Autor Thema: [Diskussion] RPG-Entwicklung für Unbedarfte  (Gelesen 2134 mal)

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Offline Yoscha

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[Diskussion] RPG-Entwicklung für Unbedarfte
« am: 11.07.2004 | 13:02 »
Es wäre mal interessant zu erfahren, wie ein Mensch, der bisher nur freies Rollenspiel geleitet hat, an ein geregeltes System herangehen würde. Wäre eventuell sogar ein Experiment wert. Nur sind auch diese Menschen durch PC-Spiele, Erzählungen usw. beeinflusst.
Erst einmal vorne weg,  meine Erfahrungen mit RPG sind um es auf den Punkt zu bringen ziemlich gering, vor 9(?) Jahren mal ein wenig DSA (was mir nicht unbedingt gefiel), diverse PC-Spiele, rollenspielende Bekannte und die Zwangskonfrontation mit RPGs beim Beschäfftigen mit Weltenbau.

Was ist für mich Rollenspiel? Imho das gemeinsame Erleben/Spielen einer Geschichte aus der Sicht bestimmter "Rollen", diese können Charaktere, Autos, Konzerne* oder etwas völlig anderes sein. Ein Spielleiter (oder wie man ihn auch nennen will) ist nicht zwingend erforderlich, bei bestimmten Arten von Geschichten aber empfehlenswert (klassische & heroische Fantasy, Horror, Mystery), möglich wäre auch eine Aufsplittung der Spieler in zwei (oder mehr Gruppen) die 'Protagonisten' und die 'Antaginisten' (bei einer Agentengeschichte wäre die Pros z.B. CIA-Agenten und die Antis Teil eines Internationalen Sydikats).

Wenn ich Regeln einführe, was sollten sie können?
-Dinge vergleichbar machen (wozu für mich auch die Fragen gehören wie "Schaffe ich es?", was imho immer auf einen Vergleich hinausläuft).
-die gewählte Rolle unterstützen und abeschreiben, ohne sie zu sehr einzuengen (bzw. sie nur durch die Gegebenheiten des gewählten Settings einzuengen).

Optional und imho nur in bestimmten Settings sinnvoll:
-Simulation des Zufalls (sei es durch würfeln, Karten ziehen oder Schnich-Schnack-Schnuck)
-Entwicklung der Rolle in "Werte" fassen (was bei einigen Rollen/Settings imho schlicht nicht nötig ist)


*Wenn man sich an einen Tisch setzt und als Konzern A, B und C Aktienpakete tauscht und Übernahmen kleiner Firmen plant ao fällt das für mich auch schon unter Rollenspiel.

Eure Meinung zu meiner Meinung?

(Etwas kurz, aber ich muss Essen :)).



Eyeless: Titel abgeändert
« Letzte Änderung: 28.07.2004 | 18:08 von Eyeless »

Offline Roland

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Kann man durchaus so stehen lassen. :d
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Offline Yoscha

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Ein Versuch
« Antwort #2 am: 13.07.2004 | 12:56 »
Alle verfügbaren unbedarften Deppen schreiben mal ein Rollenspiel.

So mal der Versuch eines "Systems" auf Basis dieser Vorüberlegungen, es ist nicht wirklich settingspezifisch jedoch ein wenig auf meine Welt Yoschanon zu geschnitten, erhebt auch keinen Anspruch darauf universell zu sein; eben einfach nur ein Versuch von jemanden der von den diversen Systemen keine Ahnung hat.

Setting?
Scientific-Romance-Fantasy; Jules Verne mit Elfen, Zwergen, Zauberern und (von Großwildjägern dezimierten) Drachen; man will unentdeckte Gebiete erforschen, sich auf dem Parkett der Fürstenhöfe nicht blamieren und nebenbei die Frau/Mann seines Lebens finden.

-Vergleichbarkeit
Wir geben jedem Charakter vier Basiswerte zwischen 1 und 5 als Grundlage: Körper, Geist, Seele und Status; Körper steht für alles körperliche, Stärke, Reflexe, Ausdauer, etc. ; Geist für Bildung, Rhetorik, Intelligenz; Seele ist ein Zugeständnis an den Fantasy-Teil und dient als Indikator für Magie, Parapsychologie, Intuition, den 6.Sinn,...; Status steht für Ansehen, Reichtum, Geld, gesellschaftlicher Rang.
Auf diese können 10 bis 15 Punkte verteilt werden (wenn man überhaupt eine Begrenzung wünscht).

-die gewählte Rolle unterstützen und beschreiben
Die Charaktere werden nun über ihre Besonderheiten definiert; als erstes ihre Herkunft (z.B. Armenviertel in Maladon, Sss'asim-Patrizier aus Matam,...), als zweites ihre "Ausbildung" (überleben in den Slums, Tochter aus reichem Haus, Soldat in der xeandrischen Fremdenlegion,...). Diese beiden Punkte dürfen ruhig etwas allgemeiner gefasst sein.
Als weiteres folgen nun 10(?, nur ein Vorschlag) spezielle Dinge die den Charakter ausmachen, sei es duelliert sich oft, Pokerspieler, Weinkenner, Interesse an Archäologie, kann Dinge entflammen, geht gerne auf Jagd,....

Sollte es nun zu einem Vergleich kommen so nehmen wir den passenden Basiswert, z.B. Eintreten einer Tür -> Körper; Hellsehen->Seele und addieren für jedes irgendwie passende Besonderheit 1 (für ganz besonders treffende vlt. auch 2).
Anmerkung, der Spieler kann sowohl Basiswert als auch passende Besonderheiten relativ frei wählen, er muss lediglich (gut) begründen können warum es passt. Beispiel, ein Schuss mit einem Gewehr, Charakter A meint ich schieße schneller als mein Schatten-> Basiswert Körper, Charakter B meint ich ziele gezielt auf die Stelle von der ich weiß, dass es weh tut -> Geist, Charakter C meint ich spüre seine Aura und richte mein inneres Auge auf das Ziel -> Seele.
Und wenn der Charakter erklären wie er mit Hilfe seines Wissens über Physik die Tür aus den Angeln hebt (z.B. durch Hebelwirkung) so kann er selbstverständlich die besonderheit Physiker zum Vergleich heranziehen.
Um eine sehr leicht Aufgabe zu lösen muss man z.B. 4 Punkte erreichen, mittlere 6, für eine sehr schwere 8, schafft man es diese Punktzahl zu erreichen, so hat man Erfolg, schafft man eine Erfolsstufe zu wenig (z.B. nur 6 oder 7 anstelle von 8) so hat man Komplikationen.

Zusätzliche Optionen:
-Schaden
Schaden wird direkt auf die Basiswerte verrechnet und wird bei dem Scheitern eines potentiell schadensträchtigen Vergleichs fällig (oh Gott absolut schwammiger Begriff). Körperlicher Schaden steht für Wunden, Verletzungen,...; geistiger für Erschöpfung, Ablenkung, Burn-Out,...; geistiger für "metaphysischen" Schaden, Angst, Schock, Wahnsinn,...; Status-Schaden für Geldverluste, unehrenwertes Verhalten,...
Liegt ein Basiswert auf 0 ist erst mal Schluss, Körper 0->Krankenhaus, ärztliche Behandlung; Geist 0-> Urlaub und Erholung; Seele 0 -> psychologische Behandlung, ein Monat im Kloster; Status 0 -> Geld verdienen, Kontakte knüpfen lässt keine Zeit für andere Handlungen. Sollte der Wert sogar unter 0 fallen ist der Charakter weg, Körper<0 -> Tod, Geist<0 Nervenzusammenbruch, Seele<0 -> Irrenanstalt, Status<0 -> Armenhaus, Gefängnis, Bankrott.

-Simulation des Zufalls
Anstelle einfach die Besonderheiten zu den Basiswerten hinzuzuaddieren, ziehen wir für jede passende Besonderheit eine Karte (Rommé-Blatt, 2 bis As, Joker), jede Basiseigenschaft ist einer Farbe zugeordnet Körper=Kreuz, Geist=Pik, Herz=Seele, Karo=Status; man addiert nun den Wert höchsten passenden Karte zum Basiswert

-Der Antagonistenspieler
...ist kein Speilleiter, kein omnipotenter Quasi-Gott. Die Spieler spielen ihre Charaktere, der Antagonistenspieler besitzt einen Pool an Antagonisten (vom Evil-Mastermind über die Femme Fatale bis zum Namenlosen Schläger) mit denen er in die von den Charakteren entwickelte Geschichte eingreift und im Hintergrund die Föden spinnt. Er ist dabei jedoch genauso an die Gegebenheiten seiner Charaktere gebunden wie die Protagonisten-Spieler auch, das heißt wenn die Protagonisten einen überraschenden Schritt unternehemen kann er genauso ins Schwitzen kommen wie vice versa.


letzte Anmerkung: Und wirklich zufrieden bin ich nicht, am liebsten würde ich die Regeln ganz sein lassen; die Basiswerte kann man vielleicht auch weglassen, die Anzahl der Besonderheiten von der Relevanz des Charakters für die Geschichte abhängig machen (Statisten haben 2,3 Besonderheiten, das EvilMastermind und Helden vlt. 20) und irgendwie habe ich keine Ahnung ob das ganze irgendwie anwendbar ist, allzu durchdacht ist es schonmal nicht.

Offline Fredi der Elch

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Vorneweg: Gar nicht so übel! :) Ich würde es jedenfalls nicht sofort in die Tonne kloppen. ;) Besonders der reine Karma-Ansatz (d.h. kein Zufall) ist etwas, was fast kein anderes Rollenspiel macht.

Aber: es ist noch extrem schwammig. Ich liste mal einige Fragen / Probleme auf, die mir so spontan einfallen.
- Was bedeutet Antagonistenspieler? Gibt es einen Spielleiter? Wie ist deren Beziehung? Soll der Antagonistenspieler gewinnen? Wenn ja, wie sind seine Ressourcen beschränkt? Der Teil hört sich spannend an, ist mir aber überhaupt nicht klar.
- Wenn die Spieler den Basiswert quasi frei wählen können, sehe ich dieselben SC immer diesebeln Werte verwenden. Und bei der Erschaffung kann man alle Punkte auf einen Basiswert tun. Ist das Absicht?
- Wann genau nimmt man Schaden? Wann nicht? Wie wird er geheilt?
- Können Charaktere zusammenarbeiten, um etwas schweres zu erreichen? Wie?
- Kann das Herangehen an einen Konflikt Boni bringen? Oder kann ich einen gegner mit Kampfkraft 9 nicht besiegen, wenn ich nur 7 habe, auch wenn ich mich auf den Kopf stelle?
- Wer legt die Schwierigkeiten für die Hindernisse fest? Der SL? Wenn es keinen Zufall gibt und der SL die SC kennt, weiß er doch genau, was sie schaffen und was nicht und kann die Schwierigkeit dementsprechend setzen. Warum also den ganzen Aufstand und nicht gleich: "Der SL entscheidet, ob Du es schaffst"?

Das sind so die ersten Dinge, die mir aufgefallen sind. Aber nochmal: gar nicht schlecht! :)
Where is the fun at? - The rules should tell me clearly - And how to get there
- Don't try to make me feel like I live there, make me care about it. -

Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

Ein

  • Gast
Ein sehr gutes Konzept, dass sich wohl mit etwas ausführlicheren Erklärungen sofort einsetzen lassen könnte. Ich geb dir eine 1 dafür. ;D


Offline Yoscha

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Aber: es ist noch extrem schwammig.
Stimmt  ;)
Zitat
- Was bedeutet Antagonistenspieler? Gibt es einen Spielleiter? Wie ist deren Beziehung? Soll der Antagonistenspieler gewinnen? Wenn ja, wie sind seine Ressourcen beschränkt? Der Teil hört sich spannend an, ist mir aber überhaupt nicht klar.
Nein, es gibt keinen Spielleiter (ein Konzept dass mir für dieses Setting nicht passt, für andere hingegen schon). Anstelle dessen schwebt mir eine Art "Erzählkollektiv" vor, d.h. jeder Spieler kann mit seinem Charakter (oder auch Charakteren) den Lauf der Geschichte im gleichen Rahmen verändern. Der Antagonistenspieler übernimmt nun einfach die Rolle der "Bösen", die sich den Protagonisten in den Weg stellen. Er besitzt meist mehrere Charaktere über die er Einfluss auf die Geschichte nehmen kann. Ich gehe davon aus, dass unter den Spielern/Erzählern ein gewisser Konsens über den groben Verlauf der Geschichte besteht (z.B. in 80 Tagen um die Welt), ebenso über die Setting-Konventionen; der Antagonistenspieler soll mehr für überraschende Wendungen sorgen und die Protagonisten ins Schwitzen bringen, um am Ende einen spektakulären Abgang des Antagonisten zu bieten, weniger die Protagonisten aufhalten (wobei es sich hier um eine Setting-Konvention handelt, der "Erzählleitfaden" soll eben auch recht settingbezogen sein und nicht universell, für heroische, epische Standard-Fantasy ist dann eben D&D [soweit ich es aus NWN kenne] geeignet). Die Beschränkung des Antagonisten-Charakters ist die Beschränkung des Antagonisten-Spielers (z.B. könnte Dr.Moriarty nie eine Horde mechanischer Killerafffen gegen Sherlock Holmes ins Feld führen, oder Bruno der dumme Schläger wird nicht auf die Idee kommen der Polizei gefälschte Beweise zuzuspielen).

Zitat
- Wenn die Spieler den Basiswert quasi frei wählen können, sehe ich dieselben SC immer diesebeln Werte verwenden. Und bei der Erschaffung kann man alle Punkte auf einen Basiswert tun. Ist das Absicht?
Wer will kann eben Mr.Perfect spielen, solange es ihm (und dem Rest) Spaß macht. Alle Punkte auf einen Basiswert eigentlich nicht
Zitat
vier Basiswerte zwischen 1 und 5 ...Auf diese können 10 bis 15 Punkte verteilt werden
, wobei mir beim Lesen nicht klar wird ob der erste Punkt kostet *überleg, handwedel*, ja der kostet auch. Wieviele Punkte sollte man je nach Bedarf festlegen, je nachdem ob man jetzt Adlige von der Eliteuni oder arme Kerle aus der Gosse spielen möchte.
Zitat
- Wann genau nimmt man Schaden? Wann nicht? Wie wird er geheilt?
Ja, tut man  ::). Da ich Schaden und Kampf für das Setting als minderwichtig einstufte...
Prizipiell bei Vergleichen, bei denen der gesunde Menschenverstand sagt, "hier kann doch was wirklich schlimmes passieren", bei dem Versuch eine Mauer ohne Absicherung zu erklimmen oder in einem Duell, beim Beschwören von Dämonen, 48 Stunden auf Achse ohne Pause, Ausgaben weit über den eigentlichen Möglichkeiten,...; zur Heilung, wie es zur Geschichte passt (gerade hier geht für mich der Spaß am Erzählen über solche "Kleinigkeiten")
Zitat
- Können Charaktere zusammenarbeiten, um etwas schweres zu erreichen? Wie?
Zitat
Ja, ein Charakter kann einem anderen seine Besonderheiten für einen Vergleich "leihen" solange es in die Geschichte passt, Chrakter A versucht einen antiken Text zu entziffern und fragt Charakter B nach seinem Wissen über diese antike Kultur, er erhält B's "kennt antike Kultur von X" Besonderheit. Alternativ können sogar Basiswerte zusammengelegt werden, Professor konstruiert mit Geist ein Hebelsystem und Muskelprotz stemmt mit diesem die Tür auf; ein Dieb der versucht ein Schloß zu knacken kann hingegen nicht mit dem Muskelprotz kooperieren, der einfach versiucht die Tür aufzubrechen, sie ständen sich im Weg.

Zitat
- Kann das Herangehen an einen Konflikt Boni bringen? Oder kann ich einen gegner mit Kampfkraft 9 nicht besiegen, wenn ich nur 7 habe, auch wenn ich mich auf den Kopf stelle?
Auf dem so gewählten Weg ist der Gegner dann nicht zu besiegen, die Lösung wäre ein alternatives Herangehen; im offenen Konflikt mit dem Gegner habe ich keine Chance, also lege ich einen Hinterhalt; oder ich versuche irgendwie die Kampfkraft des Gegners zu verringern, z.B. in dem man versucht ihn in Grund und Boden zu debattieren, ihn an seine schlimme Kindheit oder verflossene Liebe erinnert,... Man könnte hier gewissermaßen temporäre Besonderheiten einbauen, wie z.B. liegt im Hinterhalt, laucht konzentrirt, hat Wörterbuch griffbereit,...
Zitat
- Wer legt die Schwierigkeiten für die Hindernisse fest? Der SL? Wenn es keinen Zufall gibt und der SL die SC kennt, weiß er doch genau, was sie schaffen und was nicht und kann die Schwierigkeit dementsprechend setzen. Warum also den ganzen Aufstand und nicht gleich: "Der SL entscheidet, ob Du es schaffst"?
Die Werte sollen keine sklavisch zu befolgende Restriktion sein, sondern lediglich ein Leitfaden für die gemeinsame Erzählung; die Schwierigkeit setzt der Konsens der Erzählenden.



Ein

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Zitat von: Yoscha
Der Antagonistenspieler übernimmt nun einfach die Rolle der "Bösen", die sich den Protagonisten in den Weg stellen. Er besitzt meist mehrere Charaktere über die er Einfluss auf die Geschichte nehmen kann.

Damit wäre er ein Spielleiter, wobei hier allerdings Player Empowerment eingesetzt wird.