Autor Thema: Name für eine SciFi-Gesellschaft  (Gelesen 4220 mal)

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Offline Chaos

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Re: Name für eine SciFi-Gesellschaft
« Antwort #25 am: 26.01.2018 | 13:58 »
Aber was macht man mit "Verbrechen im Affekt"? Man kann versuchen, jemanden dahingehend umzuerziehen, dass er nicht mehr stiehlt, aber jemanden umerziehen zu wollen, dass er den beim fremdgehen erwischten Ehepartner nicht mehr erschlägt, das erscheint mir etwas sinnlos. Das war offensichtlich eine einmalige Aktion, und die Rückfallquote ist bei solchen Verbrechen auch bei uns ca. 0%. Einfach mit den Schultern zu zucken, "passiert halt" zu sagen und zur Tagesordnung überzugehen erscheint mir aber auch falsch. Was machen die also?

Wegsperren. Nicht zur Strafe, sondern zum Fremd- und Eigenschutz.

Oder aber, falls vorhanden, ein "medizinische" Behandlung, die Gefühle und Gefühlsreaktionen so weit abmindert, dass das Subjekt einfach nicht mehr stark genug empfindet, um deswegen auszurasten.

Wenn du es ganz hart haben willst, wird jeder in einem bestimmten Alter getestet, wie leicht er oder sie ausrastet, und diejenigen, bei denen das über ein gewisses Maß hinausgeht, bekommt irgendetwas implantiert, das sie erst einmal außer Gefecht setzt, sobald sie tatsächlich ausrasten.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Name für eine SciFi-Gesellschaft
« Antwort #26 am: 26.01.2018 | 14:00 »
Diesen Umerziehungsgedanken findet man bei Lois Bujolds Vorkosigan Saga, auf Beta Colony, dort allerdings kombiniert mit totaler individueller Freiheit und Toleranz innerhalb der definierten Grenzen. Gilt jetzt insbesondere für Sexualität, Kunst, Technologie. Macht auch Sinn aus meiner Sicht, insbesondere in einer konsumorientierten Gesellschaft.

Wenn man es rechtsphilosophisch betrachtet, würde hier das Konzept der Schuld wegfallen: Es geht nicht mehr um die Vorwerfbarkeit des Bruches der Rechtsordnung, und damit verliert auch Strafe ihre Funktion, den Bruch der Rechtsordnung zu "heilen", weil man per se davon ausgeht, dass das Individuum nicht für den Bruch verantwortlich ist. Insofern wären dann präventive Erwägungen allein erheblich, d.h. bei einer Tat im Affekt wäre nur auf die Wiederholungsgefahr abzuzielen, wenn also ein psychologisches Gutachten ergäbe, dass diese nicht gegeben ist, wäre eine Internierung entbehrlich. Ggf. mithilfe von VR-Simulationen und Brain Scans?
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Offline dunklerschatten

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Re: Name für eine SciFi-Gesellschaft
« Antwort #27 am: 26.01.2018 | 15:09 »
Zitat
Jetzt brauche ich noch eine (Selbst-)Bezeichnung der rebellischen Ex-"Konformisten", die erst en masse in die (einzig nennenswerte) Kolonie der Konformität ausgewandert sind und sich dann für unabhängig erklärt haben (begleitet vom Massenerschießungen aller, die das nicht so gut fanden). Das sind freiheitsliebende Individualisten, aber ziemlich skrupellos und brutal, und schlagen in ihrer Ablehnung des Harmoniebedürftigen der Konformität dann ins Gegenteil um. Literatur von der Erde bildet für sie eine gewisse philosophische Basis, und ein Name kann (nicht muss) sich da an irgend etwas anlehnen.

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Pyromancer

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Re: Name für eine SciFi-Gesellschaft
« Antwort #28 am: 27.01.2018 | 09:01 »
Danke für die ganzen Anregungen soweit!

Wenn man es rechtsphilosophisch betrachtet, würde hier das Konzept der Schuld wegfallen: Es geht nicht mehr um die Vorwerfbarkeit des Bruches der Rechtsordnung, und damit verliert auch Strafe ihre Funktion, den Bruch der Rechtsordnung zu "heilen", weil man per se davon ausgeht, dass das Individuum nicht für den Bruch verantwortlich ist. Insofern wären dann präventive Erwägungen allein erheblich, d.h. bei einer Tat im Affekt wäre nur auf die Wiederholungsgefahr abzuzielen, wenn also ein psychologisches Gutachten ergäbe, dass diese nicht gegeben ist, wäre eine Internierung entbehrlich.

Mir gefällt die Idee, ich weiß aber noch nicht, wohin sie führt.

Wenn man dem Individuum die Verantwortung für den Rechtsbruch abspricht, und zwar generell, dann bedeutet das ja im Grunde genommen, dass das Individuum auch nicht zurechnungsfähig ist. Kann man da dann überhaupt irgendwo eine sinnvolle Grenze ziehen, ab wann diese Zurechnungsfähigkeit aufhört? Kann die Gesellschaft vielleicht sogar völlig ohne Eigenverantwortung funktionieren?

Oder man geht die entgegengesetzte Richtung: Das Individuum ist voll verantwortlich für das, was es tut, auch für die eigene Bestrafung. Wenn jemand durch die Übertretung einer gesellschaftlichen Regel Schaden verursacht, dann sorgt er selbst für Wiedergutmachung, oder, wenn er z.B. jemanden im Affekt erschlagen hat, dann entfernt er sich selbst aus der Gesellschaft (Exil, Selbstmord), um zu verhindern, dass es wieder passiert. Ich stelle mir gerade so eine Mischung aus Richter und Psychiater vor, zu dem man gehen kann, wenn man denkt, man habe irgend etwas Schlimmes gemacht, wo in einem "Beratungsgespräch" erörtert wird, wie man jetzt am Besten damit umgeht, oder Versammlungen, wo die Dorfgemeinschaft gemeinsam mit dem Täter bespricht, was der denn jetzt tun soll. Soziale Sanktionen greifen dann erst, wenn der Gesellschaft die selbst gewählten Konsequenzen nicht ausreichend erscheinen.


Generell geht es hier zwar um eine SciFi-Gesellschaft, aber die Grundprinzipien sollen schon länger bestehen, mindestens seit vorindustriellen Zeiten.

Offline Chruschtschow

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Re: Name für eine SciFi-Gesellschaft
« Antwort #29 am: 27.01.2018 | 11:28 »
Ich verstehe das so, dass in dieser Gesellschaft der komplette Strafgedanke als Sühne herausfällt. Natürlich gibt es eine Verantwortlichkeit des Individuums, aber es wird kein Mehrwert darin gesehen, die vorherige Strafe zu sühnen, sondern weitere Straftaten zu verhindern. Es geht also nicht um Strafvollzug sondern um Rehabilitation und Resozialisierung. Das steht zwar auch bei uns im StVollzG §2 (zusammen mit dem Schutz der Gesellschaft, den auch die Konformität sicher im Sinn haben und wahrscheinlich sogar rigider als die BRD verfolgen wird), die Praxis zeigt da aber gewisse Schwächen.

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In der Konformität, wie du sie schilderst, würde ich davon ausgehen, dass es in dem Sinne gar kein festes Strafgesetzbuch gibt, das alle entsprechenden Strafen über einen Kamm schert. Viel eher wird der Straftäter zur Strafevaluation eingeladen (die selbstredend eine Pflichtsache ist) und dann wird individuell entschieden. Die Schwere des Verbrechens ist also keineswegs etwas, das die Höhe der Strafe bestimmt, viel eher geht es in der Konformität um eine Bewertung des Charakters, der Eigenschaften des Täters und der Motivation hinter seiner Tat sowie der Aussicht auf Strafwiederholung.

Entsprechend kann ich mir vorstellen, dass der eigentlich friedfertige Mensch, der in einer absoluten Ausnahmesituation völlig überreagiert und so einen Tod verursacht (Notwehr- oder Nothilfeexzess, Tötung im Affekt o.ä.), mit einem Päckchen Psychopharmaka nach Hause geschickt und zur regelmäßigen Nachbesprechung eingeladen wird, damit ihn die psychologischen Folgen seiner Tat nicht doch noch zur Gefahr werden lassen.

Gleichzeitig könnte ein notorischer Straftäter vielleicht schon bei recht geringen Vergehen eine relativ schwere Strafe bekommen, weil Gutachter merken, dass dem Straftäter einfach mal das Unrechtsbewusstsein abgeht, es gewisse Probleme mit der Impulskontrolle gibt etc. Und da kann dann mit ganz individuellen Mitteln nachgeholfen werden: Haft, Gesprächstherapie, medikamentöse Therapie, Psychochirurgie (Lobotomie u.ä.) und Implantate (siehe "tiefe Hirnstimulation", im Sci-Fi-Bereich sind die Möglichkeiten unermesslich), Exil, Exekution.

Und der Kontrast wäre für unser Rechtsverständnis und unseren Gerechtigkeitssinn ein ziemlicher Brocken. Der Typ, der seine Frau erschlagen hat, kriegt ein paar Tabletten, eine regelmäßige Therapie und jede erdenkliche Hilfe, weil er wieder auf die Beine kommen wird. Der jugendliche Raser kriegt die Giftspritze, weil sich bei der Strafevaluation gezeigt hat, dass er voraussichtlich immer wieder auffällig und damit ein Störer des gesellschaftlichen Friedens werden wird.

Mit so einem Strafrecht mag die Konformität eine Demokratie sein, aber wehe, wenn du nicht konform gehst. Es geht schnell um "Gesinnungstaten". Das öffnet Tür und Tor für eine politisches Strafrecht mit dem Anstrich, dass es natürlich um das Wohl des Volkes geht.

[Edit]
Ist die Konformität eigentlich als Dystopie gedacht? Das kann man beliebig weiter entwickeln, dass die Leute ja immer in regelmäßigen Abständen eher Volkspartei 1 oder Volkspartei 2 wählen, vielleicht auch mal eine Seitenströmung, die aber auch im Großen und Ganzen die gleiche Linie verfolgt und nur in ein paar Details abweicht.
« Letzte Änderung: 28.01.2018 | 01:57 von Chruschtschow »
Tolles Setting, würde ich aber mit Fate spielen. Und jeder Thread ist ein potentieller Fate-Thread. :d

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Offline 1of3

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Re: Name für eine SciFi-Gesellschaft
« Antwort #30 am: 27.01.2018 | 11:59 »
Schöne Analyse, Chruschtschow. Dabei sieht man an unserem Beispiel natürlich, dass das mit der reinen Lehre und vollzogenen Praxis häufig nicht so genau passt. Und dass die Lehre für gewöhnlich überhaupt nicht so rein ist.

Also auch unsere SciFi-Gesellschaft könnte A sagen und B tun. Das würde sie in gewisser Weise realistischer machen. Natürlich ist es auch interessant eine Position mal wirklich durchzuspielen.


Pyromancer

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Re: Name für eine SciFi-Gesellschaft
« Antwort #31 am: 28.01.2018 | 10:40 »
In der Konformität, wie du sie schilderst, würde ich davon ausgehen, dass es in dem Sinne gar kein festes Strafgesetzbuch gibt, das alle entsprechenden Strafen über einen Kamm schert.
Das war meine Idee. Keine Gesetze, keine Polizei, keine Richter. Überhaupt kein Justizsystem im klassischen Sinn.

Zitat
Viel eher wird der Straftäter zur Strafevaluation eingeladen (die selbstredend eine Pflichtsache ist) und dann wird individuell entschieden. Die Schwere des Verbrechens ist also keineswegs etwas, das die Höhe der Strafe bestimmt, viel eher geht es in der Konformität um eine Bewertung des Charakters, der Eigenschaften des Täters und der Motivation hinter seiner Tat sowie der Aussicht auf Strafwiederholung.

Wenn jemand "auffällig" wird, dann wird er im Extremfall in eine Heilanstalt "zwangseingewiesen". Die Kriminalistik ist bei denen eine Hilfswissenschaft der Psychiatrie, und die "Kriminalpolizei" Gehilfen der Ärzte, weil man, wenn man einen nicht-kooperativen Patienten behandeln will, erst einmal herausfinden muss, woran er wirklich leidet, also was er wirklich getan hat.

Und der Affekt-Täter wird sich wohl häufig nach der Tat direkt selbst in die "Notaufnahme" begeben. Ein vorher unbescholtener Bürger würde dann von der Gesellschaft ungefähr so angesehen wie bei uns jemand, der einen schweren Herzinfarkt oder eine andere heftige Krankheit hatte. Man würde auch eine Änderung des Lebensstils erwarten, wenn er wieder aus dem "Krankenhaus" kommt.

Zitat
Mit so einem Strafrecht mag die Konformität eine Demokratie sein, aber wehe, wenn du nicht konform gehst. Es geht schnell um "Gesinnungstaten". Das öffnet Tür und Tor für eine politisches Strafrecht mit dem Anstrich, dass es natürlich um das Wohl des Volkes geht.
Umgekehrt könnte man in so einer Gesellschaft politische Debatten vielleicht viel härter, ehrlicher und zielorientierter führen, weil man im Normalfall davon ausgehen kann, dass der politische Gegner auch nur das Gemeinwohl im Sinne hat, und nicht aus Bosheit oder Eigennutz handelt. Ein echtes Ringen um Ideen wäre möglich, wie wir uns das gar nicht vorstellen können.

(Ich muss mir dann nur noch überlegen, wie meine "Spalter" daraus organisch erwachsen.)

Zitat
Ist die Konformität eigentlich als Dystopie gedacht?

Mir geht es erstmal nur um den Weltenbau. Moralische Bewertungen überlasse ich dann im Zweifelsfall den Spielern.