Ich denke es hängt stark davon ab wie viel von Hollywood als Realismus angesehen wird, aber ich sehe einfach keinen großen Unterschied zwischen Comics und Filmen. Und daher auch nicht wie sich Feld Wald und Wiesen Fantasy jetzt unterscheidet? Kann mir das einer erklären?
Aber gerne.
Es gibt verschiedene Arten von Fantasy, ebenso wie es verschiedene Arten von Filmen gibt. In Geschichten (sei es Comic, Film oder Roman), die eine starke Betonung auf Action und phantastische Vorgänge auf einer epischen Skala ausgelegt sind (z.B. Record of Lodoss War, X-Men, Justice League, Wild Wild West, James Bond u.a.), gelten andere Regeln bezüglich der Sterblichkeit. Schergen und Gefolgsleute sterben wie die Fliegen aber die Helden nur dann, wenn es einem dramaturgischem Zweck dient (7te See hat das ja zum ausformulierten Regelbestandteil erhoben) und dann auch nicht einsam und verlassen in einer Gasse sondern mitten im Spotlight der Handlung. Darüberhinaus ist jeder vorkommende Charakter, der auch nur eine Sprechrolle hat, überraschend tough und hält deutlich mehr aus als Otto Normalo. Dennoch ist der Schuss aus einer Pistole für den normalen Menschen meist ziemlich tödlich. Jedoch rettet ihn meistens irgendjemand, bevor er seinen Verwundungen erliegt.
In Geschichten mit einer etwas subtileren Skala, die mehr auf epische Geschichte und gänzlich irdische und nahe Probleme ausgelegt ist (z.B. Herr der Ringe, der 13. Krieger, Erdsee, Odyssee im Weltraum, Blake & Mortimer u.a.) ist das Prinzip der Sterblichkeit ein ganz anderes. Da es die großen, übermächtigen Kräfte, wie in anderen Geschichten, hier nur bestenfalls als Kulisse gibt, wird jedes persönliche Leid auf einer wesentlich defizilieren Skala gemessen. Hier ist es relevant, ob der Held sich im Kampf schwer verwundet oder nur eine leichte Schnittwunde eingehandelt hat (epische Helden bemerken solche Wunden nicht einmal und sterben auch nicht an Blutvergiftung durch rostige Klingen - wie unheroisch wäre das denn?). Hier misst man viele kleine, beinahe mikroskopische Effekte auf sehr detailiierten Werteskalen, da es das kleine Sandkorn im Uhrwerk ist, das alles entscheiden kann. In diesen Geschichten geht es ja auch meist um den kleinen, unbedeutenden Held, der am Ende großes bewirkt. In diesen Settings kann aber jeder recht schnell und unspektakulär das Zeitliche segnen. Rollenspielseitig sind hier D&D, DSA, Palladium FRPG und andere "klassische" Fantasy-RPGs die Genrekönige.
Das MURPG gehört jedoch eindeutig zur ersten Gruppe. Eine Verletzung ist erst relevant, wenn sie einen Normalo schon getötet hätte (und für Normalos gilt - entweder Ende der Geschichte oder wundersame Rettung). Der Rest wird erzählerisch erwähnt, spielt aber für die Werte keine Rolle. Das ist im Hochstrom-Fantasy nunmal so.
Stärke, Geschick etc. sind ebenfalls nur nennenswert, wenn sie die epische Skala erreicht haben. Ebenso ist es halt so, das Normalos einfach nur eine sehr geringe Toleranz gegenüber Pistolenkugeln, herabstürzenden Häuserdächern und geworfenen Autos haben. Du kannst jemanden mit einem Schwertstreich niederstrecken. Das man mehrere überlebt ist eigentlich selten der Fall und nicht sehr realistisch. Insofern ist es durchaus in Ordnung, wenn man mit einem Schuss z.B. niedergestreckt werden kann. Das wäre "in echt" genauso. Helden in Marvel können dafür KO gehen, anstatt zu sterben und das ist schon ziemlich heroisch.
Also, das was wir meistens unter "Fantasy" verstehen, ist die zweite Kategorie. Helden leben in einer phantastischen Welt und sind nur deshalb sehr tough, damit sie einen großen Spielraum zum leiden und erliegen an exotischeren Verletzungen haben. Bei einem System, wo Charaktere mehr als 100 HP haben können, ist klar, das die Entwickler wollten, dass das Blut spritzt.
Im Superhelden-Fantasy gibt es diese Leidenstour nur, wenn sie der Handlung dient und dann auch erst an einem Punkt, wo der Helde keine HP mehr hat (was ihn nicht davon abhält noch eine flammende Rede zum Abschied zu halten, bevor er endlich die Augen zumacht). Hier sind erst Schläge bemerkenswert, die einem Helden der ersten Gruppe die Hälfte seiner LP gekostet hätten. Es gibt keine Feinskala für Verletzungen und Fähigkeiten, da sie nicht relevant ist. Solche Details interessieren den Zuschauer nicht - er wartet auf die nächste Explosion und wie der Held unter den Torpedos des Bösewichts hinwegtaucht. Etwas, was im MURPG jeder Char könnte aber in anderen Systemen nur wenige. MURPG ist kein Strategiespiel, wie D&D, sondern ein Erzählspiel wie 7te See (wo einen kleinliche Details in Werten und Fähigkeiten meist auch nicht kümmern).
Worauf ich hinauswill, und scheinbar wird das nicht sehr deutlich, ist, das man im MURPG bereits Normalo-Helden spielen kann ohne irgendetwas an den Regeln zu verändern.
Was sich nicht verändern lässt, ist die Natur des Genres, für das das Spiel entwickelt wurde. Mit Deinen 3 Steinen in Strength oder Agility kannst Du alles machen, was Du als normaler Mensch halt machen kannst. Das funktioniert wunderbar. Jedoch wirst Du sterblich bleiben. Du wirst nicht, wie z.B. in Palladium, Verletzungen ertragen, die einen normalen Menschen gekillt hätten, nur damit Du episch leiden kannst. Natürlich kannst Du das - aber dafür braucht man in Marvel keine Werte. Spiel es einfach aus. Wenn der Angriff in die Toughness ging oder ein Stein Health verloren ging, kann das schon Schnitte, Verbrennungen und schwere Verletzungen bedeuten. Auch James Bond wäre tot, wenn er neun Steine Schaden nimmt - sozusagen.
Wenn Euch das nicht genug Feinpräzision hat, würde ich wirklich empfehlen, es mit einem anderen System zu versuchen.