Autor Thema: Umgang mit "rechtschaffen böse" in den Vergessenen Reichen  (Gelesen 8286 mal)

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Re: Umgang mit "rechtschaffen böse" in den Vergessenen Reichen
« Antwort #50 am: 16.11.2018 | 12:11 »
Für unsere Welt würde ich das unterschreiben. Im RPG gibt es aber Autoren, die (mehr oder weniger glücklich) definiert haben, welche Charaktereigenschaften/Handlungspräferenzen in welche Gesinnungs-Schubladen gehören. Autoren sind m.E. etwas ganz anderes als Subjekte in einer Spielwelt (z.B. Kleriker); was die schreiben, kann für eine Spielwelt allgemeingültig bzw. objektiv sein, schließlich entscheiden sie auch über andere Dinge, die wir objektiv nennen würden, z.B. Landmassen, Klima usw.

Mmm...ich würde eher sagen, in dem Fall ist es genau umgekehrt. Soll heißen, daß Analogien von Dingen, die in unserer Welt objektive Tatsachen wären, in der Spielwelt zumindest aus Spielersicht (und auf die kommt's ja gerade in diesem Punkt an, weil sich an der die ganzen Gesinnungsdebatten letztendlich entzünden) ebenfalls subjektiv sind und sein müssen -- schließlich hat die sich auch nur erst mal jemand ausgedacht und sie haben letzten Endes nur maximal so viel Gewicht, wie alle Beteiligten bereit sind, ihnen auch zuzugestehen.

Beispiel Klima: wie leicht oder schwer ich in einem Abenteuer eine Wüstendurchquerung ansetze, hängt allein schon damit zusammen, ob es für so etwas schon von einem anderen Kollegen überhaupt Regeln gibt oder ich mir selber was aus den Fingern saugen muß, dann davon, ob ich die (ggf. nach einer Mütze Schlaf) auch exakt so verwenden will, und wenn ich "nur" der Abenteuerschreiber bin, kann am anderen Ende der Kette immer noch die SL eventuell in direkter Rücksprache mit den Spielern ihrerseits entscheiden, ob sie das wirklich so handhaben wollen, wie ich's ihnen zu diktieren versucht habe, oder doch lieber etwas anderes machen. "Objektivität"? HAH!!! >;D

Offline Derjayger

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Re: Umgang mit "rechtschaffen böse" in den Vergessenen Reichen
« Antwort #51 am: 16.11.2018 | 12:45 »
Soll heißen, daß Analogien von Dingen, die in unserer Welt objektive Tatsachen wären, in der Spielwelt zumindest aus Spielersicht (und auf die kommt's ja gerade in diesem Punkt an, weil sich an der die ganzen Gesinnungsdebatten letztendlich entzünden) ebenfalls subjektiv sind und sein müssen -- schließlich hat die sich auch nur erst mal jemand ausgedacht und sie haben letzten Endes nur maximal so viel Gewicht, wie alle Beteiligten bereit sind, ihnen auch zuzugestehen.

Mal etwas überspitzt gesagt: Das würde bedeuten, dass Spieler sagen würden: "Mensch, warum hat der Autor/SL die Berge hier so hoch gemacht? Lass uns die mal kleiner machen, damit wir leichter durchkommen".
Stattdessen werden solche Dinge als allgemeingültig hingenommen, sogar auf Kosten von toten Chars.
Wenn der SL mal einlenkt ("stimmt, wenn die so hoch wären, hätte die Karavane neulich nicht durchkommen können. Also sind sie offensichtlich kleiner"), muss niemand das als plötzliche Änderung von "Tatsachen" wahrnehmen, sondern kann es als Korrektur eines Irrtums/Wahrnehmungsfehlers denken ("hab ich falsch betrachtet"). Ein Teil der Faszination von RPGs kommt doch davon, dass alle am Tisch sich vorstellen, dass es eine - auf eine Art - objektive/allgemeingültige Spielwelt gibt in der man spielt, die für alle Teilnehmer gilt und eben nicht von beliebigen Handwedeleien abhängig ist. Das kann auch für Kosmologie und Gesinnungen gelten.
Jetzt kann man leicht sagen, dass alles im Rollenspiel komplett subjektiv, weil ausgedacht/verhandelt, ist (was ja auch - auf eine andere Art - stimmt), aber dann redet man über etwas Anderes. Ich find's nicht leicht, den Unterschied zu beschreiben, denken kann ich ihn aber problemlos. Ich glaube, dass das Wort "Objektiv" hier eher für Verwirrung sorgt.

Weniger extremes Beispiel:
SL: Der König wirft euch in den Kerker.
Spieler: Boah SL, sei mal nicht so.
SL: Er tut's aber. Hättet ihr mal nicht seinen Sohn verschleppt.
Der Spieler ist sauer auf den SL (nicht auf den König).
Der SL beharrt auf allgemeingültigen Dingen (es ist normal, wenn dieser König Leute in den Kerker wirft, die seiner Familie schaden), der Spieler hingegen tritt aus dem Spiel heraus. Denn alle sind sich einig - und das ist völlig selbstverständlich - dass ein Char ingame diese Kritik nicht an einen ingame-SL richten kann, weil es ingame keine SLs gibt.

Genauso kann man sich darauf einigen, dass alle Tötungen "böse" genannt werden, so dass es da erstmal nix zu diskutieren gibt. Ein Tyrannenmord zieht also auf jeden Fall die Aufmerksamkeit eines Teufels auf sich - egal ob die Tat viel Leid erspart hat. Dieser Teufel könnte sogar angepisst und amüsiert zugleich darüber sein, dass jemand etwas "böses" mit einer bösen Tat verhindert hat. Das könnte man sogar als Austricksen verstehen, mit dem man ihn vertreibt. Der Mörder hingegen wäre durch die Tat markiert (z.B. für Böses entdecken-Zauber).
Dass dieser Mord eine böse Komponente hatte, wird in diesem Beispiel nicht bezweifelt. Das ist auch mehr als nur eine moralische Vereinbarung, weil sie eben andere Mächte beeinflusst und nicht nur die Art, wie wir über Handlungen urteilen.
« Letzte Änderung: 16.11.2018 | 13:10 von Derjayger »
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Re: Umgang mit "rechtschaffen böse" in den Vergessenen Reichen
« Antwort #52 am: 16.11.2018 | 13:42 »
Mal etwas überspitzt gesagt: Das würde bedeuten, dass Spieler sagen würden: "Mensch, warum hat der Autor/SL die Berge hier so hoch gemacht? Lass uns die mal kleiner machen, damit wir leichter durchkommen".

Eben. Das ist ja gerade der Unterschied zwischen Fiktion und Realität -- in der einen bin ich derjenige, der sie sich überhaupt erst vorstellt, und kann sie mir dementsprechend auch mehr oder weniger (ggf. nach entsprechenden Verhandlungen mit anderen Beteiligten) nach Belieben zurechtbiegen, in der anderen bin ich selber sinngemäß auch nur "Figur" und kann das mit meiner Umwelt nicht. Und bei der Fiktion ergibt die Frage "warum hast du hier die Berge so hoch gemacht?" aus Spielerperspektive auch einen Sinn, denn in der Fiktion steht dahinter zwangsläufig irgendeine Art von mehr oder weniger bewußter Absicht, die sich der realweltlichen Kontinentalverschiebung mit ihren sämtlichen Folgen so (zumindest, soweit wir wissen... 8]) schlicht nicht unterstellen läßt.

Oder um's noch mal etwas knapper zusammenzufassen: wenn mir in meiner Eigenschaft als Spieler oder SL etwas an einer Spielwelt nicht gefällt, dann kann ich das definitiv ansprechen -- die Möglichkeit ist ja da -- und werde es auch, wenn ich es gerade für nötig halte. Was mir irgendein drittklassiger Settingautor dabei herablassenderweise als "aber doch für meinen Charakter absolut und unumgänglich objektiv und verbindlich und was-auch-immer-sonst-noch" unterjubeln will, interessiert mich im Zweifelsfall einen feuchten Kehricht, weil ich ja nicht mein Charakter bin und ihn also auch gar nicht zwangsläufig spielen muß, wenn mir die damit verbundenen Bedingungen partout nicht gefallen. (Falls ich gerade SL sein sollte, einfach "Charakter" durch "Spielwelt" ersetzen; der Gedankengang bleibt derselbe.)

Die klare Trennung zwischen "Spieler" einer- und "Charakter" andererseits ist hier schon einigermaßen wichtig; Verwechslungen und buntes Zusammenschmeißen führen nur zu unnötiger Verwirrung.