Runde 2: Weich gebettete Sockenzwerge from Outer Space
Umgebung: Großstadt
Mangel: Holz, Kronkorken
Überfluss: Lebensmittel
In der vom Schakalkrieg zerstörten Metropole hatte sich auf einer Straßenkreuzung eine Gemeinschaft von Menschen in einer Notunterkunft zusammengefunden, um sich von hier aus eine neue Existenz aufzubauen. Dank der guten Ausstattung der Zeltstadt war Nahrung im Überfluss vorhanden. Holz hingegen zum Bau fester Unterkünfte war in der Stadt voll Beton und Stahl Mangelware. Eine Lösung könnte vielleicht der Handel bringen - aber wie handeln, wenn keine Währung vorhanden war?
Um zunächst einmal mobiler zu werden, beschlossen die Menschen, einen alten Bus wieder flottzumachen, der sie durch die Stadt hin zur benachbarten Zeltunterkunft bringen sollte, wo sie reich mit Waren beladen vom Handel heimkehren konnten. Eben diesen Handel hatte ein überaus freundlicher Vertreter jener Unterkunft ihnen nämlich vor Kurzem vorgeschlagen. Die Bedenken eines Teiles der Gemeinschaft, ob es moralisch vertretbar sei, mit jenen zu handeln, die im Schakalkrieg wenigstens zu Beginn die Schakale unterstützt hatten, wurden hierbei übergangen. Findige Gemeinschaftsmitglieder hatten unterdes das alte Hydrantensystem angebohrt und so die provisorische Unterkunft mit fließendem Wasser versorgt. Da sich die Basteleien als zukunftsträchtig darstellten, wurde mit Hilfe der Materialien, die Suchtrupps aus den umliegenden Gebäuden herbeibrachten, eine Werkstatt eingerichtet. Die begabten Brüder Gusto und Robert Handerson hatten dort das Sagen.
Die Handersons waren nur einer von mehreren Familienclans, die in der Unterkunft für Ordnung und Weiterkommen sorgten. Der größte und einflussreichste dieser Clans waren die Giovannis. Gab es Probleme oder musste eine abschließende Entscheidung getroffen werden, so waren es zumeist die Giovannis, die das letzte Votum abgaben. So waren es auch die Giovannis, die zunächst dafür stimmten, sich das geheimnisvolle Objekt, das am Ende der Hauptstraße niedergegangen war nicht anzusehen und sich stattdessen weiterhin auf den Aufbau der Gemeinschaft zu konzentrieren. Insbesondere da in letzter Zeit mutierte, giftige Kanalratten die Lebensmittelvorräte in den kühlen U-Bahn-Schächten zu bedrohen begonnen hatten, sei es vonnöten, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Um den Handel zu fördern und auszuweiten, begann Dorothea, eine visionsreiche junge Dame, mit dem Bau eines Leuchtturmes auf der Spitze eines alten Fernsehturmes am Rande des Hafens. Da ihr der Strom fehlte (der merkwürdigerweise abhanden gekommen war), musste sie das Licht mit Hilfe eines riesigen Leuchtfeuers betreiben. Im Schein des Leuchtfeuers erblühte der Handel zwischen den beiden Zeltstädten, ohne dass jedoch auswärtige Schiffe im Hafen eingelaufen wären. Der erblühende Handel in der Gemeinschaft zog einige weniger glückliche Bewohner der anderen Zeltstadt an. Sie alle wollten in der gut ausgestatteten Unterkunft an der Kreuzung leben. Doch bereits nach kurzer Zeit waren alle verfügbaren Plätze belegt und die restlichen Übersiedler wurden an einer eilig errichteten Straßenschranke aufgehalten und zurückgeschickt.
Dann jedoch hatte der alte Votan gar grausige Gesichte und warnte die Gemeinschaft vor nahendem Unheil. Aber niemand nahm den senilen Schamanen ernst. Erst als sich die Panzer vom alten Technikfriedhof wie von Geisterhand zu bewegen begannen und auf die Handelspartner in der Nähe des Hafens zuhielten, wurde die Gemeinschaft aktiv. Doch war es überhaupt sinnvoll, eigene Kräfte für die Rettung des Handelspartners aufzubringen oder sollte nicht viel lieber das Unglück der anderen zum eigenen (Raub-)Glück gewandelt werden? Eine kleine Gruppe Aufrechter, versammelt um Georg, den sie später den Wackeren nannten, wollte dies nicht zulassen und zog aus, die Freunde zu retten. Allein - sie kamen zu spät. Die Unterkünfte der anderen waren bereits zerstört, viele Menschen tot. Dennoch gelang es Georg unter Opferung seines eigenen Lebens, die Panzer zu besiegen und seine Anhänger führten die nun heimatlosen Freunde zum Lager an der Kreuzung.
Dort waren die Flüchtenden jedoch nicht willkommen - wo sollten sie alle unterkommen? Zwar gab es mittlerweile feste Unterkünfte - aber natürlich nur für die Einheimischen. Das Chaos verstärkte sich, als auf der alten Verbindungsstraße ein gewaltiges Ungetüm aus der Erde brach, nur um einige Meter weiter wieder in den Boden zu stoßen und zu verschwinden. Fürderhin versperrten zwei gewaltige, dunkle Löcher die sichere Passage in Richtung des Hafens. Die aus den Schlunden aufsteigenden Gase brachten eine grässliche Krankheit mit sich, die sowohl die Gemeinschaft im Lager als auch die Geflohenen vor den Schranken darniederlegte. Selbst der alte Votan lag sterbenskrank am Boden. Ein eilig zusammengewürfelter Suchtrupp tat jedoch zum Glück der Gemeinschaft ein namhaftes Bettenlager auf, so dass nun paradoxerweise noch der ärmlichste Tropf schlummern konnte wie ein Zar - insofern das ohne Dach über dem Kopf eben möglich war. Mit der Wärme war es jedoch bald vorbei, als dem klaffenden Loch eine Horde Zwerge entstieg, die es offenkundig auf die Socken der Menschen abgesehen hatten. Die kalten Füße verschlechterten die gerade erst gestiegene Laune wieder.
In dieser verwirrenden Situation gab es dennoch Bewohner der Straßenkreuzung, die sich auf ihr kulturelles Erbe besannen. Der feinfühlige Franz ließ dem wackeren Georg, der all die Menschen aus der Nachbarzeltstadt gerettet hatte, ein Denkmal errichten. Daneben wurde im alten Kunstmuseum eine Vernissage vorbereitet. Nicht alle waren mit dieser Verschwendung von Ressourcen und Arbeitskraft einverstanden, konnten sich jedoch gegen die Kunstlobby nicht durchsetzen.
Immerhin hatte sich die prekäre Sockensituation in der Zwischenzeit zum gewinnträchtigen Geschäft gemausert. Wieso sich die Socken stehlen lassen, wenn sie doch auch teuer verkauft werden konnten? Eine gewaltige Sockenfabrik wurde errichtet, in der die Alten des Dorfes in 16-Stunden-Schichten Socken strickten, die dann gewinnbringend an die unersättlichen Zwerge verkauft wurden. Beim Bau der Sockenfabrik hatte es einen schrecklichen Vorfall gegeben: Gusto Handerson war, mit einem Stromkabel erwürgt, neben seiner, hinter der Werkstatt heimlich errichteten, Hanfplantage gefunden worden. Der Mörder blieb unerkannt. Als kurz darauf auch noch Robert Handerson beim Bau eines Dachgartens von einem Hochhaus stürzte, war die Trauer groß. Eine engagierte Gruppe erbaute nun auch den Handersons ein Denkmal, die, so die öffentliche Darstellung, ein solches auch viel mehr verdienten als Georg, der diese ganzen nutzlosen Fremden überhaupt erst an die Kreuzung geführt hatte.
Besagte Fremden unterdes stiegen mittlerweile auf die Barrikaden - der Winter nahte und sie hatten nach wie vor keine Unterkunft und schliefen mit ihren guten Betten auf der Straße. Die Giovannis zeigten sich jedoch erbarmungslos und versuchten, den Aufstand blutig niederschlagen. Nichtsdestotrotz verschanzten sich einige Aufständische in der festen Unterkunft.
Zu diesen internen Konflikten war die Gemeinschaft an der Kreuzung zunehmend isoliert. Während auf der einen Seite die tobende Menge hinter den Schranken zurückgehalten werden musste, war auf der anderen aus dem geheimnisvollen und bis dato ignorierten, abgestürzten Flugobjekt eine gemeingefährliche Pflanze erwachsen, die mit Laserstrahlen alle sich Nähernden erschoss und sich zudem rapide vermehrte. Glücklicherweise vertrugen die außerirdischen Säher dieser Pflanzen offenbar keine Kälte und gingen bei den ersten Anzeichen des nahenden Winters ein. Manche Probleme, so lernten die Gemeinschaftsmitglieder, lösten sich eben auch einfach von selbst.
Die daraus resultierende Freude war jedoch von kurzer Dauer. Denn eine witterungsbedingte Springflut riss die Sockenfabrik und damit den Wohlstand der Gemeinschaft mit sich. Als dann auch noch ein gewaltiger Wurm dem Loch in der Straße entstieg und nach Opfern forderte, brach Panik aus. Ein beherzter junger Mann opferte schließlich den alten Votan ("Der liegt hier eh bloß rum und frisst!") dem Wurm und löste so die Situation, wenn auch sicherlich nicht zur Freude vieler Votan-Fans.
Die Lage an der Kreuzung war heikel - nicht genügend Unterkünfte, nicht ausreichende Nahrungsmittel und der zusammengebrochene Handel ließen die Menschen in Angst versinken. Kurz bevor die Frosthirten eintrafen, geschah jedoch das Unglaubliche: Dem Strahlen des Leuchtturms war ein großes Schiff gefolgt. In voller Fahrt krachte es einige Meter weit in die Kaimauern, wo es steckenblieb. Die Besatzung war sofort tot - aber die Vorräte und der Treibstoff waren noch vorhanden! Sie waren es, die schließlich der Gemeinschaft das Leben retten und sie über den harten Winter bringen sollten.
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