Was ist eine legale Fiktion? Es ist eine Art Geschichte von der wir uns überzeugt haben, damit Institutionen funktionieren. Diese Geschichten sind nicht wahr, aber wir berufen und regelmäßig auf sie.
Ein Beispiel: Das souveräne Volk wählt seine Führung, die dann die ihnen zugeteilte Autorität an nachgeordnete Beamte übertragen.
Nichts davon ist objektiv wahr. Es taugt vielleicht nicht mal als Modell, wenn etwa die Wahl gefälscht würde oder wenn sowieso immer wieder die gleichen gewählt werden oder wenn die gewählten Vertreter sich nicht im Sinne der Wählerschaft verhalten. Das ist nicht der Punkt. Wir haben uns davon überzeugt, dass diese Erzählung gültig ist, damit der Staat funktioniert. Und damit das auch niemand vergisst, wird das allen Jugendlichen im WiPo-Unterricht in der einen oder anderen Form beigebracht.
Wir können schon erkennen, dass unsere Erzählung nicht wahr ist, weil es mal andere gab. Vielleicht: Der König wurde von Gott eingesetzt und ihm gehört alles Land. Das vergibt er im Austausch für Treue und geleistete Dienste an seine Lehnsleute.
Nachdem wir dies nun wissen, wie also kommt eine Rollspielrunde zustande? - Naja, da treffen sich halt Leute, einigen sich auf ein Spiel und spielen das. Ganz einfach.
Was ist das? Legale Fiktion.
Es gibt noch eine andere: In jenem langen Thema, in dem wir besprochen haben, warum die SL die Regeln nicht brechen darf, hat Maarzan die z.B. vertreten. Sie geht etwa so.
Die SL lädt Leute zu ihrer Kampagne ein, wobei sie die Spielwelt und das Regelwerk vorstellt.
Das beschreibt die Abläufe vielfach wohl sogar besser. Manchmal aber wohl auch nicht. Ich hab grad ne Runde Star Trek online. Da hat der Andorian Spaceman ein Thema in der Spielerbörse aufgemacht. Den kannte ich gar nicht. Und jetzt spielleitere ich also für ihn, ganz zufällig mit meinem eigens geschriebenen Regelwerk. Ihr könnt das ja nachlesen.
Welche der beiden Geschichten beschreibt jetzt, was da passiert ist? Schon irgendwie beide, aber auch nicht so richtig. Ist für legale Fiktionen aber auch recht egal. Die müssen Wirklichkeit nicht beschreiben, die machen Wirklichkeit.
Interessant wird jetzt was passiert, wenn wir diskutieren, ob die SL die Regeln verändern darf. (Ich sag mal "verändern", nicht "brechen".)
Also bei der zweiten Geschichte vielleicht. Ist ja ihre Runde. Und sie hat ja auch das Regelwerk vorgeschlagen und sich generell ganz viel Arbeit mit der Spielwelt und Kampagne gemacht. Also warum nicht?
Und bei der ersten Geschichte? - Also, ähm, von einer SL war da doch gar nicht die Rede. Da sind nur Leute, die sich geeinigt haben, ein Spiel zu spielen. Also die können sich bestimmt auch einigen irgendwie anders zu spielen.
Und wenn dann Erg entgeistert fragt, wieso sich da alle einigen müssen...
Vielleicht habt ihr ja auch noch eine ganz andere Geschichte.