Mir kam gerade beim Lesen ein vielleicht übertrieben hinterlistiger Gedanke: Wenn man sagt, die Welt soll "realistisch" sein und dazu gehört der plötzliche Charaktertod und auf keinen Fall Eingreifen des Spielleiters oder gar Würfeldrehen. Ist dann das Zurechtstricken der Abenteuerschwierigkeit auf die Stufen der Charaktere nicht auch unrealistisch. Warum sollten die bei Stufe 4-5 denn nicht in ein Abenteuer stolpern, auf dem Stufe 12-15 steht - das wäre realistisch, denn die Welt wird nicht darauf warten, dass sie "bereit" sind. Oder anders ausgedrückt: In der realen Realität ist ein Heldenleben z.B. im Krieg in fast allen Fällen vor allem eines: kurz!
Dies alles ist nicht als Provokation gemeint, denn ich kann gut verstehen, was die vielen Vertreter einer "Tod soll dazugehören" Meinung daran finden und will ihnen den Nervenkitzel keinesfalls missgönnen, der natürlich damit einhergeht (oder in irgendeiner Weise eine andere Ansicht als besser hinstellen). Die obigen Ausführungen sind wirklich nur als Anregung gemeint, über die man nachdenken kann (und nicht muss). Ist bei konsequentem Durchdenken der "Realismusforderung Tod" nicht auch die Meinung seltsam, wenn die ganze Gruppe hopps geht, dann hat der Spielleiter das Abenteuer nicht passend gestrickt?
Sehr interessante Geanken, Sagadur.
Beim Passus "Helden der Stufe 4-5 stolpern in ein Abenteuer der Stufe 12-15" musste ich sofort an das PC-Spiel "Gothic" denken. Auch dort greift dich der Lurker an, egal ob du gerade erst die Spitzhacke gefunden hast oder dich später mit einer besseren Waffe ausgerüstet hast.
Auch das Ork-Gebiet existiert seit Spielbeginn und ist bevölkert, statt erst darauf zu warten, dass der Held endlich zum Orks metzeln bereit ist.
Natürlich gibt es Systeme, in denen das "fliehen" vor dem Gegner leichter ist (z.B. die Spiele der "Adventure Game Engine") und welche, in denen es schwieriger ist (D&D, Splittermond, Midgard).
Realismusanforderung Tod vs. "Der SL hat das Abenteuer nicht passend gestrickt"
Warum haben viele Systeme Mechanismen, um nachzuvollziehen, wie es den Helden und ihren Gegnern geht (Trefferpunkte bei D&D, Körperlicher Stress bei FATE, Gesundheit bei Game of Thrones, der Damage Condition Track bei Zweihänder)?
Weil die Systeme für beide Seiten gelten und von beiden Seiten genutzt werden sollen. In vielen Rollenspielen können nicht nur die Gegner sterben, sondern auch die Helden. (Es gibt einige wenige Ausnahmen: Im alten Herr der Ringe Rollenspiel wird dem SL im SL-Kapitel ausdrücklich davon abgeraten(!) den SC Verwundungen zuzufügen, ganz zu schweigen davon, die SC zu töten.)
Zur Realismusanforderung:
Ich bin auch ein Befürworter dieser Realismusanforderung. Wenn die SC von Räubern überfallen werden, ist am Ende entweder eine Seite besiegt oder beide Seiten trennen sich mehr oder weniger stark verwundet voneinander. Vielleicht hat eine der beiden Seiten trotzdem einen der ihren verloren.
Statt einfach nur "weniger HP" zu haben, sollte es schon ein irgendwie geartetes "Wunden"-System geben (z.B. Gesundheitsstufen in Splittermond, Wound Penalties im Fantasy Age Companion).
Man möchte als Spieler, dass der Charakter in einer "echten" Welt lebt, statt als Murder Hobo einen Dungeon nach dem anderen auszuräumen oder von Ereignis zu Ereignis zu springen.
"Der SL hat das Abenteuer nicht passend gestrickt"
Wenn man als SL keine Zeit/Lust hat, vorher Kämpfe im "Trockendock" zu testen, fällt eben erst im Abenteuer auf, dass drei Orks für Stufe 1 doch zu viel sind oder die Goblins nur durch besonderes Würfelglück zu treffen sind. Dann hat es aber eher mit fehlender Erfahrung zu tun (Ja, ich habe auch mal eine Gruppe ausgelöscht, als ich zuerst mit 4 Mutanten zwei SC gekillt habe, statt "einen Mutant pro SC" zu nehmen und ich noch nicht wusste, wie heftig die Kämpfe in diesem System werden können).
Wenn die SC die niedergeschriebene Prophezeiung, die den Kampf gegen einen Machtvollen Gegener verheißt, durch misslungene Proben noch nicht verstehen, hat der SL das Abenteuer unpassend entworfen? Oder ist es nicht doch Teil seines Plans, dass die SC erst auf einer höheren Stufe auf die Lösung kommen, weil sie erst dann stark genug sind, sich in den Kampf gegen diesen machtvollen Gegner zu wagen?
Wenn die SC auf größere Mengen Orks im Gebirge -welches ihren bevorzugten Lebensraum darstellt- treffen, hat der SL das Abenteuer nicht passend gestrickt ("Wir sollten das Gebirge lieber meiden, denn selbst versprengte Orks liefern uns noch ziemlich schwere Kämpfe.")?
Insgesamt möchte ich sagen:
Ja, SC sollen sterben können, denn sonst ist für mich die ganze Spannung (und der Sinn) eines Kampfes dahin (Es reicht aber auch, wenn sie schwer verwundet werden, Ressourcen verlieren o.ä.)
Nein, sie sollen nicht durch einen einzelnen Wurf auf der Krit Tabelle sterben ("Der dunkle Priester zerschlägt mit seinem Streitkolben das, was mal der Kopf des unverletzten Ritters war. Er stirbt auf der Stelle. Sein Helm ist komplett zerstört")