Kommen wir zum Jury-Feedback für Berserker. Das Spiel ist ziemlich komplett, mit einer Menge Werte für Antagonisten, diversen Abenteuer-Ideen, „Einkaufslisten“ für Sonderfähigkeiten, und einer schönen Einführung in den Hintergrund. Bei der Lektüre gewinnt der Leser zeitweilig schon den Eindruck, dass hier eigentlich nur der Film „Der 13. Krieger“ nachgespielt werden soll – aber das haben die Spieler selbst in der Hand, und es werden am Ende ja auch andere Szenarien angeschnitten. Ragnarök selbst als Szenario finde ich mal eine coole Idee. Natürlich würde ich dafür keine neu erschaffenen Helden nehmen, sondern die Gefallenen aus der vorangegangenen Spielsitzung! Wie cool ist das?
Das System sieht im Ansatz auch gut aus: Beschränkung auf das Wesentliche, nämlich den Kampf, dazu die Besonderheiten, um ein bisschen Individualität reinzubringen, Tapferkeit als ein zentraler Spielwert, drei Charaktere pro Spieler… Das alles gefällt mir, doch es hat letztendlich nicht für die engere Auswahl gereicht, weil die Ausführung mir doch noch sehr unausgegoren vorkommt.
Mir hat sich z.B. nicht erschlossen, warum man unterschiedliche Skalen für die Eigenschaften und die Kampfeigenschaften braucht. Oder warum es unbedingt abgeleitete Werte geben muss. Kein Powergamer, der seine fünf Sinne beisammen hat, wird verkennen, dass man unbedingt 4 Attacken braucht. Das ist wie mit den Reflexboostern bei Shadowrun 2. Dieser Wert erscheint mir im Vergleich zu den anderen einfach zu entscheidend für Erfolg oder Misserfolg im Kampf.
Zum Probensystem und Kampfsystem kann ich meine Standard-Predigt halten: Warum zwei Variablen (Schwierigkeit und Anzahl der Erfolge)? Warum so ein umständliches Würfelsystem? Angriffswurf, Schadenswurf, Wiederholungswürfe, das ist alles sehr umständlich und beinhaltet trotzdem keine besonderen taktischen Optionen. Die Optionen kommen erst durch die Besonderheiten rein. Auch der Überlebenswurf: Würfeln, würfeln, würfeln. Das macht das Spiel nur unnötig langsam, finde ich.
Die Tapferkeit fand ich auch nicht so richtig schlüssig. Wenn ich in einer Situation bin, in der gerade meine Tapferkeit gefragt ist, sinkt sie erst mal? Du schreibst selbst, sie kann gleichzeitig temporär sinken und dauerhaft steigen. Ich frage mich: Warum zum Henker? Es geht doch hier um das Verhalten des Charakters, über das der Spieler entscheidet. Lass bloß diesen temporären Kram weg, der stört nur.
Ich würde auch mal überlegen, ob man nicht statt langweiliger Erfahrungspunkte die Tapferkeit zum Steigern verwenden könnte. Oder etwas Ähnliches. So, wie die EP im Moment sind, kannst du sie auch gleich weglassen, zumal Charaktere sich nach deiner augenblicklichen Tabelle viel zu langsam verbessern. Ich denke nicht, dass Berserker ein Spiel für lange Kampagnen ist, eher für einen One-Shot oder ein paar Sitzungen. Wenn du den Spielern schon was zum Steigern geben willst, solltest du ihnen mehr geben.
Alles in Allem ein Spiel mit Potential, aber noch nicht richtig rund. Und auch die Einbindung der Stichworte war natürlich nicht wirklich zentral.