Thema: [We Are All Mad Here] Allgemeine Diskussion

[kagozaiku]

Nachdem ich mir vor einigen Tagen u.a. We Are All Mad Here gekauft habe und eine der Reaktionen darauf war, dass die Cypher-Bücher allgemein echt gut sind, aber We Are All Mad Here "erstaunlicher und nahezu komplett nutzloser Müll ist" und ich darum gebeten wurde, meine Meinung abzugeben, habe ich diesen Thread eröffnet.

Zum jetzigen Zeitpunkt (ich habe das Buch heute erst erhalten), habe ich bisher nur einmal kursorisch durchblättern und querlesen können. Dabei ist mir noch nichts außerhalb der Reihe aufgefallen. Mein erster Eindruck war eher positiv. Aber ich bin auch noch nicht so vertraut mit dem Cypher-System und anderen Büchern aus der Reihe und kann daher möglicherweise nicht abschätzen, inwiefern das Buch hinter anderen Cypher-Büchern von Monte Cook Games zurückbleibt.

Wer von euch hat das Buch etwas ausführlicher angeschaut und wie ist eure Meinung dazu?

[postkarte]

Vom reinen Lesen fand ich das jetzt nicht schlecht. Gespielt habe ich es aber nie und wäre auch an Erfahrungen interessiert.

[Sgirra]

Morgen gerne mehr, aber unterm Strich ist We Are All Mad Here eines der besten Zusatzbücher, die für Cypher herausgekommen sind.

[Sgirra]

Ich vergleiche We Are All Mad Here vor allem mit den anderen Büchern der Genre-Toolbox-Reihe (Stay Alive!, The Stars Are Fire, Godforsaken und Claim The Sky). Alle fünf sind toll, alle fünf sind anders, und aus diesen fünf sticht WAAMH für mich am meisten hervor. Erstmal, weil das Genre ein bisschen spezieller ist als bei den anderen Büchern. Es ist ja nicht ein Feenband, sondern ein Alice-Toolkit. Und es beleuchtet das schwierige Feld psychischer Erkrankungen mit großer Sorgfalt, ohne in Klischees zu ersaufen oder dabei belehrend zu sein. Im Gegenteil, ich empfand es als sehr inspirierend!

Es ist wild, es ist bund (nicht nur im Layout) und es ist weird (was ich sehr mag). Ich mag allerdings generell solche Geschichten, vor allem mehr als klassische Fantasy. (Von den fünf genannten Büchern rangiert Godforsaken aus dem untersten Platz.)

Allerdings kann ich verstehen, dass aufgrund der Themen und des Settings das Buch nicht bei allen Anklang findet. Es gleich als “erstaunlicher und nahezu komplett nutzloser Müll” so bezeichnen, ist polemisch. “Ich kann damit nichts anfangen” würde ich hingegen verstehen. Für mich ist es ein tolles und absolut nützliches Buch, aus dem ich schon viel Inspiration für verschiedene Oneshots und andere Spiele ziehen konnte.

[aikar]

Ich fand We are all mad here von einem rollenspieltheoretischen Standpunkt aus, gerade im Umgang mit psychischen Erkrankungen, interessant zu lesen. Der spieltechnische Nutzen für mich war aber sehr überschaubar bis nicht vorhanden und das Setting und die Szenarios waren mir zu schmal. Ich mag es eigentlich grob beschrieben, Numenéra war für mich perfekt. Aber We are mad here hatte da einfach zu wenig, um den Punkt zu überschreiten, dass ich gesagt hätte, "da mach ich was damit".

Sqirra schreibt ja, es ist eine Genre-Toolbox-Reihe. Unter diesem Gesichtspunkt macht es wohl, was es soll. Aber es ist nichts, was man alleinstehend her nehmen und einfach los leiten kann.
Ich werde es wahrscheinlich wieder heranziehen, wenn ich in einem anderen Wunderland-Setting irgendwas machen sollte, aber nur als Ergänzung. Und momentan hab ich kein solches Setting (das mich durchaus interessieren würde, deshalb hatte ich mir ja We are all mad here eigentlich geholt) zur Hand.

Zusatz: Ich denke mich interessieren sowohl der ernsthafte Umgang mit psychischen Erkrankungen als auch locker-weirde Alice-Fantasy. Aber ich würde sie nicht kombinieren. Das schränkt den Nutzen des Bandes für mich weiter ein.

[Colgrevance]

Es gleich als “erstaunlicher und nahezu komplett nutzloser Müll” so bezeichnen, ist polemisch. “Ich kann damit nichts anfangen” würde ich hingegen verstehen. Für mich ist es ein tolles und absolut nützliches Buch, aus dem ich schon viel Inspiration für verschiedene Oneshots und andere Spiele ziehen konnte.

Wer sagt denn sowas, bzw. vor allem: warum?

Ich überlege noch, ob das Buch etwas für mich ist und wäre dafür durchaus an einer (informativen) negativen Kritik interessiert; auf jeden Fall Danke an Sgirra und aikar für ihre Meinungsäußerungen. Kann denn jemand erläutern, was We Are All Mad Here zu solchem "Müll" macht?

[aikar]

Die Bezeichnung als "nutzlosen Müll" finde ich deutlich übertrieben. Die Frage ist, was man sich von dem Band erwartet.
Wie gesagt, wer ein fertiges Wunderland-Setting haben will, wird enttäuscht werden. Ebenso alle, die unbeschwerte leichte Lektüre haben wollen.

Es ist ein Baukasten für Selberbauer, die Informationen zu weirden Märchensettings haben wollen und bereit sind, viel eigene Arbeit und Kreativität zu investieren, und die Regeln, um solche Settings mit dem Cypher System zu bespielen. Der beste Vergleich, den ich habe, sind die Genre-Bücher von GURPS.
Dazu gibt es einiges an Informationen zu tatsächlichen psychischen Erkrankungen und dem sensiblen Umgang damit, ebenso mit anderen problematischen Themen wie verschiedenen -ismen in klassischen Märchen. Das Buch ist auch allgemein sehr auf Diversität bedacht, so gibt es z.B. zumindest eine (wie ich finde sehr gute) Illustration eines Transgender-Charakters.
Wer ein Problem mit "political correctness" hat, könnte sich also von dem Buch getriggert fühlen (das ist dann aber meiner Meinung nach das Problem dieser Person), wodurch das Buch im oft aufgeladenen Umfeld der sozialen Netze wahrscheinlich keinen leichten Stand hat.

Ihr habt es mit dieser Diskussion auf jeden Fall geschafft, dass ich das Buch jetzt aus dem Regal nehmen und nochmal lesen werde

[Colgrevance]

Danke, dass du meine Frage aufgreifst, aikar, aber diese war eigentlich an den Urheber des "Müll"-Zitats gerichtet oder doch zumindest an diejenigen, die das Buch offenbar deutlich weniger abgewogen bewerten als du. 

Oder sind die Kritikpunkte (political correctness, Genre- statt Settingband) aus dem Kontext des Zitats? Ich habe leider keine Ahnung, wo das herkommt... Das würde es mir die negative Sicht zumindest erklären.

[kagozaiku]

Ich will niemanden ins Messer laufen lassen und auch nicht in Abwesenheit spekulieren, wie man zu dieser Einschätzung kommen könnte. Daher kann ich dazu leider weiter nichts sagen und habe vielleicht durch meinen Eingangspost, auch wenn es ein teilweise wörtliches Zitat war, ungünstigerweise schon ein Framing vorgenommen, dass es schwer machen könnte, als Urheber*in der Aussage jetzt noch in die Debatte einzusteigen.
Ich persönlich bin von der Menge an Materialien jedenfalls positiv überrascht. Ich finde es zudem enorm produktiv, dass man nicht nur Märchen, sondern auch Folklore, Mythen, Urbane Legenden etc. mit einschließt, um einen möglichst breiten Korpus an Ideen zu haben, aus denen man schöpfen kann.