Einige werden sich noch erinnern, dass ich irgendwann Anfang letzten Jahren im Brainstorming-Bereich Ideen für ein Rollenspiel auf Hintergrund der alten Griechen gesammelt habe. Inzwischen ist das ganze eine Weile gereift, und ich möchte mal den derzeitigen Stand vorstellen.
Kosmologie
Die Welt ist in Grundzügen so, wie es sich die alten Griechen vorgestellt haben. Allerdings habe ich hier und da einiges angepasst, wegen interner Konsistenz, Spielbarkeit und so weiter.
In der Mitte ist Gaia, die Welt, in der die Sterblichen leben - natürlich flach, aber ohne Rand, von dem man fallen kann, aber mit einem Fluss, der endlos drumherum fließt. Griechenland - genauer gesagt, der Berg Olympus - liegt im Zentrum dieser Scheibe; rundherum ist genug Platz für ganz Europa, einen Teil von Afrika und für Asien bis hinüber zu Nordwest-Indien, und im Westen im Atlantik ist auch noch für ein gewisses Inselreich Platz. Die Geographie entspricht nicht ganz dem irdischen Vorbild, etwa entspringt der Nil (wie die alten Griechen wohl dachten) in Westafrika und fließt südlich der Sahara nach Osten bis südlich von Ägypten.
Über Gaia ist Uranos, der Himmel, einschließlich des Olymps, des Heims der Götter. Unter Gaia ist Tartaros, die Unterwelt, wo die Seelen der Toten auf die eine oder andere Weise enden. Uranos, Gaia und Tartaros zusammen sind Teil des Kosmos, zusammen mit dem ganzen Rest (Helios, die Sonne, und Selene, der Mond, zum Beispiel). Um Kosmos herum befindet sich Chaos, die ursprüngliche Unordnung, aus der alles entstanden ist.
Szenario
(Der Stand der Dinge ist aus verschiedenen Perioden zwischen 1000 v. Chr und 500 v.Chr. zusammengeklaut, also wundert euch nicht über Anachronismen; außerdem habe ich neben griechischem Material auch die Aeneis als einigermaßen kanonisch mit hineingenommen)
Das Szenario ist etwa 200 Jahre nach dem Trojanischen Krieg angesetzt. Die olympischen Götter haben sich im Laufe der Trojanischen Kriegs zerstritten, und während und in den Jahren nach dem Krieg sind die allermeisten griechischen Helden getötet worden, ohne dass in größerer Zahl neue Helden auf der Bildfläche erschienen wären. In vieler Hinsicht hat sich Griechenland von einem Land der Götter und Helden in Richtung einer "normalen" Zivilisation entwickelt: Könige erlangen den Thron nicht mehr durch Heldenmut, sondern durch Erbe, Intrigen oder große Heere; Massenkämpfe von disziplinierten Hopliten ersetzen Zweikämpfe von Helden als Kern des Schlachgeschehens; überall schießen griechische Kolonien aus dem Boden, und Handel mit Münzgeld stellt den Hauptfaktor von friedlichen Beziehungen zwischen den Städten dar. Es geht also stark in die Richtung, die wie aus dem klassischen Griechenland zur Zeit der Perserkriege kennen.
Leider hat die Sache auch einen Nachteil: Griechenland braucht Helden. Es liegt eine Menge im Argen, lauter Dinge, die sich nicht von alleine regeln. Einige griechische Könige sind nicht zufrieden mit dem, was sie besitzen, und fühlen sich zum König von ganz Griechenland berufen. Überall im Land sind Banditen und Monster - wenn auch nicht so mächtige Kreaturen wie jene, gegen die Helden wie Herakles oder Theseus gekämpft haben. Und anders als früher, als sich die Griechen hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt haben (auch Trojaner und Amazonen waren ja noch ziemlich griechisch), überlappen sich jetzt die Interessengebiete verschiedener Reiche und Kulturen. Im Osten zum Beispiel expandieren die Perser und werfen bereits gierige Augen auf die griechischen Städte in Kleinasien; im Westen macht die aufstrebende Handelsstadt Karthago den Griechen Konkurrenz; versteckt in Italien sinnen die Nachkommen der Flüchtlinge aus Troja auf Rache. Und zu allem Überfluss werden die Titanen in ihrem Gefängnis unruhig und versuchen, die momentane Schwäche der Götter auszunutzen - zwar sind die Titanen nicht wirklich schlimmer als die olympischen Götter, aber in einem neuen Aufstand der Titanen ginge sicher Einiges zu Bruch - Inseln, Landstriche, Städte und dergleichen - weswegen Helden wohl eher verhindern wollen werden, dass die Titanen freikommen. Davon abgesehen, finden die Götter natürlich die fortschreitende Orientierung weg vom Göttlichen, hin zum Weltlichen nicht so doll, und versuchen ihren Einfluss darauf zu verwenden, das zu ändern - wenn sie sich denn zusammenraufen können.
Die Charaktere
Die Charaktere sind Sterbliche, teils normale Menschen, teils göttlicher Abstammung, teils Kinder von übernatürlichen Wesen (Nymphen, Satyre), die einer bestimmten mythischen Tradition folgen. Ich stelle mit diese Traditionen so ähnlich vor wie Disziplinen bei Earthdawn - nicht alle, vielleicht nicht einmal die meisten, haben klassiche Magie in Form von Zaubersprüchen, aber alle haben irgendwie eine mythische Komponente, die ihnen ihr Schutzgott gewährt. Kämpfen z.B. kann man auch ohne jede mythische Tradition, aber etwa ein Myrmidone ist schneller und tödlicher als ein normaler Krieger; ein Dieb des Hermes hat Dinge drauf, die ein normaler Dieb nicht kann, und so weiter und so fort. Daneben gibt es dann auch Traditionen, die "rein" magische Kräfte bringen, etwa Hexe oder Orakel.
Ich habe bis jetzt kein System hierfür. Grundsätzlich will ich etwas, das ein ordentliches Machtgefälle zwischen erfahrenen und unerfahrenen Charakteren ermöglicht, so dass z.B. ein Held auch mal mit einem Trupp normaler Soldaten fertig wird, ohne gleich um sein Leben fürchten zu müssen. Das spricht meines Erachtens für etwas D&D/d20-artiges, wobei da natürlich die meisten Klassen nicht wirklich passend sind. (Mazes & Minotaurs kenne ich, finde ich auch gut gemacht, aber es ist mir für das, was ich im Sinn habe, zu sehr Old School - was bei M&M ja auch Sinn der Sache ist)
Andererseits gefällt mir bei Earthdawn neben (wie angesprochen) den Disziplinen auch der Ansatz, Ruhm (in Form von Legendenpunkten) anstelle von Erfahrungspunkten zu verwenden; Karmapunkte könnten die Gunst der Götter darstellen, also ihre Bereitschaft, auch mal zu Gunsten des Helden einzugreifen. Gerade die Idee, dass Ruhm - also dafür bekannt werden, in bestimmten Dingen gut zu sein - anstatt bloßer Erfahrung den Mechanismus zum Machtgewinn darstellt, passt für mich sehr gut zur Gedankenwelt der alten Griechen (siehe etwa das Konzept der "Arete").
Magie sollte schon mächtig sein, aber nicht so extrem wie etwa per D&D-Standard; ich kann mir gut vorstellen, dass ein magielastiger Charakter im Vergleich zu D&D mächtiger anfängt (sprich: nicht ganz so schwach relativ zu Kämpfern), aber dann den Kämpfern im Laufe der Zeit nicht derart davonzieht, sondern immer vergleichbar mächtig bleibt. Außerdem sollte Magie relativ spezialisiert sein.
Also, was denkt ihr?
Ist das Setting wie beschrieben, noch griechisch genug, um in die "Alte Griechen"-Nische zu passen? Oder habe ich es irgendwo verbockt?
Was muss ein System noch können, um Abenteuer in diesem Setting richtig ´rüberzubringen? Habt ihr konkrete Vorschläge, welche Teile von welchen Systemen ich mir ansehen sollte?
Habt ihr sonst noch irgendwelche Anmerkungen? Lob (immer gerne gesehen ;-))? Kritik?