Setting besteht halt automatisch nur aus (1) relevanten Elementen, die (2) auch schon vorgekommen sind. Ich mag es dagegen durchaus, wenn auch (1) nichtrelevante Elemente herumschwirren oder solche verwendet werden können, die (2) noch gar nicht vorgekommen sind ;)

Das gibt es ja in "abenteuerbasierten" Settings auch, nur eben weniger detailliert und ausgearbeitet.

Überhaupt ist der zentrale Unterschied die Informationsmenge. Um beim Beispiel Phex zu bleiben: Dass jener der Gott der Diebe mit dem Symbol X und dem Gegenspieler Y ist - das lässt sich überall unterbringen.

Ausufernde Historie und Detailwissen liefert dann wiederum nur der Settingband.


Ansonsten muss Phex wenig ausgearbeitet bleiben oder - eine echte "Gefahr" des erspielenden Ansatzes - man weicht über kurz oder lang deutlich von anderen Gruppen ab.
Das ist für Systeme und Settings, in denen es viele Wahrheiten und viele Weltsichten nebeneinander gibt, nicht unbedingt etwas Schlechtes und für ausschießlich geschlossen spielende Gruppen sowieso kein Thema, aber ich kenne viele Spieler, die mit diesem Phänomen so gar nicht warm werden (wollen) - teils auch rein aus Prinzip.
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Offline Blechpirat

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Re: Setting vs. Abenteuer
« Antwort #5 am: 29.09.2015 | 17:42 »
Ausufernde Historie und Detailwissen liefert dann wiederum nur der Settingband.
Naja, oder eben der Roman. Wenn man jetzt ein Setting zu einer Romanreihe nimmt (von HdR über Perry Rhodan zu Harry Dresden), dann hat man viele der von Weltengeist genannten Vorteile, ohne Settingbücher lesen zu müssen.

Offline Weltengeist

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Re: Setting vs. Abenteuer
« Antwort #6 am: 29.09.2015 | 17:56 »
Überhaupt ist der zentrale Unterschied die Informationsmenge. Um beim Beispiel Phex zu bleiben: Dass jener der Gott der Diebe mit dem Symbol X und dem Gegenspieler Y ist - das lässt sich überall unterbringen.

Japp. Und jetzt machst du das bitte für alle Länder, alle Götter, alle wichtigen NSCs, alle verbreiteten Kreaturen - und was hast du dann? Einen Settingband. Ob du den nun gekauft oder mit deinen Freunden selbst ausgearbeitet hast, ist dabei lediglich Geschmackssache, am Umfang ändert es nichts.

Alternativ ziehst du dir die Infos zu diesem Gott der Diebe eben erst in dem Moment aus dem Hut, an dem er anfängt, im Spiel relevant zu werden (das ist ja gerade die Kernaussage des TE). Das ist aber nicht dasselbe, weil die Mitspieler ihn zu diesem Zeitpunkt noch nicht kennen und erstmal aufgeklärt werden müssen.
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Re: Setting vs. Abenteuer
« Antwort #7 am: 29.09.2015 | 18:04 »
Romane haben aber auch den Nachteil, dass sie entweder keine nachschlagefähige, "spielfertige" Faktensammlung sind oder sich - sofern sie möglicherweise sogar auf "dual use" ausgelegt sind - eher seltsam lesen.

Einige der alten Pherry Rhodan-Bände sind da wohl recht schöne Beispiele.


Das klingt jetzt viel fieser, als es gemeint ist:

Wer so was mag, der liest auch Settingbände ;)

Ehrlich gesagt würde ich selbst auch bei Weitem lieber einen Settingband lesen als eine "normale" Romanreihe als Settingeinführung.


Alternativ ziehst du dir die Infos zu diesem Gott der Diebe eben erst in dem Moment aus dem Hut, an dem er anfängt, im Spiel relevant zu werden (das ist ja gerade die Kernaussage des TE).

Das habe ich im Eingangsbeitrag nicht so gelesen.

Grundsätzlich darf so was gerne im Vorfeld bekannt sein, aber wirklich "echt" wird es erst durch eine Spielbegegnung o.Ä..

Aber da möge Korki sich selbst äußern.
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Re: Setting vs. Abenteuer
« Antwort #8 am: 29.09.2015 | 18:10 »
Wahrscheinlich hat sich die Faszination der frühen DSA-Cover wohl auch deshalb so lange gehalten, weil sie eben nicht zu sehr erklärt und geerdet wurden.

Tatsächlich habe ich mir aber auch unlängst überlegt, Abenteuer nach diesen Bildern zu gestalten. Siehe auch hier. Mehr als die Idee habe ich allerdings noch nicht gehabt.

Und in den Doppelseen-Hexcrawl habe ich eigentlich auch sehr viele frühe DSA-Elemente eingebaut. Z.B. gibt es zu jedem der 25 B-Abenteuer ein Hex mit Hommage. Keine Ahnung, ob ich die alle wieder finde. :D Das hier verlinkte Hex bezog sich wohl auf den Wald ohne Wiederkehr.
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Offline korknadel

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Re: Setting vs. Abenteuer
« Antwort #9 am: 30.09.2015 | 09:23 »
@Weltengeist:

Deine ganzen Punkte will ich auch gar nicht in Abrede stellen. Ich habe früher ja auch Quellenbücher verschlungen. Und für die SL, die ihre Abenteuer selbst entwirft, gibt ein Setting natürlich auch einen Rahmen und eine Inspiration vor.

Und man muss dazu sagen, dass ich, wenn ich so etwas grüble und hier schreibe, auch auf ein paar Jährchen Rollenspielerfahrung und vor allem Popkultur-Konsum zurückgreifen kann. Wie wohl die meisten hier. Allein schon Schlagworte wie Cyberpunk, Dresden Files, Space Opera, Aventurien, Mittelalter, Steampunk etc. geben für uns Eingeweihte ja schon eine grobe Settingskizze vor. Nur deshalb funktioniert auch der Effekt, den ich bei den DCC-Abenteuern beschrieben habe. Weil halt sehr viele Eckdaten, was Fantasy, Sword & Sorcery und Appendix N angeht, klar sind, ohne dass man dafür noch mal eine (Setting-)Beschreibung bräuchte.

Und wenn es einerseits schön ist, wenn man wie bei Aventurien auf so viele Settingdetails zurückgreifen kann, die jedem Spieler etwas sagen, so ist das natürlich auch der Fluch Aventuriens. Das Setting Aventurien ist größer, gewaltiger und auch mächtiger als die Abenteuer, die man darin erleben kann.  Es mag noch ein paar ahnungslose Neuspieler geben, denen es nicht so geht, aber dem durchschnittlichen Aventurien-Spieler wird immer bewusst sein, dass das Abenteuer, das er gerade erlebt, nur einen winzigen Ausschnitt eines alles beherrschenden Settings betrifft. Will man die Spieler hier überraschen, dann muss man noch immer tiefer graben und noch ältere Geheimnisse und Wendungen ausgraben, weil im Grunde schon fast alles beschrieben ist und man am Setting auch nichts mehr rütteln darf, gerade weil sich alles darauf beziehen und deshalb auch darauf verlassen müssen. Sämtliche neuen Erkenntnisse werden dann wiederum auch zum Setting, und so ist ein Komplex entstanden, in dem das Setting im Grunde von viel größerer Bedeutung ist als die Abenteuer. "Lebendiges Aventurien" nennt sich das. Das ist natürlich ein Extrembeispiel, aber für das, worüber ich gerade grübele, sehr interessant und aufschlussreich.

Als ich zum ersten Mal als Jugendlicher gelesen habe, dass man Trolle mit Süßigkeiten besänftigen kann, ja, da hat sich ein sense of wonder eingestellt. Wenn das aber mal alle in der Spielrunde gelesen haben und ein Troll auftaucht, dann ist die Faszination schon nicht mehr so groß, denn dann geht es nur noch darum, ob es gelingt, den Lolli rechtzeitig aus dem Rucksack zu kramen.

Grundsätzlich darf so was gerne im Vorfeld bekannt sein, aber wirklich "echt" wird es erst durch eine Spielbegegnung o.Ä..

Ich weiß nicht, ob ich das sagen wollte, aber ich finde den Satz schön.  :d
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Re: Setting vs. Abenteuer
« Antwort #10 am: 30.09.2015 | 09:48 »
Und wenn es einerseits schön ist, wenn man wie bei Aventurien auf so viele Settingdetails zurückgreifen kann, die jedem Spieler etwas sagen, so ist das natürlich auch der Fluch Aventuriens. (...) Das ist natürlich ein Extrembeispiel, aber für das, worüber ich gerade grübele, sehr interessant und aufschlussreich.

Ganz recht, Aventurien ist vermutlich DAS Extrembeispiel, und ich selbst habe auch oft darunter gelitten, dass es so viele kreative Ideen mit seinem allgegenwärtigen "geht nicht weil schon anders festgelegt" gekillt hat. Aus dem Grund spiele ich da auch heutzutage nicht mehr.

Aber zwischen "Setting, das nicht mehr in zwei Billy-Regale passt" und "gar kein Setting" ist ja noch ein weites Feld. Mir ging es auch eher darum, einige Vorteile zu nennen, die je nach Spielstil die Verwendung eines vordefinierten Settings sinnvoll machen.
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Re: Setting vs. Abenteuer
« Antwort #11 am: 30.09.2015 | 09:58 »
Für Rollenspielneulinge finde ich Settingbände sehr nützlich. Je mehr ich davon jedoch  gelesen habe um so mehr bin ich zu der Überzeugung gekommen das solche Settings mir nie das liefern können was ich eigentlich will. Ich will Götter und Kulte, Rassen, Länder und Geschichte den individuellen Bedürfnissen und Vorlieben meiner Mitspieler entwickeln. Daher bin schon vor langer Zeit dazu übergegengen narrative Kompetenzen an meine Mitspieler zu verteilen. Das ging sehr lange gut und hat allen auch viel Spaß gemacht kostet aber auch Zeit (die wir monentan leider nicht haben).
Das muss aber jeder für sich individuell klären.

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Re: Setting vs. Abenteuer
« Antwort #12 am: 30.09.2015 | 11:09 »
Interessanter Faden, ich habe solche Gedanken auch schon öfter gehabt.

Momentan bin ich auch etwas ab von dicken Settingbänden und vielen Erweiterungen, weil mich zum einen die Menge an Material erschlägt und aus meinen bisherigen Erfahrungen auch immer nur homöopathische Dosen von Settingelementen im Spiel wirklich rüberkommen (so ganz plumpe Sachen wie schlichte Namensnennung mal außen vor). Zum anderen nervt der Balanceakt der manchmal notwendig wird um den von den Spielern eingeschlagenen Pfad mit dem Setting in Einklang zu bringen - ideologische Schienen, sozusagen. Das passiert, zumindest bei mir, nur selten, aber es kam schon vor. Und das sich manchmal Sachen die man nicht on-the-fly anpassen kann weil es vielleicht die gesamte Kosmologie betrifft.

Ein großer Kritikpunkt meinerseits an etablierten Settings ist die Zugänglichkeit für neue Spiele, weil da prallen einfach zwei Bedürfnisse aufeinander. Die einen wollen mehr Details für die Welt die sie seit Jahren kennen und lieben, die anderen haben das Cover im Laden gesehen und machen gerade ihre ersten zaghaften Schritte. Oftmals geht die Rechnung zu Ungunsten der Neuen aus, oftmals auch direkt mit dem eigentlichen Settingband denn Autoren scheinen es zu lieben dem Leser nach einer Einleitung erstmal 13 Seiten Geschichte an den Kopf zu werfen die kein Schwein interessiert. Das sowas immer noch (oder immer wieder) gemacht wird finde ich mittlerweile total absurd. Wie viele Settings haben eine Einleitung die wirklich mal konkret sagt was die Intention des Settings ist, welche Themen präsent sind, für welche Art von Spielen und Abenteuern das Setting gedacht ist, usw.? Stattdessen muss man das ganze Buch fressen um hinterher sagen zu können: "Ah, also weil X weil dann Y... darum ist das also so. Ok, da könnte man Genre Z drin spielen." Wenn ich ein Setting selber baue ist das die erste Frage die ich mir stelle, daher bin ich mittlerweile echt pingelig wenn ein gedrucktes Werk mir da keine klaren Antworten liefert.

Was ich allerdings nach wie vor schätze sind Settings die mir Elemente geben die auch durch ein Abenteuer vermittelbar sind und damit greifbar werden. Das habe ich aktuell ganz schön bei meinem CypherRun 2075 Projekt beobachtet wo ich Shadowrun gezielt auf die Kerne des Settings abgesucht habe um sie mit dem Cypher System zu bespielen. Da ist etliches rausgeflogen bei dem gestandene SR-Spieler jetzt die Hände überm Kopf zusammenschlagen würden, aber ich hab den Mehrwert nicht gesehen (z.B. die meisten Sachen - und damit die Implikationen für das Setting - über Matrix und Geister). Bisher spielt es sich trotzdem noch sehr wie Shadowrun, zumindest wie ich es kenne, daher glaube ich für meinen Fall das Richtige getan zu haben.

Wobei ich ehrlicherweise sagen muss, manchmal hab ich auch Bock auf so piefige Settings mit apokrypher Quellenlage und Milliarden Details die so nützlich sind wie Windpocken. Z.B,. die Forgotten Realms, da bastele ich momentan was kleines für meine Pathfinder-Runde und es ist sehr unterhaltsam das mit Details und Recherche in das Setting einzubetten - zumindest jetzt noch. Ich mache mir aber auch keine Illusionen dass irgendeiner meiner Spieler darauf anspringen wird oder das "zu schätzen" wissen wird. Ist halt ein Feldversuch bei dem der Ausgang vorn Anfang an klar war :)
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