Mir ist gerade klar geworden, was mich an diesem Artikel (
http://blog.openlegendrpg.com/i-love-dd-but/) zum Designgedanken von OL stört. An sich finde ich die Argumentation dafür, einfach nur die strategischen Möglichkeiten zu verregeln und den Fluff "frei" zu lassen, ganz interessant - bei genauerem Hinsehen handelt man sich dabei aber für mein Gefühl eher Probleme ein.
Das Beispiel im Artikel ist ein D&D-Ray of Frost, der von einem Spieler kreativ dazu benutzt werden soll, einen Gegner ausrutschen zu lassen. Der Artikel behauptet jetzt: Laut Regeln geht das nicht, da der Ray of Frost nur d8 Schaden macht und das Ziel verlangsamt. Dagegen setzt OL ein System, das nur die Effekte (verlangsamen, Umwerfen, Schaden anrichten) verregelt, sodass man sich den gewünschten Effekt aussucht und ihn bei Gelingen mit dem für den SC passenden Fluff skinnt. Der Vorteil ist laut Artikel, dass man im Prinzip mit jeder Methode, die einen Sinn ergibt, alles versuchen kann.
Ich würde bei genauerem Überlegen dagegensetzen: Natürlich kann der Ray of Frost nach meinem Standard-Rollenspielverständnis einen Gegner ausrutschen lassen. Sagen wir, der Zauber hat zwei Komponenten: harte regeltechnische Auswirkungen (d8 Schaden, Gegner wird langsamer) und Fluff (ein Eisstrahl schießt aus der Hand des Zauberers). Und dann wäre festzustellen, dass in den meisten klassischen Rollenspielenauch die Fluff-Komponente regeltechnische Auswirkungen haben kann, darf und soll, wenn die Fiktion entsprechendes hergibt. Wenn aus der Fluff-Beschreibung hervorgeht, dass der Zauber eine Eisschicht auf dem Boden hinterlassen kann, dann kann diese Eisschicht auch wieder auf Regelebene folgen haben, ohne, dass dabei irgendwie die Regeln gebeugt werden würden. Um es mit einem anderen Beispiel zu verdeutlichen: Sagen wir, ein SC hat die Fertigkeit Holzbearbeitung und nutzt sie, um Palisaden gegen einen feindlichen Angriff zu errichten. Diese Art der Nutzung ist evtl. nirgendwo so im Regelwerk vorgeschlagen oder beschrieben, durchaus aber die Auswirkung, die Palisaden in einem Gefecht haben. Letztere kommen dann durchaus im späteren Gefecht zum tragen, auch wenn die Fähigkeit Holzbearbeitung laut Regeltext keinen automatischen "Palisadenvorteil" ergibt. Der SC hat ein Stück Spielwelt beeinflusst/erschaffen, und das Stück Spielwelt nimmt Einfluss auf die regeltechnischen Abläufe.
Genauso lässt sich der Ray of Frost als Ausrutschzauber verstehen: Der SC beeinflusst auf Fluff-Ebene in glaubwürdiger Weise die Spielwelt, was dann darauffolgende regeltechnische Abläufe beeinflusst.
Ich finde das ehrlich gesagt interessanter als den Ansatz, den Zauberer gleich seinen "Knock Prone" Effekt ansagen und den dann als Eiszauber skinnen zu lassen; denn bei der Variante, in der der Zauberer nur den gewünschten Effekt auswählt, ist er auf seine Werte in der entsprechenden Form der regeltechnischen Manipulation zurückgeworfen, die Möglichkeiten zu kreativen Exploits (also der Verwendung einer Fähigkeit zu einem anderen Zweck, als sie in den Regeln steht, aber durchaus in glaubwürdiger Weise) werden reduziert.
Kurz: Ich verstehe zwar das dargestellte Problem, es scheint mir aber doch mehr ein Pappkamerad zu sein. Der Autor schreibt ja selbst: Das muss schon ein ziemlich blöder SL ein, der den Spieler auf die Schadenswirkung festlegt und keinen kreativen anderen Einsatz des Zaubers zulässt.