Hallo Gabriel,
hier mein Senf zu deinem Regelwerk.
Die Kritiken, die das große, tolle, nie dagewesene Regelextra oder die theoretische Einordnung in diesen oder jenen Spielstil vermissen, gehen m.E. ein bisschen an der Sache vorbei, auch wenn sie wohl unvermeidbar sind, wenn man sich erstmal mit Spieldesign beschäftigt.
MES will aber offenbar das liefern, was gefühlte 95% der Rollenspieler von einem Regelwerk spontan erwarten: Dem Charakter bei der Erschaffung bestimmte Fähigkeiten zuweisen und im Spiel abhängig davon Entscheidungen liefern, ob Aktionen gelingen oder nicht. Und das schnell(er) und einfach(er) (als andere, gängige Systeme).
Damit kommen wir zu dem Teil der Kritiken im Forum, bei denen ich mich mit einreihen kann: Dein System ist zwar relativ schnell und einfach (und lässt dabei gleichzeitig viel Indiviualität und Abwechslung zu) - verglichen z.B. mit DSA oder WoD in all ihrer Pracht. Aber es ist nicht schneller und einfacher als die Dinge, mit denen ich mir zu den von dir genannten Zwecken, auf Cons etc., behelfen würde: ein rudimentäres Cthulhu oder ein bisschen Pünktchenmalerei a la WoD.
Selbst das vollständige Cthulhu-Regelwerk, bzw. Basic Role Play, das "nackte" Cthulhu-Regelwerk, mit kompletter regelgerechter Charaktererschaffung erfüllt eigentlich das Ziel, das du dir gesetzt hast. Es ist vielleicht mit seinen Fertigkeitslisten weniger frei, aber da kann man improvisieren. Und diese Systeme haben einen großen Vorteil: ich kenne sie bereits und kann sie ohne nachlesen und ohne ein Regelwerk dabei zu haben anwenden, und auch dem Großteil der Spieler muss ich sie gar nicht erst erklären.
Zu den Details:
Dass du auf Attribute verzichtest und stattdessen mit den "Aspekten" grobe Fertigkeitsbündel ins Zentrum stellst, finde ich spannend. Ob ich es gut finde, dass klassische Attribute wie Körperkraft, Geschicklichkeit durch die Hintertür als Talente wieder reinkommen, weiß ich noch nicht.
Die Talentspezialisierungen (Optionalregel) würde ich weglassen.
Die Aspekte "Leute" und "Zeug" regeltechnisch genau so zu behandeln, finde ich gut. Ich würde sie aber im Regelteil und auf dem Char-Blatt wegen ihres besonderen Charakters aus der alphabetischen Ordnung rausnehmen.
Offenbar als PG-Bremsen oder zur Verhinderung von One-Trick-Ponys eingebaute Verkomplizierungen ("Es ist erlaubt, ein Talent zweimal zu wählen, allerdings nur..." S.4; "Ein Talent mag für Sportwettkämpfe verwendet werden, oder für reale Kämpfe..." S.9) würde ich weglassen. Einfachheit und Übersichtlichkeit sollten Vorrang haben, auch wenn das vielleicht seinen Preis hat, nämlich Ausgewogenheit und Genauigkeit.
Den Wurf 2W6+x mag ich persönlich nicht so gerne. Ist die damit verbundene Häufung von Ergebnissen im mittleren Bereich (Gauß'sche Kruve oder wie man
das nennt) Absicht? Ich selbst bin bei Würfelsystemen gespalten: Aufgrund der Berechenbarkeit bevorzuge ich Systeme, bei denen mit einem W20 oder W100 ein vom Charakter abhängiger Wert unterwürfelt werden muss. Aber andererseits mag ich Würfelpools wie bei WOD, aus happtischen Gründen: Man kann mit Händen greifen, wie toll (oder schlecht) man in einem Talent ist.
Die Kampfregeln finde ich für "mal eben schnell" unnötig kompliziert. Hier
bist du nicht einfacher als irgendein beliebiges "Voll-System". Warum weicht die Kraftbonusregel von den sonst üblichen Regeln ab? (passendes Talent gibt+ 1 statt +2?!) Wird sich irgendwer die Formel für die Lebensenergie merken können? Warum drei Arten Schaden und Rüstung? Reichen statt des Waffenkatalogs nicht einfach drei Kategorien: Pippi-Waffen, mittlere Waffen, große Kracher?
Fazit: Damit dein Regelwerk nicht nur für dich und die Leute, die du direkt zum Spielen bringst, interessant wird, müsstest du es weiter vereinfachen. Ich würde die ganzen Optionalregeln rauswerfen bzw. in ein Extradokument auslagern. Insbesondere den Kampf solltest du kräftig entschlacken. Dann hast du zwar immer noch nicht das Rad neu erfunden (bzw. es sähe halt ähnlich aus wie 1.000 Räder vor ihm, nämlich rund), aber es würde rollen, und das wirklich mal eben schnell.
Gruß
Graf Hardimund
(a.k.a. Mutant)