Autor Thema: [Fading Suns] Das Dorf (Oneshot)  (Gelesen 1619 mal)

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Offline Enkidi Li Halan (N.A.)

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[Fading Suns] Das Dorf (Oneshot)
« am: 12.02.2006 | 14:24 »
Folgender Text ist die Zusammenfassung unseres Fading Suns-Oneshots von gestern Abend, der sich recht spontan entwickelte und sehr genial lief; unser SL hat ein sehr stimmungsvolles Setting beschrieben und uns Spielern einmal einen ganz anderen Einblick in die Welt von FS nehmen lassen; aus der Sicht von jungen Leibeigenen sieht alles irgendwie anders aus, als wir es gewohnt sind ;-)
Zu der etwas verwunschenen Sommerstimmung auf Gwynneth habe ich den Soundtrack von "The Village" laufen lassen, der wunderbar zur Handlung passte. Spieler und SL haben sehr stimmungsvoll gespielt und allgemein kam eine sehr dichte Atmosphäre auf. Ich hab jetzt wieder voll Bock auf spielen udn spielleiten und werde mich in Kürze ans plotten für einen Oneshot machen :-)

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Werter Freund,

Du hast mich oft gebeten, dir zu erzählen, warum ich den Weg eingeschlagen habe, den ich nun beschreite, den Weg des Glaubens, der mich an die finstersten Orte der Schöpfung unseres gnädigen Herrn bringt, an jene Orte, die an der Schwelle zum Bösen liegen, das bekämpft und dessen Voranschreiten Einhalt geboten werden muss. Du fragtest mich, woher meine Gewissheit stammt, dass das was ich sage wahrhaftig ist und meine Handlungen gerecht sind.
Ich sage dir nun, dass es eine solche Gewissheit nicht gibt und dass auch ich gegen den Zweifel nicht gefeit bin, den Zweifel, der dem Glauben an die Gerechtigkeit des Allschöpfers gegenüber steht. Wir sind Menschen und uns wird immer der Fehler der Menschlichkeit anhaften, wenn es darum geht unsere Entscheidungen abzuwägen. Diesen Ratschlag möchte ich dir geben, mein Freund: höre auf dein Herz, wenn du über andere Menschen richtest, denn das Herz ist dem Spiegel am nächsten. Aber wisse auch, dass das Herz, wie der Spiegel, manchmal Dinge verzerrt und dich blind macht, für das was richtig ist. Die Liebe zu einem Einzelnen darf nie größer sein als die Liebe zu allen, die deinem Schutz anbefohlen sind. 
Dies ist die Lektion, die mir der Herr in seiner unerschöpflichen Gnade lehrte, noch bevor ich überhaupt zum Priester geweiht war.

Die Ereignisse, die ich dir im Folgenden beschreiben werde, waren der Beginn meiner langen Reise unter den Himmeln, die nun, da ich dir diese Zeilen schreibe, ihren Abschluss finden wird. Sie veränderten mich tiefer, als ich es je hätte ahnen können an jenem warmen Sommermorgen des Jahres 4822. Ich war noch sehr jung, damals, und lebte in der kleinen Siedlung Vengold, die zum Besitz des jungen Sir Maximillian Hawkwood gehörte. Mich an diese längst vergangenen Zeiten zu erinnern schmerzt sehr, denn es ist nicht nur meine Geschichte, sondern auch die zweier teuren Menschen, deren Schicksal für immer mit dem meinen verbunden sein wird.

Ich verbrachte jede freie Zeit mit ihnen, wir waren Freunde seit den frühesten Tagen unserer Kindheit, obwohl wir unterschiedlicher nicht hätten sein können. Mahren, die dickköpfige Tochter eines Bauern namens Boreg, ein schlechter Mann, der dem Schnaps frönte und seine Kinder prügelte – sie hasste ihren Vater, das Dorf und seine unsichtbaren Schranken, das Leben, das für sie nichts weiter vorsah, als harte Arbeit und wenig Freude. Sie träumte davon, das Dorf zu verlassen und in eine der großen Städte zu gehen, von denen man sagte, dass sie jenseits der Hügel lagen und voller Abenteuer und Möglichkeiten. Ich teilte damals ihren Wunsch zu reisen nicht; ich konnte mir kein anders Leben vorstellen, als das, dass der Schöpfer wohl für mich vorgesehen hatte. Ich war der Schüler unseres Hirten Vater Iordanis, der, nachdem meine Eltern in frühen Jahren durch ein Feuer umgekommen waren, mich an Sohnes statt in sein Haus aufgenommen hatte. Er war ein gütiger Mann, streng aber von vortrefflichem Charakter und ich liebte ihn in der Tat wie einen Vater. Eines Tages sollte ich von ihm das Amt des Priesters übernehmen und mich um das Seelenwohl der kleinen Gemeinde von Vengold kümmern. Doch der Schöpfer sah einen anderen Weg für mich vor.
Und dann war da noch Malakay, der Sohn des Webers. Er war mein bester Freund, und bis heute schmerzt mich das furchtbare Schicksal, das über ihn kam durch meine Hand. Ich habe in meinem Leben viele Dinge gesehen, werter Freund, und viele Entscheidungen getroffen, die schwer fielen, die ich aber stets mit reinem Herzen und voller Aufrichtigkeit vertreten konnte. Doch die Ereignisse, die zu Malakays Tod führten verfolgen mich noch immer, und bis zum heutigen Tage weiß ich nicht, ob ich recht handelte an jenem Tag.
Malakay war ein stiller junger Mann, ruhig und besonnen, nicht sonderlich auffällig oder wortgewandt, doch tüchtig und ein begabter Weber. Von seinem Geheimnis ahnte niemand etwas, nicht einmal ich und Mahren, die so viel Zeit mit ihm verbrachten, die ihn kannten, wie einen Bruder.

An jenem Tag war es warm und die rote Sonne stand wie das Auge des Schöpfers selbst am klaren Himmel. Das Korn stand voll auf den Feldern, und ich hastete zum Fluss hinab, der sich unweit des Dorfes durch das Land unseres guten Lord Sir Maximilian Hawkwood schlängelte. Vater Leonidas war an diesem Tage im Nachbardorf unterwegs, so dass ich mir um die Mittagsstunde frei nehmen konnte, und das Studium der Omega-Bibel sein ließ, um mich mit Malakay und Mahren zu treffen. Ich hatte mich etwas verspätet und Malakay hatte die Zeit genutzt, um zu angeln, wie er es immer tat, wenn wir uns an dieser Stelle des Flusses trafen. Die Fische bissen gut dort. Als Mahren kam, trug sie ein Bündel Stöcke und Reisig in den Händen; sie hatte sich im Wald herumgetrieben und Feuerholz gesucht, wohl um ihrem Vater aus dem Wege zu gehen. Sie erzählte uns von einer Entdeckung, die sie gemacht hatte; Fremde, die unweit des Dorfes im Wald ein Lager aufgeschlagen hätten. Es waren Schakale - so nannten wir sie damals; wir wussten nicht, dass sie zu einer Gilde gehörten und was das Zeichen des Auges in der Raute auf ihren fremdartigen Kleidern zu bedeuten hatte. Die Schakale kamen manchmal ins Dorf, um Handel zu treiben, und Mahren war immer die erste, die sie mit Fragen über die Welt jenseits der Hügel und Wälder des Dorfes löcherte. Sie sprach oft davon, dass sie sich ihnen eines Tages anschließen würde, aber natürlich wussten wir alle, dass dies unmöglich war; immerhin waren wir Leibeigene. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass es jemals anders sein würde und Malakay und ich redeten stets beschwichtigend auf Mahren ein, wenn sie von den Schakalen schwärmte.
Diese Schakale aber verhielten sich anders, als die Händler, die ins Dorf kamen. Sie hatten sich bisher nicht in Vengold blicken lassen und auch nicht beim Dorfvorsteher Tarquin vorgesprochen. Es erschein uns seltsam, dass sie einfach ein Lager in der Wildnis aufgeschlagen hatten, und wir waren neugierig, was sie im Schilde führen mochten. Wir folgten Mahren durch den Wald und schlichen uns an die Schakale heran, wie es so typisch für jugendlichen Leichtsinn ist. Zu unserer Überraschung fanden wir nicht nur sechs fremdländisch gekleidete Schakale auf der kleinen Lichtung vor, sondern auch Vitigis, einen schäbigen Mann, der in Vengold das Amt des Totenbrenners bekleidete. Aus den kurzen Gesprächsfetzen, die in unser Versteck zwischen den Büschen herüberwehten, erfuhren wir, dass Vitigis die Fremden offenbar an einen Ort führen wollte, den sie suchten, doch bevor wir hören konnten, um welchen ort es sich handelte, lenkten wir durch ein Ungeschick meinerseits (ein trockener Ast, in dem sich meine Robe verfangen hatte, und der mit einem lauten Knacken brach) die Aufmerksamkeit der Schakale auf uns. Von einem Augenblick auf den anderen wurde die Stimmung auf der Lichtung bedrohlich; die fremden Männer und ihre Anführerin, eine hochgeschossene Frau, die jeden von uns um mindestens zwei Köpfe überragte, zogen Waffen aus ihren Gürteln, Pistolen und Blaster -  natürlich wussten wir damals nicht, wie furchtbar und tödlich diese Waffen sein konnten. Technik wie diese war ein seltener Anblick jener Tage, besonders für einfache Kinder wie wir es waren.
Wir rannten davon, glücklicherweise hatte uns niemand erkannt, aber die Schakale hefteten sich auf unsere Fersen. Mahren nahm all ihren Mut zusammen und unternahm ein gewagtes Ablenkungsmanöver, da sie sich im Wald sicherer bewegte als ich und Malakay. Es gelang ihr, die Verfolger fortzulocken, doch dadurch wurden wir getrennt. Während ich mit Malakay in Richtung einer alten Holzfällerhütte lief, floh sie zu den alten Felsen im Osten des Waldes. Dort kroch sie unter den Felsen, so wie sie es immer tat, wenn sie sich vor ihrem Bruder oder ihrem Vater versteckte. Als wir dachten, die Luft sei rein, machten wir uns ebenfalls auf den Weg zu diesen Felsen, doch auch zwei der Schakale waren Mahren dorthin gefolgt und  obwohl sie sie unter ihrem Felsen nicht entdeckt hatten, liefen doch nun ich und Malakay ihnen direkt in die Arme. Dem Schöpfer sei Dank erfanden wir aber kurzerhand eine Geschichte, die die Schakale davon überzeugen konnte, dass wir nur zufällig im Wald unterwegs waren. Sie verschwanden im Unterholz und wenig später stieß Mahren wieder zu uns. Wir kehrten zum Fluss zurück, um uns zu beraten; der Tag war schon weit fortgeschritten, und das violette Licht der zwei Sonnen hatte sich bereits über die Flussaue und den Wald gelegt. Es war Zeit, ins Dorf zurückzukehren, da die Abendmesse wartete.
Malakay drängte darauf, dem Dorfvorsteher Tarquin von den Vorgängen im Wald zu berichten, da er den Schakalen zu Recht misstraute und spürte, dass sie Übles im Schilde führten. Auch ich war mir nicht wohl in der Haut, doch meine Gedanken weilten bereits bei der Abendmesse, für die ich noch einige Bibelstellen vorbereiten musste, wie Vater Leonidis mir aufgetragen hatte.   

Offline Enkidi Li Halan (N.A.)

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Re: [Fading Suns] Das Dorf (Oneshot)
« Antwort #1 am: 12.02.2006 | 14:25 »
Wir trafen uns erst nach der Abendandacht wieder, unter der großen Weide hinter dem Pfarrhaus. Dort entschieden wir, dass wir Tarquin doch nichts erzählen würden, vorerst zumindest, da der Totenbrenner Vitigis sicherlich abstreiten würde, sich im Wald mit Fremden herumgetrieben zu haben. Wir wollten ihn beobachten, um zu erfahren, an welchen geheimnisvollen ort er die Fremden wohl führen mochte. Als die Nacht hereingebrochen war, schlichen wir uns zu seinem Haus, und beobachteten ihn durch die Spalten seiner windschiefen Holzhütte. Er besoff sich, scheinbar um seinen spärlichen Mut anzufachen, und in der Tat schnürte er wenig später seine Stiefel und verließ im Schein einer einzelnen Öllampe sein Haus. Wir folgten ihm durch den nächtlichen Wald bis zum Lager der Schakale. Endlich erfuhren wir, wohin Vitigis sie führen wollte: zu einem Ort, der im Dorf als der Schwarze Felsen bekannt war, einer unheimlichen Felsformation in den Tiefen des Waldes, wo nach allgemeiner Überzeugung der Spuk umging. Die Schakale brachen ihr Lager ab und Vitigis führte sie in die Dunkelheit. Malakay aber kannte diesen Teil des Waldes sehr gut und wusste eine Abkürzung, die uns mit einem gehörigen Vorsprung zum Schwarzen Felsen bringen würde, auch wenn der Weg über die Felsen etwas gefährlicher war, besonders im Dunkeln. Aber die Neugier trieb uns voran, und wir machten uns auf den Weg. Wir kamen am entlegenen Hof der Witwe Breda vorbei, deren scharfe Wachhunde anschlugen und die alte Frau aus ihrem Haus lockten. Sie sah uns in jener Nacht, und dieses kurze Treffen war in vielerlei Hinsicht der Ausschlag zu den folgenden Ereignissen und deren schrecklichen Konsequenzen. Hätte sie uns nicht gesehen, wir hätten leugnen können, in jener Nacht im Wald gewesen zu sein, doch der Wille des Schöpfers verfügte ein anderes Schicksal über uns.

So begab es sich, dass wir tatsächlich lange vor den Schakalen den Schwarzen Felsen erreichten, und uns dort umsahen. Malakay kannte den Ort und führte uns zu einem Höhleneingang, der unweit des Felsens in die Tiefe führte. Dies sei der einzige Ort, von Interesse, sagte er, auch wenn die Höhle bis auf einige Fledermäuse leer war. Obwohl der Ort in der Tat sehr unheimlich war, drängte Mahren darauf, die Höhle zu erkunden. Also entzündeten wir eine Fackel und stiegen hinab. Malakay wurde es mit jedem Schritt in die Tiefe der Höhle unheimlicher, und auch ich war mir bald nicht mehr sicher, ob dies eine gute Idee gewesen war; zumal die Schakale jederzeit eintreffen könnten und wir sie sicherlich nicht mehr mit einer Ausrede würden abwimmeln können. Wir erforschten die Höhle und fanden sie leer vor; keine Spur von irgendetwas, das für die Fremden von Wert sein könnte. Doch auf dem Rückweg bemerkte Malakay, dass eine Wand der Höhle seltsam aussah; und in der Tat offenbarte sich uns hier etwas, was wir nie zuvor gesehen hatten. Die Wand war nicht real; sie war eine Illusion, ein von uralter Technik erzeugtes Trugbild, das den Eingang zu einer zweiten Höhle verbarg. Wir hielten es für Hexenwerk, doch nachdem sich zeigte, dass man das Trugbild ohne Schaden berühren und sogar durchqueren konnte, siegte die Neugier und wir traten in die Höhle, die dahinter lag. Dort erwartete uns ein weiteres Wunder – oder eher ein Fluch, wie sich später herausstellte. In die Wände der Höhle waren uralte Zeichen eingraviert, kaum noch zu erkennen,  Bilder von Menschen und menschenähnlichen Wesen, hochgewachsen, hager und in kunstvolle Roben gehüllt; heute weiß ich, um welche Außerirdischen es sich handelte und dass man ihre Hinterlassenschaften meiden sollte, doch wir Kinder hatten keine Ahnung von der Gefahr, die hier auf uns lauerte. Keine Gefahr für den Leib vielleicht, wohl aber für die Seele.
In der Mitte des Raumes stand ein rechteckiger Felsblock, der sich schon bei der ersten Berührung als eine weitere Illusion herausstellte; man konnte hineingreifen, was ich in meinem Leichtsinn auch bereitwillig tat. Darin war ein Gegenstand versteckt, ein etwa Kopfgroßer, flacher Stein, oval und von einer seltsamen Maserung, wie Marmor. Das musste es sein; dieser Ort und der Gegenstand, den ich in meinen Händen hielt, das musste der Grund sein, weswegen die Schakale auf dem Weg zum Schwarzen Felsen waren. Und war klar, dass wir verhindern mussten, das der Stein in die Hände dieser Leute fiel; immerhin handelte es sich um den Besitz unseres Lords Sir Maximilian. Ich verbarg den Stein unter meiner Kutte und wir beeilten uns, die Höhle zu verlassen.   

Doch es war zu spät. Am Höhlenausgang liefen wir den Schakalen direkt in die Hände und es kam zu einer Konfrontation mit der hochgewachsenen Frau, die den Trupp anführte. Ihr war sehr schnell klar, dass wir es gewesen waren, die sie am Nachmittag belauscht hatten, und dass wir in der Höhle gefunden hatten, was die Schakale suchten. Sie bedrohten uns mit ihren Waffen, wir versuchten uns herauszureden, den Besitz unseres Lords gegen die Räuber zu verteidigen. Doch diese Leute waren zu allem fähig und hätten auch nicht zurückgeschreckt, drei unwissende Kinder zu erschließen, um an den Stein zu kommen. Ich wollte ihn der Frau gerade schweren Herzens aushändigen, als plötzlich Vater Leonidis aus dem Dunkeln trat, und sich zwischen mich und die Frau stellte. Er war außer sich vor Zorn und es entfachte sich ein erregter Disput zwischen den beiden; Vater Leonidis warf seine ganze Autorität in die Waagschale und wäre auch nur ein Funken Anstand in diesen Leuten gewesen, hätten sie sich davon gemacht. Aber die Gier der Schakale war größer als ihre Ehrfurcht vor einem aufrechten Mann der Kirche. Die Frau zog ihre Waffe und richtete sie auf den Vater, und bevor irgendjemand von uns reagieren konnte, drückte sie ab. Doch die Kugel, obwohl der Lauf der Waffe direkt auf Vater Leonidis Herz gerichtet war, traf nicht. Leonidis hob nur die Hand, und das tödliche Geschoss wurde abgelenkt und bohrte sich stattdessen ins Herz der Schakalin. Die Gerechtigkeit des Herrn war über sie gekommen. Die anderen Schakale waren verwirrt und eingeschüchtert, und wir hätten fliehen können, doch in diesem Augenblick geschah das fürchterliche; ich spürte, wie sich etwas in dem Stein regte, den ich fest an meine Brust geklammert hielt. Ein lautes Knacken war zu hören, dann zersprang der Stein wie ein Ei in zwei Hälften und daraus löste sich ein Wesen, wie wir es noch nie zuvor gesehen hatten. Es ähnelte einem Dreieck mit abgerundeten Ecken, bestand aus einer gallertartigen masse und zog einen Strang langer Tentakel hinter sich her. Mehr war nicht zu erkennen, denn es bewegte sich so schnell, dass die Augen kaum folgen konnten. Es stürzte sich auf Malakay und… bohrte sich in seinen Bauch. Es durchdrang seine Haut, ohne jedoch eine Wunde zu schlagen, und verschwand in Malakays Leib ohne weitere Spur. Mein Freund brach daraufhin bewusstlos zusammen und wir eilten ihm zu Hilfe. Es entstand eine allgemeine Verwirrung, auch die Schakale wussten nicht recht, was sie tun sollten. Plötzlich öffnete sich Malakays Mund und aus seinem Rachen schossen fünf weitere dieser Wesen, die sich mit unglaublicher Schnelligkeit auf die Schakale zu bewegten und sie angriffen. Die Männer verfielen in Panik und begannen, wild um sich zu schießen. Das letzte der Wesen sprang Vater Leonidis ins Gesicht und umhüllte seinen Kopf, während sich seine Tentakel um den Hals wanden. Mahren schrie auf, wie ich in Todesangst. Wir versuchten gemeinsam, das Wesen von Vater Leonidis abzureißen, doch alle Hilfe kam zu spät. Als wir es endlich töten konnten, fiel es von seinem Gesicht und hinterließ nur eine blutige Masse. Diesen schrecklichen Anblick werde ich nie, niemals vergessen, werter Freund. Wir ließen von Vater Leonidis ab und flohen in den Wald. Malakay blieb hinter uns zurück.

Wir rannten und rannten, und erst als wie den Waldrand nahe des Dorfes erreichten, blieben wir stehen um Luft zu schnappen. Natürlich waren wir beide außer uns; etwas Schreckliches, Grauenvolles war geschehen, Dinge, die wir nur aus den übelsten Schauermärchen kannten. Unser Freund war von einem Monster angefallen worden, das weitere Monster geboren hatte und Vater Leonidis war tot. Die Geschehnisse waren so bizarr, dass wir zu recht fürchteten, dass niemand uns glauben würde. Der Wald nahe des Schwarzen Felsens hatte durch die Schüsse der Schakale Feuer gefangen, und das rote Licht glomm düster über den dunklen Bäumen. Da wankte Malakay aus der Nacht auf uns zu; er war wieder zu sich gekommen, nun völlig verwirrt und verängstigt, wie wir selbst. Wir gingen zunächst auf Distanz, da wir annahmen, dass sich noch immer Wesen in seinem Bauch aufhalten könnten, doch nach einigem Gerede konnte Malakay uns davon überzeugen, dass keine Gefahr von ihm ausging. Er war immerhin unser bester Freund, wie hätten wir ihm nicht glauben können.

Daraufhin berieten wir, was zu tun sei; Mahren wollte fliehen, das Dorf verlassen und nie wiederkehren; sie war so voller Angst, dass sich der Zorn des ganzen Dorfes gegen sie richten könnte, sie, die Außenseiterin, die nun in den Tod von Vater Leonidis verwickelt war. Malakay schlug vor, dass wir das ganze vertuschen, leugnen sollten, doch da war die Witwe Breda, die zumindest würde aussagen können, dass wir in der Nacht im Wald gewesen waren. Und ich - nun, ich wollte die Wahrheit sagen; aus der Lüge erwächst nichts Gutes, und wir hatten ja nichts falsches getan. Wir mussten nur Sir Maximilian aufsuchen und ihm die Geschehnisse schildern, wie sie sich zugetragen hatten. Doch Mahren und Malakay waren nicht mit mir einer Meinung; sie bestanden darauf, alles zu verheimlichen. Da die Zeit knapp war – die Nacht neigte sich dem Morgen entgegen, und spätestens zur Frühmesse würde Vater Leonidis vermisst werden – entschloss ich mich, die Verantwortung für die Ereignisse zunächst auf meine Schultern zu nehmen; ich wollte zum Schwarzen Felsen zurückgehen und dort Beweise für unsere Geschichte und Unschuld sammeln. Die anderen kehrten ins Dorf zurück und schlichen sich unbemerkt in ihre Betten.     

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Re: [Fading Suns] Das Dorf (Oneshot)
« Antwort #2 am: 12.02.2006 | 14:25 »
Ich kam ins Dorf zurück, als die Sonne schon aufgegangen war und sich die Gemeinde in der Kirche versammelt hatte. Vor dem Gotteshaus traf ich auf Tarquin, den Dorfvorsteher, und ich berichtete ihm aufgeregt die Geschichte, die ich mir zurechtgelegt hatte; ich war zum Schwarzen Felsen gegangen und hatte dort niemanden mehr vorgefunden, die Schakale waren fort und der Wald niedergebrannt; ich nahm als Beweise die Jacke der Schakalin, ihre Waffe und das Ei mit. Mit diesen Gegenständen als Beweis erzählte ich Tarquin, dass etwas Schreckliches geschehen, dass der Vater von den Schakalen umgebracht worden sei. Unsere Beteiligung verschwieg ich so weit wie möglich; ich erwähnte zwar, dass wir drei in der Nacht im Wald den Schakalen auf der Spur gewesen waren, dann aber Vater Leonidis im Wald getroffen hatten, worauf er Malakay und Mahren nach hause schickte und nur ich und er zum Schwarzen Felsen gingen und Zeuge des Schreckens wurden. Tarquin glaubte mir. Nachdem wir zusammen die Gemeinde informiert hatten, wurden Boten zu Sir Maximillian entsandt, und ein Trupp von Dorfbewohnern machte sich auf den Weg zum Schwarzen Felsen um die Leichen von Leonidas und der Schakalin zu bergen. Sie trafen etwa zeitgleich mit dem jungen Lord im Dorf ein.
Der Herr zeigte sich so bestürzt wie wir alle und verlangte, dass ich ihm noch einmal meine geschichte erzählen solle; wir versammelten uns erneut in der Kirche und ich wollte gerade ansetzen, als die Tore der Kirche aufflogen, und ein Mann den Saal betrat. Sein Kopf war kahl geschoren, er trug eine schwere dunkelrote Robe und einen Stab … mit dem Zeichen der Inquisition darauf. Pater Iordanis vom Tempel Avesti. Er sprach mit Sir Maximillian und berichtete, dass er auf der Suche nach eben jenen Schakalen war, die sich in der Nähe des Dorfes herumgetrieben hatten, und nun für den Tod des Vaters verantwortlich waren. Mich ergriff ein mulmiges Gefühl, das sich noch mehr verstärkte, als Pater Iordanis mich aufforderte, meine Geschichte noch einmal zu erzählen. Er wollte auch, dass Mahren und Malakay dem beiwohnten, da sie ja ebenfalls im Wald gewesen waren.
Ich erzählte alles noch einmal, doch ich war ein Narr zu glauben, dass ich einen so erfahrenen Inquisitor hätte belügen können – selbst wenn ich in weiten Teilen die Wahrheit sprach, verbarg ich dennoch, dass die Kreatur in Malakay gefahren war. Pater Iordanis hörte mir aufmerksam zu und sagte kein Wort. Erst nachdem ich geendet hatte, wandte er sich zu Sir Maximillian mit den Worten: „Lasst sie verhaften. Dieser junge Mann spricht nicht die Wahrheit und dieser dort“ – er deutete auf Malakay -  „ist ein Psioniker.“

Dann ging alles sehr schnell; Sir Maximillian war sichtlich verwundert, doch natürlich widersetzte er sich den Anweisungen des Inquisitors nicht. Wir wurden verhaftet und in einem Karren zur Löwenzinne, der Burg des Lords, gebracht. Wir waren wie gelähmt vor Furcht; was der Inquisitor gesagt hatte – dass Malakay ein Psioniker sei- war völlig unbegreiflich für uns. Natürlich hatten wir schon von Psionikern gehört, aber in unseren Köpfen war das Bild von schwarz gekleideten Hexenmeistern mit dämonischen Fratzen und glühenden roten Augen. Wie konnte Malakay einer sein, unser Freund? Der unscheinbare Junge, mit dem wir aufgewachsen waren? Und was würde aus uns werden, da wir mit ihm zusammen in diese Ereignisse verstrickt waren?

Man brachte uns in einen Kerker in den Tiefen der Burg; Malakay wurde von uns getrennt, da der Inquisitor angeordnet hatte, dass man ihn besonders bewachen müsse, immer zwei Wachen sollten ihn im Auge behalten. Mahren und ich warteten, beteten, bis endlich jemand kam um uns zum Verhör zu rufen. Mahren machte als erstes ihre Aussage, dann ich. Ich hatte in der Zelle eingesehen, dass es keinen Sinn hatte, etwas zu verschweigen, und so erzählte ich die volle Wahrheit, als ich dem Inquisitor vorgeführt wurde. Er nickte verständnisvoll, so alles habe er die Geschichte bereits gehört; Mahren hatte wohl ebenfalls die Wahrheit erzählt, wenngleich ich später erfuhr, dass sie sich etwas geschickter angestellt hatte, was Malakay anbetraf. Doch ich muss zugeben, dass ich zu diesem Zeitpunkt meinen Freund schon aufgegeben hatte.
Man brachte uns nach dem Verhör in unsere Zellen zurück; was mit Malakay geschehen war, wussten wir nicht. Als die Nacht hereinbrach, hörten wir plötzlich Schritte vor unseren Zellen. Die wachen verschwanden, und dann stand Sir Maximillian vor uns. Er öffnete unsere Zellen, sichtlich in Eile und befahl uns, ihm zu folgen. Er wollte uns freilassen, erzählte hastig, dass dies alles seine Schuld sei und er nicht wolle, dass Unschuldige für seinen Fehler würden büßen müssen. Während wir uns auf en Weg zu Malakays Zelle machten, erfuhren wir so, wie der Stein in diese Höhle gekommen war und warum die Schakale nach ihm gesucht hatten. Der Stein war ein Erbstück, ein Geschenk, dass der Urgroßvater Sir Maximilians von den Vau erhalten hatte; er war lange Zeit Botschafter bei ihnen gewesen und sie hatten ihn damit belohnen wollen. Doch er kannte die Vau gut genug um zu wissen, dass man sich vor ihren Geschenken hüten soll. So versteckte er den Stein in jener Höhle nahe des Schwarzen Felsens, damit er niemandem in die Hände fallen würde. Das Wissen um diesen merkwürdigen Familienschatz ging verloren, Sir Maximillian wusste zwar von der Höhle, aber nicht, was genau es mit dem Stein auf sich hatte. Die Schakale kamen zu ihm und hatten eine Karte der Höhle, die wollten dort eine Art Ausgrabung unternehmen, und Sir Maximillian gewährte es ihnen. Dass sich dann alles so furchtbar entwickelte, konnte niemand ahnen. Nun würde aber er, Sir Maximillian, für diesen Fehler gerade stehen müssen, und uns, die wir unschuldig waren, die Möglichkeit zur Flucht geben. Er wollte, dass wir sein Land verlassen, uns an Bord des Schiffes der Schakale bringen, wo wir in Sicherheit wären.

In diesem Augenblick erreichten wir Malakays Zelle und uns bot sich ein merkwürdiger Anblick; die Zellentür war offen, und Malakay stand im Gang, neben sich eine Wache, die gerade die zweite Wache in die Zelle einschloss. Erst viel später erfuhr ich, was sich dort kurz vor unserem Eintreffen zugetragen haben musste: die beiden Wachen hatten Malakay nicht als Gefahr eingestuft, und obwohl der Inquisitor befohlen hatte, ihn immer zu zweit zu bewachen, hatte eine Wache ihren Posten kurzzeitig verlassen. Dann war es geschehen: Malakay spürte ein Würgen im hals und Sekunden später erbrach er eines dieser Gallertwesen, dass sich auf den Wachmann stürzte. Es drang in ihn und machte ihn zu einer willenlosen Puppe, die daraufhin Malakay zu Diensten war. Als die zweite Wache zurückkam, befahl Malakay seinem Diener, die Wache in die Zelle zu sperren.
Wir erkannten an der Gesichtsfarbe des Mannes und den Würgemahlen am Hals, dass etwas mit ihm geschehen, er von einem der Wesen angegriffen worden war. Mahren schrie auf vor Furcht und auch ich wich vor Malakay zurück, der aber verzweifelt seine Unschuld beteuerte. In diesem Moment kam eine weitere Person den Gang zur Zelle hinab: Pater Iordanis. Auch er erkannte sofort den Ernst der Lage, dass der Psioniker ausgebrochen war und Sir Maximillian uns zur Flucht verhelfen wollte. Er griff unter seine Robe und zog eine Waffe hervor – der beißende Gestank von Ka-Öl erfüllte den Gang. Im gleichen Augenblick löste sich ein weiteres Wesen aus Malakays Mund und schnellte auf Pater Iordanis zu, legte sich blitzschnell über sein Gesicht und begann ihn zu würgen. Er muss wohl reflexartig abgedrückt haben, denn Sekundenbruchteile später war da nur noch Hitze und Feuer. Instinktiv warf ich mich zur Seite; ich sah Mahren, die völlig entgeistert der Flammensäule entgegenstarrte, die sich auf sie zu walzte, doch Sir Maximillian warf sich vor sie und wurde an ihrer Stelle in Flammen gehüllt. Malakay wurde von der Wache, die unter seinem Befehl stand auf den Boden gedrückt. Als der Flammensturm über und hinweg gezogen war, sprangen Mahren und ich zu Sir Maximillian, dessen Gesicht und Brust in Flammen standen; wir löschten das Feuer, doch der Lord war schwer verletzt, dem Tode nah. Pater Iordanis hatte das gleiche Schicksal ereilt, wie Vater Leonidis; sein Gesicht war von der Kreatur weggefressen worden; er war tot, erstickt. Wir rappelten uns auf, stützen den Lord; wir mussten ihn sofort zu einem Arzt bringen, doch er befahl uns, sofort den Ort zu verlassen und zu fliehen. Ich starrte Mahren an, und sie mich; dann blickten wir zu Malakay, der noch immer einen verwirrten, verängstigten Eindruck machte, ein Spiegel unseres eigenen Gemütszustandes. Wir mussten fliehen, das war klar. Dann sagte sie jenen Satz, der mit noch immer so deutlich in den Ohren klingt, als stünde sie nun direkt neben mir: „Er trägt es in sich - es wird sich ausbreiten.“   
Ich wusste, dass sie Recht hatte. So griff ich nach dem Flammenwerfer, der neben Vater Iordanis auf dem Boden lag, richtete ihn auf Malakay, mit dem ich aufgewachsen war, der Sohn des Webers, der immer so viel Glück beim Fischen gehabt hatte – und drückte ab.



Hier endet die Geschichte und ich versichere dir, dass sie sich wahrheitsgemäß so zugetragen hat. Sie ist mein Geschenk an dich, werter Freund und ich hoffe, deine Fragen sind damit beantwortet. Ich wünsche dir alles erdenklich Gute auf deiner Reise, die noch ganz am Anfang steht.


Möge das Licht des Herrn stets deine Wege erleuchten.

Bischof Adeano Vengold,
Großinquisitor der Heiligen Kirche des Himmlischen Lichts
Im Jahre des Herrn 4897


Offline Spicy McHaggis

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Re: [Fading Suns] Das Dorf (Oneshot)
« Antwort #3 am: 28.02.2006 | 00:47 »
Das klingt wirklich spannend.  :) Was hat den Jungen, denn da genau angefallen?
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