Ich habe es dieser Tage mal gewagt und eins der alten Schätzchen aus dem Bücherregal geholt, die ich in den 80ern zum ersten Mal gelesen habe. An dieses hier erinnerte ich mich dahingehend besonders, dass ich es einerseits als Teenager irgendwie geil fand, andererseits aber auch sehr verwirrend und enttäuschend. In der Hoffnung, als Erwachsener schlauer draus zu werden, habe ich mich nun erneut an die Lektüre gesetzt.
Was soll ich sagen? Schlauer bin ich draus geworden ... jedenfalls auf der Meta-Ebene. Ich kann jetzt gut analysieren, was ich damals geil fand und warum ich enttäuscht war.
Der Weltenbau des Romans ist einfach nur episch. Der Kontinent bietet atemberaubende Landschaften und ist gespickt mit interessanten, bedeutungsvollen Orten. Die Kultur ist komplex, aber in sich stimmig und baut auf einer einzigartigen Mythologie auf. Vielleicht hätte die Autorin sich in ihrer selbst erdachten Sprache nicht ganz so sehr austoben müssen (Es dauerte eine Weile, bis mir klar war, dass "Thiayl" in ihrem Setting der höchste Herrschertitel sein soll), aber alles in allem ist das Setting so gelungen, dass ich -- wie schon beim ersten Lesen -- große Lust hätte, darin eine Rollenspielkampagne anzusiedeln.
Auch die Charaktere bewegen sich abseits aller Klischees und haben ihre eigenen Persönlichkeiten. Der Protagonist ist ein magiebegabter Heiler, versteht sich aber dank seiner adligen Erziehung auch auf die Jagd und das Bogenschießen. Sein Gegenpart ist ein religiöser Eiferer und Ketzer, der sich radikal gegen die etablierte theologische Lehrmeinung stellt, in praktischen Belangen aber durchaus zu Kompromissen fähig ist. Auch alle anderen Personen -- die ortskundige Späherin, der alte Kräuterheiler, die berühmte Harfnerin, der verschrobene Eigenbrötler in seiner einsamen Hütte -- sind jeweils auf individuelle Weise interessant und lebendig.
Was dem Roman nur völlig abgeht, ist ein Plot.
Es passiert was. Es passieren sogar sehr große, epische Dinge. Aber die Frage, worum es geht, könnte ich beim besten Willen nicht beantworten. Von der Handlung entfallen großzügig geschätzt 5% auf Action, 30% auf mystisch-philosophische Dialoge und gefühlt 120% auf wirre innere Monologe. Letztere finden häufig in Fieber und Drogenrausch statt und angesichts der zusammenhanglosen Satzfetzen beschleicht mich manchmal das Gefühl, das war auch 1:1 der Geisteszustand, in dem die Autorin sie aufschrieb. Gegen Ende begegnet der Protagonist endlich greifbaren Gegnern, kämpft irgendwie gegen sie, verliert fast, wird irgendwie gerettet und alles hat irgendwie Bedeutung. Sie erschließt sich nur nicht dem Leser.
Unterm Strich ist daher dieser Roman -- leider -- nur eine plotlose Vergeudung eines fantastischen Settings und großartiger Charaktere. Es ist schade, denn streckenweise entfalten diese Elemente wirklich Zauber. Aber er reicht nicht, um einen über die Durststrecken des restlichen Romans zu hieven.
Immerhin eines kann ich über den "Erdverderber" sagen: Das Buch ist auf einzigartig originelle Weise gescheitert.