Ich setze bei Cthulhu gerne Zauber ein und finde es gut, wenn die Charaktere (und nicht nur die NSC) über den ein oder anderen Zauber verfügen. Daher könnte dieses Buch prinzipiell für mich geeignet sein. Dennoch bin ich vom Grand Grimoire enttäuscht. Das liegt teilweise an der Handhabung von Magie in Cthulhu, was ich also dem Grimoire an sich nicht anlasten kann, und teilweise an den Zaubern im Grimoire selbst.
Zum ersten Punkt:
Magie ist in Cthulhu grundsätzlich eine gefährliche Angelegenheit. Es kostet nicht nur Magiepunkte, sondern in der Regel ebenfalls geistige Stabilität. Außerdem muss ein Zauber erst gelernt werden. Ihn einzusetzen, ohne ihn vernünftig gelernt zu haben, kann schwerwiegende Konsequenzen haben. Wenn das geschafft ist, bleibt die Gefahr aber recht eintänig und sehr mechanisch. Die Gefahr unterscheidet sich von Zauber zu Zauber in der Regel nur in der Menge der eingebüßten Stabilität. Weitere Effekte, wie magische Alterung, Mutationen oder das Anlocken von Mythos-Wesen sind regelseitig nicht vorgesehen. Hier kann sich die SL etwas aus den Fingern saugen, wird aber von den Regeln nicht unterstützt.
All diese Punkte treffen auch auf fast alle Zauber im Grand Grimoire zu. Wem also die grundsätzliche Handhabung von Magie in Cthulhu nicht gefällt, der wird natürlich auch mit dem Grimoire nicht glücklich.
Zum zweiten Punkt (also dem, was man dem Grimoire an sich vorwerfen kann):
Viele Zauber sind extrem spezifisch und deswegen die meiste Zeit über nutzlos oder sehr technisch und wirken eher wie "Handwerkszauber" von D&D. Teilweise sind sie auch beides. Sie passen daher nicht zu einem Horrorspielgefühl. Aber auch für einen pulpigen Stil sind sie ungeeignet, weil sie dafür meistens zu nutzlos und nicht abgefahren genug sind. Durch die Beschreibungen werden die Zauber durchaus stimmungsvoll, aber die eigentliche Spielmechanik ist in der Regel langweilig und unterstützt kein spezifisches Spielgefühl (also weder in die Horror-, noch in die Mystery-, noch in die Pulp-Richtung).
Hinzu kommt die Art, wie Zauber aufgeschrieben sind. Neben den Grundinformationen wie beispielsweise den Kosten des Zaubers finden sich die Informationen in kurzen Fließtexten. Dabei gibt es keine sofort ersichtliche Trennung zwischen Hintergrundinformationen sowie atmosphärischen Beschreibungen und harten Regeln auf der anderen Seite. Die Zauber wären wesentlich leichter im laufenden Spiel zu integrieren, wenn sie kompakter beschrieben wären, die Trennung gleich ersichtlich wäre und/oder mehr mit Auflistungen gearbeitet worden wäre.
Schließlich muss ich noch auf hohem Niveau meckern: Nutzt man als SL einen Spielstil, der sehr auf die Angst vor dem Unbekannten ausgerichtet ist, wäre es toll, wenn die Spieler:nnen grundlegende Informationen zu den Zaubern bekommen könnten, ohne dass sie direkt wissen, wie der Zauber funktioniert. Hier hätte das Buch Hilferstellungen geben können, indem es nach Informationen für die SL und die Spieler:innen trennt. Dann hätten die Spieler:innen eine Ahnung davon, was sie mit dem Zauber tun können, müssten ihn aber einsetzen, um seine Wirkung eindeutig zu bestimmen. Das wäre ein toller Anreiz für weitere Nachrforschungen und stellt die Spieler:innen vor interessante Entscheidungen.
Ein Buch mit deutlich weniger, aber dafür deutlich besser konzipierten Zaubern wäre wesentlich nützlicher. So, wie er konzipiert ist, finde ich ihn ziemlich nutzlos und sehe ihn als eine verpasste Chance an, Magie in Cthulhu wirklich interessant zu gestalten. Ich vergebe 1 Punkt.