Vielleicht ist es die Stimmung im Anlger Haus, die Sprüche an den Wänden, oder das Buch, John konnte es nicht sagen aber anders noch als beim abendlichen BBQ sickerten Stück für Stück die Erinnerungen zurück in sein Bewusstsein.
Er war damals noch ein Jugendlicher und mehr mit sich selbst beschäftigt, Anfang der Neunziger als das Thema um die Gruppe Hippies das erste mal aufkam. Algonac war zwar schon immer Ferienort aber diese Leute waren anders. Der Anführer kam sogar aus Algonac, ein Liedermacher, Künstler aus der Gegend, sein Name war irgendwas mit „C“, Crow, Copper, Candle, John konnte sich nicht daran erinnern. Er konnte sich aber sehr gut daran erinnern, dass seine Eltern ihm damals Angst vor diesen komisch gekleideten Leuten gemacht hatte die sie Hippies nannten. Er sollte sich von denen Fernhalten, die hätten keinen guten Einfluss auf Kinder und es waren viel zu viele junge Frauen unter ihnen.
Es wäre eine Schande das die Eltern der Mädchen keinen besseren Umgang für sie ausgesucht hätten hörte John seine Mutter sagen, als wenn es gestern gewesen wäre. Die Hippies waren irgendeine dieser „Millenniumsekten“ welche dachten am Ende des Jahres 1999 würde die Welt untergehen und nur ein paar wenige erwählte würden überleben. Wenn er sich auch nicht an den Namen des Anführers erinnern konnte, so war ihm doch der Name der Gruppe im Gedächtnis geblieben und umso mehr wunderte er sich, dass er sich gestern nicht daran erinnern konnte. Als hätte sein Unterbewusstsein diesen Teil der Erinnerrungen so tief vergraben das er fast vergessen war. Die Gruppe nannte sich Kinder des Vortex.
Wie alles in der kleinen Stadt schlug die Ankunft dieser Leute erst große Wellen aber bald trat der Alltag wieder in den Vordergrund, die Jahreszeiten kamen und gingen und die Gruppe verschwand aus dem Bewusstsein von Algonac. Sie war nur noch eine urbane Legende unter den Jugendlichen, ähnlich wie heute die Geschichte vom alten Mr. Miller und der Werkstatt am „Dairy Queen“. Erst viel später als John schon 25 war machte die Gruppe ein weiteres mal auf sich aufmerksam. Es war der triste und graue Februar des Jahrs 1999 als Algonac auf einen Schlag erwachte und erkennen musste, das in der Mitte der städtischen Gemeinschaft ein Krebsgeschwür gewachsen war, dass niemand so richtig wahr haben wollte.
Der Anführer der Gruppe, der Dichter, wurde ermordet, niedergestochen, soweit John sich erinnern konnte oder vielleicht auch nur erinnern wollte ging es um eine Frau und Streitigkeiten in der Gruppe. Als die Polizei eintraf und das alte Haus in der Stadt betraten, fanden sie ein Drogenlabor und andere Dinge die nie näher erwähnt wurden. Es war das größte Drogenlabor in diesem Teil des County, von Detroit mal abgesehen, war es unerklärlich wie das alles über die Jahre verborgen geblieben sein sollte. Es gab viele Festnamen, aber zwei der engsten Vertrauten des Anführers konnten fliehen. Trotz einer groß angelegten Fahndung konnten die beiden nicht gefunden werden.
Das ganze Geschehen um die Kinder des Vortex war wochenlang Stadtgespräch in Algonac und verblasste dann. Die Welt ging im Jahre 1999 nicht unter, das neue Jahrtausend brach an und die Geschehnisse um die Gruppe gerieten erneut in Vergessenheit.
Was John früher eher auf die Jahre des Erwachsenwerdens, die ersten Erfahrungen mit Frauen, seinen Schulabschluss und alles was damit zusammenhing geschoben hatte sah er jetzt anders. Die Neunziger in Algonac waren nicht deshalb verwirrend, sie waren verwirrend da die Kinder des Vortex in der Stadt waren. Ihr Gift in das Bewusstsein der Bewohner sickerte und Erinnerungen zurück ließ die wie in Watte gepackt wirkten, als müsse man sich sehr anstrengen sich an die Zeit zu erinnern.
Dean ließ die Blätter des Buches noch mal raschelnd durch die Finger gleiten. Im Einband stand, dass es die 3. Auflage von 1992 war und ursprünglich von einer Druckerei aus Gloucester (MA) stammte die sich „Iron Horse Press and Publishing“ nannte. Ein kurze Onlinerecherche ergab, dass die Druckerei Anfang der 2000er insolvent gegangen war und geschlossen wurde. Das Buch selbst wurde laut einem Stempel von einem Buchladen in Algonac verkauft, den es aber seit Mitte der Neunziger auch nicht mehr gab.
Wo auch immer Cassandra das Buch her hatte, es musste aus Privatbesitz stammen.