Ich will auch mal meinen Senf abgeben. Allerdings ohne dein System zu kritisieren Parcival, weil ich mich generell der letzten Meldung von Boba dahingehend anschließe!
Ich für meinen ganz persönlichen Teil bin kein echter Freund dieses Wegfalls aller Regeln. Den gesamten Bereich meiner Spielererfahrungen lasse ich jetzt mal ebenso außen vor wie allgemeine Aussagen über Rollenspieler. Ich beschränke mich auf meine SL-Erfahrungen:
Bislang war ich immer derjenige (zumindest in dauerhaften Konstellationen) der sich am besten im jeweiligen System auskannte. Daher konnte ich viele Situationen leicht in meinem Kopf bewältigen.
Wenn es sehr wahrscheinlich ist, daß jemand eine komplexere Aktion mit mehreren inbegriffenen Würfelwürfen schaffen wird lasse ich ihn nur einmal die Würfel schwingen um das Zufallselement zu bewahren. Denn es könnte immerhin ein Patzer oder ein kritischer Erfolg entstehen. Derartige Würfe laufen ebenso wie meine SL-Würfe im Hintergrund ab. Mit einer Geste kann ich einem Spieler bedeuten zu würfeln und ihn trotzdem weiter erzählen lassen. So entsteht eine durchaus realistische Spannungssituation, die vergleichbar ist mit dem realen Moment einer Handlung, in dem man erfährt ob etwas funktioniert oder eben nicht. Das Geklapper der Würfel hat dann durchaus etwas 'Schicksalhaftes' und trägt eher zur Stimmung bei, als das es sie zerstört.
Ebenso verhält es sich im Prinzip in Kämpfen. Aufgrund meiner profunden Regelkenntnisse kann ich einen Spieler seine Aktion in aller Farbigkeit schildern lassen und im Kopf einen angemessenen Modifikator vergeben, den ich dann auf seinen Würfelwurf anwende. Das stört nicht den Ablauf und erhöht durchaus die Stimmigkeit, denn anhand des Würfelergebnisses schildere ich danach die Auswirkungen der Handlung.
Situationen in denen jemand fragt wieso er getroffen wurde oder nicht getroffen hat entstehen so überhaupt nicht, denn es liegt ja ein Würfelergebnis vor. Andererseits würden solche Situationen bei meinen Spielern durchaus entstehen, wenn kein 'Vertreter de Schicksals' in Würfelform dabei wäre. Denn meine Spieler gehören zu den Menschen, die auch im wirklichen Leben dem Schicksal von Zeit zu Zeit die Frage stellen, warum etwas nicht funktioniert hat obwohl es doch hätte klappen müssen...
Ich habe sehr komplexe Regeln nie als Stimmungskiller empfunden, weil ich nie verlangt oder erwartet habe, daß meine Spieler sie anwenden. Der SL wendet sie an. Und er tut das im Kopf. Und da es für meine Spieler nachvollziehbar (und in besonders wichtigen Situationen auch nachlesbar) ist vertrauen sie meiner Kenntnis und Auslegung. Sie haben nicht das Gefühl willkürlich behandelt zu werden, weil ich mich nach einem System richte, in dem SC's und NSC's gleich sind. Jede der Regeln betrifft jeden und niemand wird bevorzugt oder benachteiligt.
Würde ich aber rein willkürlich entscheiden und es gäbe keine detaillierten Regeln, würden sich meine persönlichen Gefühle darin niederschlagen. Kein Mensch kann zu 100% objektiv sein und ich würde es den SC's wahrscheinlich zunächst zu leicht machen und die Situation dann zu stark erschweren um das wieder auszugleichen... Oder etwas in der Art.
Eine Anmerkung noch zu einer deiner Eingangs gemachten Kernaussagen: Du meintest, daß selbst ein hochdetailliertes System nicht jede Situation regeltechnisch erfassen könne. Ich stimme dir zu.
Aber komplexe Systeme schaffen Präzedenzfälle, die mir bei Entscheidungen in Zweifelsfällen helfen. Ich war mit meinem aktuellen System noch nie in einer Situation ohne Regeln
oder einen Präzedenzfall.
Aber das alles bitte nicht als Kritik verstehen, sondern als persönliche Sichtweise des Rollenspiels. Als Schilderung meiner Erfahrungen zur Bereicherung deines Wissensschatzes, ebenso wie ich deine Ausführungen meinem Wissensschatz hinzufüge…