So, hier noch mal ausfuehrlicher meine Ideen:
Der Schelm als Koboldskind oder "Wechsel-Wechselbalg"
Ueber einige neue Aspekte des SchelmenDer grundsaetzliche Aspekt des Schelmen soll beibehalten werden. Schelme sollen weiterhin von Kobolden geraubte Kinder sein, die als junge Erwachsene in die Menschenwelt zurueckkehren. Sie sollen weiterhin oft zu Streichen und Schabernack aufgelegt sein; auch ihre magischen Faheigkeiten dazu einsetzen; Grausamkeit und Gewalt ablehnen (was der Schelm unter Grausamkeit versteht kann aber von einer rein menschlichen Definition zunaechst abweichen); ueberhaupt nur zur Selbstverteidigung zur Waffe greifen.
Es geht also nicht darum, eine neue Charkterklasse zu entwerfen ("Schwarz-Schelm", "Daemonenpaktierer-Schelm" oder "Endlich-mal-die-Sau-rauslassen-Schelm"), sondern ausgehend von einigen grundsaetzlichen Ueberlegungen ueber neue rollenspielerische Moeglichkeiten fuer den Schelm nachzudenken. Alle den Schelm betreffenden Regeln sollen unberuehrt bleiben, allerdings wird man einige "kanonische" Infos ueber Aventurien etwas freier auslegen muessen. Dabei soll der veraenderte Schelm im Wesentlichen auch im "offiziellen" Aventurien spielbar bleiben und nicht zur Belastung fuer die anderen Gruppenmitglieder werden. Etwas Fingerspitzengefuehl von allen beteiligten Spielern, vor allem von Spieler/Spielerin des Schelmen ist aber noetig - aber das war es ja schon immer.
Ausgangspunkt meiner Ueberlegungen ist folgender: In Maerchen und Sagen werden Bewohner der Anderswelt oft sehr ambivalent dargestellt. Sie koennen hilfreich, lustig, weise und schoen sein, genau so gut aber auch hinterlistig, rachsuechtig, grausam und unberechenbar. Sie koennen Menschen wohlwollend gegenueberstehen, ihnen aber auch das Leben zur Hoelle machen - oder sogar beides zugleich. Zum Beispiel kann eine Fee sich unsterblich in einen Menschen verlieben, aber grade deswegen menschliche Rivalinnen mit Haesslichkeit schlagen oder den Geliebten in die Feenwelt entfuehren.
Diese Widerspruechlichkeit sollte auch ein Schelm aufweisen. Allerdings hat er ja auch ein menschliches Erbe und hat sich entschieden, wieder in die Menschenwelt zurueckzukehren.
Der Schelm ist also fremdartig und zwischen andersweltlichem und derischem Erbe hin-und hergerissen. Seine Unkenntnis menschlicher Regeln und Normen kann ihn erfrischend unbekuemmert, komisch, lebenslustig und weise machen - der klassische Schelm eben. Andererseits kann ihn seine Fremdartigkeit auch in Schwierigkeiten bringen und den Menschen "boese" erscheinen lassen: Er kann jaehzornig und unbeherrscht sein - ein "Rumpelstilzchen", rachsuechtig und gemein, ein gastiges Kind, das andere mit seinen Streichen blosstellt oder demuetigt, luestern und unmaessig, ein Faun oder eine Sirene.
Orientieren kann man sich neben klassischen Maerchen und Sagen vielleicht auch an anderen literarischen und filmischen Vorbildern fuer "ewige Kinder", die nicht nur lustig, sonder auch tragisch, zerrissen und widerborstig sind: Oskar aus der "Blechtrommel", die "Borribbles" von Michael de Larrabeiti, Pipi Langstrumpf (eher die "chaotische" Variante), das Maedchen aus "Interview mit einem Vampir", Nabokovs "Lolita" (jedenfalls so, wie sie der Erzaehler darstellt, die Kinder aus den "Struwelpeter" - Geschichten, der Junge aus "The Sixth Sense" und "A.I." und andere.
Das "Thema" des Schelm sollte die Reise eines Wesens sein, dass aus einer Welt der unbeschraenkten Moeglichkeiten (positiv wie negativ) in die regulierte (aber auch "moralischere") Welt der Menschen geworfen wird. Oder auch: Ein ewiges Kind,dass sich in der Welt der Erwachsenen zurechtfinden muss, die es (auch zu seinem eigenen Besten) beschraenkt. Oder psychologisch formuliert, wenn man's ganz hochgestochen will: Die Reise vom "Es" der ungefilterten Triebe und Wuensche zum reiferen "Ich" [Pschologiestudenten nageln mich jetzt bitte nicht auf die Begrifflichkeiten fest]. Das ist auch im "offiziellen" Schelm angelegt, allerdings werden die positiven Aspekte ueberbetont und die "dunkleln" Seiten der Kindheit vernachlaessigt.
Zwei Dinge sind beim Spielen eines solchen Schelms zu bdenken: Erstens muss das "Schwanken" des Schelms dargestellt werden, wenn er nicht doch zum "Dunkelschelm" verkommen soll. Er sollte also nach einem Ausbruch seiner feeischen Seite erkennen, was er angerichtet hat und in Konflikt mit seiner menschlichen Seite geraten. Nach und nach sollte er begreifen, dass seine Handlungen andere verletzen koennen, seine Gefaehrten in Schwierigkeiten bringen und ihn Sympathien kosten, ja, vielleicht regt sich bald etwas in ihm, das ihn an der Anderswelt zweifen laesst. Das beudetet zweitens, dass der Schwerpunkt der Schelmenrolle auf der Entwicklung liegen muss. Aventurien ist eine Welt, in der das Gute letztendlich siegt und Helden sich am Ende gegen das Boese entscheiden, und das sollte auch so bleiben.
Beispiele:
- Der Schelm toetet von Neugier getrieben einen Vogel um ihn genau zu untersuchen. Als erkennt, dass der Vogel nun nie wieder fliegen oder so lustig singen wird, ueberkommt ihn bittere Reue. Es schliesst sich eine ruehrende Szene an, in der der Vogel begraben wird, und der Schelm am Grab seine Zauberkuenste zu Ehren des toten Tieres spielen laesst.
- Der Schelm verfuehrt aus reinem Trieb hinterhaeltig eine schoene Maid oder einen stattlichen Burschen und ist schockiert, als sein Opfer anschliessend in Traenen ausbricht. Er erkennt, wie sehr er sie/ihn verletzt hat, und setzt alles daran, sein Opfer wieder gluecklich zu machen - indem er es mit dem/der Angebteten zusammenfuehrt, ihm/ihr ein besonderes Geschenk macht oder gar, falls gewuenscht, den Traviabund schliesst.
- Der Schelm stellt oeffentlich einen Haendler bloss, der ihn beim "Leihen" erwischt hat, indem er ihn "Nackdeit" und dann als Ballon gen Himmel schweben laesst. Spaeter erkennt er, dass der Mann ruiniert ist, seine Geschaeftspartner ihn fuer unserioes halten, seine Existenz auf dem Spiel steht usw. Er setzt alles daran, den angerichteten Schaden wieder gut zu machen.
Der Schelm sollte also einige Male mit seiner neuen Heimat zusammenstossen, langsam an sich und seiner Herkunft zweifeln, lange Zeit mit sich und der Welt hadern, letztendlich aber die zwei Seelen in seiner Brust versoehnen koennen.
Der Schelm lernt so im Lauf der Zeit, was Liebe, Tod, Ansehen und so fort fuer Menschen bedeuten.
Also nicht nur
, sondern auch
, dann
, spaeter ???, am Ende
und
.
Um das ganze aventurisch noch etwas stimmiger zu machen, koennte man vielleicht festlegen, dass ein solcher Schelm nicht von Kobolden, sondern anderen Andersweltlern aufgezogen wurde, also Feen, Faunen usw, oder wie Doc Sternau vorgeschlagen hat, von Biestingern.
Was die Rolle der Tsa angeht, glaube ich, dass man die "ewig junge Goettin" durchaus auch in diese Richtung interpretieren kann. Ein Schelm, der sich auf eine lange Reise begibt, in deren Verlauf er sich staenig wandelt und die Vielfaeltigkeit in sich entdeckt, wie eine Larve, die Stueck fuer Stueck zum Schmetterling wird, kann von ihr doch nur mit Wohlwollen betrachtet werden, wenn sie auch einige seiner Irrtuemer verabscheuen mag. Vielleicht laesst sie ihm gelegentlich einen goettlichen Fingerzeig zukommen, der ihn anhaelt, weiter an sich zu arbeiten ?