Ich verstehe das so, dass in dieser Gesellschaft der komplette Strafgedanke als Sühne herausfällt. Natürlich gibt es eine Verantwortlichkeit des Individuums, aber es wird kein Mehrwert darin gesehen, die vorherige Strafe zu sühnen, sondern weitere Straftaten zu verhindern. Es geht also nicht um Strafvollzug sondern um Rehabilitation und Resozialisierung. Das steht zwar auch bei uns im StVollzG §2 (zusammen mit dem Schutz der Gesellschaft, den auch die Konformität sicher im Sinn haben und wahrscheinlich sogar rigider als die BRD verfolgen wird), die Praxis zeigt da aber gewisse Schwächen.
StVollzG §2
"Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten."
Die Praxis des einfachen Wegsperrens mit dem frommen Wunsch, dass das dann schon wird, führt das ganze in unserer Gesellschaft ein bisschen ad absurdum, wenn ihr mal nach Rückfallquoten googelt. Die liegen bei der Zweit- nach Erstverurteilung bei ca. 33% über alle Häftlinge und bei ca. 50% bei Dritt- nach Zweitverurteilungen (also rund ein Sechstel der Erstverurteilten zur Haftstrafe macht noch mindestens eine dritte Runde).
In der Konformität, wie du sie schilderst, würde ich davon ausgehen, dass es in dem Sinne gar kein festes Strafgesetzbuch gibt, das alle entsprechenden Strafen über einen Kamm schert. Viel eher wird der Straftäter zur Strafevaluation eingeladen (die selbstredend eine Pflichtsache ist) und dann wird individuell entschieden. Die Schwere des Verbrechens ist also keineswegs etwas, das die Höhe der Strafe bestimmt, viel eher geht es in der Konformität um eine Bewertung des Charakters, der Eigenschaften des Täters und der Motivation hinter seiner Tat sowie der Aussicht auf Strafwiederholung.
Entsprechend kann ich mir vorstellen, dass der eigentlich friedfertige Mensch, der in einer absoluten Ausnahmesituation völlig überreagiert und so einen Tod verursacht (Notwehr- oder Nothilfeexzess, Tötung im Affekt o.ä.), mit einem Päckchen Psychopharmaka nach Hause geschickt und zur regelmäßigen Nachbesprechung eingeladen wird, damit ihn die psychologischen Folgen seiner Tat nicht doch noch zur Gefahr werden lassen.
Gleichzeitig könnte ein notorischer Straftäter vielleicht schon bei recht geringen Vergehen eine relativ schwere Strafe bekommen, weil Gutachter merken, dass dem Straftäter einfach mal das Unrechtsbewusstsein abgeht, es gewisse Probleme mit der Impulskontrolle gibt etc. Und da kann dann mit ganz individuellen Mitteln nachgeholfen werden: Haft, Gesprächstherapie, medikamentöse Therapie, Psychochirurgie (Lobotomie u.ä.) und Implantate (siehe "tiefe Hirnstimulation", im Sci-Fi-Bereich sind die Möglichkeiten unermesslich), Exil, Exekution.
Und der Kontrast wäre für unser Rechtsverständnis und unseren Gerechtigkeitssinn ein ziemlicher Brocken. Der Typ, der seine Frau erschlagen hat, kriegt ein paar Tabletten, eine regelmäßige Therapie und jede erdenkliche Hilfe, weil er wieder auf die Beine kommen wird. Der jugendliche Raser kriegt die Giftspritze, weil sich bei der Strafevaluation gezeigt hat, dass er voraussichtlich immer wieder auffällig und damit ein Störer des gesellschaftlichen Friedens werden wird.
Mit so einem Strafrecht mag die Konformität eine Demokratie sein, aber wehe, wenn du nicht konform gehst. Es geht schnell um "Gesinnungstaten". Das öffnet Tür und Tor für eine politisches Strafrecht mit dem Anstrich, dass es natürlich um das Wohl des Volkes geht.
[Edit]
Ist die Konformität eigentlich als Dystopie gedacht? Das kann man beliebig weiter entwickeln, dass die Leute ja immer in regelmäßigen Abständen eher Volkspartei 1 oder Volkspartei 2 wählen, vielleicht auch mal eine Seitenströmung, die aber auch im Großen und Ganzen die gleiche Linie verfolgt und nur in ein paar Details abweicht.