Autor Thema: [Unknown Armies] Wie man UA spielt  (Gelesen 3426 mal)

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Offline Jestocost

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[Unknown Armies] Wie man UA spielt
« am: 9.08.2006 | 10:37 »
Mmh, ich wehre mich nur ein bisser gegen den Satz
Zitat
UA ist halt zu weiten Teilen ein Spiel wo die Spieler nur Zuschauer sind.
. Ich sehe es genau andersrum: In UA sind die Antagonisten, egal ob funky powers oder nicht, auch nur Menschen. Und bei denen geht genauso viel schief wie bei allen anderen Leuten. Für meinen Geschmack wäre das Szenario sehr "typisch UA", wenn die Spieler schon sehr früh in den Besitz des Paradieses gekommen wären und herausfinden, was man damit machen könnte... Und dann müssten sie entscheiden, was damit geschehen sollte.

Entscheidungen sind das Herzstück von UA. Noch kurz zum Thema würfeln: In UA würfelt man eh weniger als in anderen Spielen. Man sollte den Spieler sehr früh klar machen, dass sie es sich selbst zuzuschreiben haben, wenn sie überhaupt würfeln müssen: Sind  die Spieler schlau, dann richten sie die Situation so her, dass sie maximal einen ehrgeizigen Fertigkeistwurf oder möglichst nur einen einfachen Fertigkeitswurf machen müssen - dann schaffen die Charaktere auch was...
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Offline Bitpicker

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[Unknown Armies] Wie man UA spielt
« Antwort #1 am: 9.08.2006 | 11:00 »
Ich stimme Jesto zu, wenn die Spieler selbst nur eine Zuschauer-Haltung mitbringen, funktioniert UA nicht besonders.  Allerdings ist 'ich kümmer mich um das, was meinen Charakter interessiert' für mich keine Zuschauer-Haltung. Das ist genau das, was ich will, und ich sehe meine Aufgabe als SL darin, das Szenario, das ich im Kopf habe, zu dem zu machen, was den Charakter interessiert. Echte Zuschauer wären bereitwillig jedem Hinweis gefolgt, ob das für ihre Charaktere normal wäre oder nicht, weil es 'hier lang zum Plot geht'. Das mag ich nicht, weil es das Empfinden, ein Erlebnis zu haben, stört. Wenn die Spieler bei diesem Spiel das Gefühl eines Erlebnisses hatten und dabei Spaß hatten, dann haben sie (in meinen Augen) das Spielziel erreicht, auch wenn sie den Hintergrund, den es ja wahrscheinlich gar nicht gegeben hat, wenn es nur so eine spontane Idee war, nicht aufdecken.

Robin
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wjassula

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[Unknown Armies] Wie man UA spielt
« Antwort #2 am: 9.08.2006 | 11:05 »
Was die Entscheidungen angeht, stimme ich dir zu Tim, was das Würfeln angeht nicht so. Für mein Gefühl werden die Entscheidungssituationen eben noch verstärkt durch die Temeperamente und Stresswürfe. Das sind halt die inneren Antagonisten der Charaketer. Ich lasse mittlererweile ziemlich viel würfeln, um Situationen zu verschärfen und Entscheidungen zu erzwingen. Diese Hinweise im GRW, von wegen "Nur würfeln, wenn es gar nicht anders geht - Regeln nicht im Weg" und so, das ist doch der Hype von vor 10 Jahren - da merkt man halt, dass das Spiel nicht mehr ganz frisch ist.

Man kann halt aus UA sehr schnell so ein lahmes Cthulhu - Märchenonkel - Spiel machen, schlimmstenfalls noch mit einer Ermittlungsgeschichte, wo die Spielleitung auf dem Informationsfluss hockt. Hier hilft ein guter Tip aus Dogs: Keine Geheimnisse! Sag der Gruppe so schnell wie möglich so viele interessante Sachen wie möglich! Sonst kommt ja nix in Gang. Und dann kann UA scheinen, weil die Leute miteinander, mit den anderen Interessengruppen und dem eignen Innenleben um die Entscheidung ringen müssen. Aber dafür muss man ihnen halt auch was zum Entscheiden hinschmeissen...

Das ist halt der viel beschworene menschliche Horror bei UA (und der Grund, warum es ein völlig anderes Spiel ist als Cthulhu): Hier soll man nicht Schritt für Schritt die gruselige "Wahrheit" rausfinden, sondern in eine Situation geworfen werden, wo man nur noch selbst entscheiden kann, was die Wahrheit ist. Das können die UA - Regeln sogar unterstützen, nur leider steht das im GRW nur recht versteckt drin.

Offline Fredi der Elch

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[UA] Wie man UA spielt
« Antwort #3 am: 9.08.2006 | 13:01 »
Fredi würde es jetzt wahrscheinlich als die J.Jack-Show bezeichnen
;D  Vermutlich hätte ich mir auch nach 2-3 Stunden mit einem stumpfen Löffel die rechte Kniescheibe amputiert, nur um mich von den schlimmen Schmerzen abzulenken… ;) Aber ich weiß, dass andere Leute mit so was einen Riesenspaß haben können. Freut mich auf jeden Fall, dass deine Spieler dazugehören! :)


Hier soll man nicht Schritt für Schritt die gruselige "Wahrheit" rausfinden, sondern in eine Situation geworfen werden, wo man nur noch selbst entscheiden kann, was die Wahrheit ist. Das können die UA - Regeln sogar unterstützen, nur leider steht das im GRW nur recht versteckt drin.
Und hier hätte ich gerne noch etwas mehr Erläuterung.
1. „Recht versteckt im Regelwerk“ ist IMO noch unglaublich geschönt. Ich würde ehrlicherweise sagen: „Die verlieren da nicht einen halben Gedanken dran, geschweige denn ein Wort drüber“. ;)
2. Wie funktioniert das denn mit „Die Wahrheit entscheiden“? Echt, ich hätte wirklich Interesse an einem „Wie Wjassula UA leitet“-Thread, schon allein, um daraus dann ein echt gutes UA-Stripped zu machen (mit dem man dann so was auch tatsächlich spielen kann – nicht so wie mit dem Müll, der da als GRW verkauft wird. ::) ). Das wäre echt toll, wenn du dich in einem Thread mal etwas darüber auslassen könntest! :D
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Offline Jestocost

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RE: [UA] Wie man UA spielt
« Antwort #4 am: 9.08.2006 | 13:34 »
Fredi, du hast wirklich das UA GRW gelesen?

Mir ist auch klar, dass UA in vielen Bereichen noch viel weiter hätte gehen können.

Aber schauen wir uns doch mal an, welche Mechanismen das Spiel wirklich bereitstellt:

1. Reduktion auf entscheidende Würfe: Eigentlich sollte in UA nur dann ernsthaft gewürfelt werden, wenn etwas wirklich auf dem Spiel steht. Oder anders ausgedrückt: Die Würfelwerte der Charaktere sind so geeicht, dass sie die Erfolgschance "unter Feuer" beschreiben. Das ist leider auch nicht wirklich durchgängig durchgezogen und macht an manchen Stellen auch nicht 100% Sinn: Warum muss neder Zauber und jeder einzelne Angriff gewürfelt werden, auch wenn das Ergebnis nicht wirklich viel ändert?

Ich selbst spiele UA ungefähr wie folgt: Fertigkeiten beschreiben den Charakter und legen dessen Möglichkeitsrahmen fest: Steht's auf dem Charakterbogen, dann kann der Spieler sich drauf verlassen, dass er das automatisch in dem Rahmen, den er festgelegt hat, auch schafft. Anders gesagt: Mit der Erschaffen des Charakters lege ich meinen Weg zum Ziel fest. Die Siutationen, die der SL mir in den Weg wirft, erschaffen dann eine Unsicherheit, derich durch tolle Ideen, Pläne und Einfälle entgegenwirken kann.

2. Spielimmanente Wirkung des Temperament: Die Impulse beschreiben jene Buttons, die dem Charakter wichtig sind: Spieltechnisch kann sich der Spieler darauf verlassen, dass er eine verdammt gute Chance hat, in einer solchen Situation erfolgreich zu sein. Das Problem hierbei liegt am Spielleiter: Baut dieser die Impulse nicht zielgerichtet ins Spiel ein, dann habe ich es schwer, weil ich diese nicht nutzen kann. Da fehlt wohl eine Einwirkungsmöglichkeit auf Seiten der Spieler. Andererseits macht es dem SL leicht, entsprechende Szenen ins Spiel einzubauen.

3. Relationship Map als Szenariobauplan: UA beschreibt Szenarien im GRW anhand einer Relationship Map. Das Spiel geht davon aus, dass man alle Beteiligten beeinflussen kann und das Szenario durchläuft, indem man sich die Beziehungen unter den Szenariobeteiligten zu Nutze macht. Was hier eigentlich nur noch fehlt, ist ein Abgleich mit den Impulsen, der Obsession und der Persönlichkeit der Charaktere.

So, damit sollte der Grundstein für einen UA Stripped-Thread mal gelegt sein.
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Offline Fredi der Elch

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RE: [UA] Wie man UA spielt
« Antwort #5 am: 9.08.2006 | 14:13 »
Auf alle Punkte einzugehen würde etwas zu weit für dieses Thema führen, deswegen plädiere ich ja für einen neuen Thread. Nur ganz kurz:

Jesto, was du da ansprichst ist nicht das, worauf ich raus will. „Nur selten würfeln“, „Es gibt Temperamente“ und „R-Maps werden mal erwähnt“ sind Techniken, das ist nicht der Kern des Spiels. Mir geht es aber darum, was UA im Kern ausmacht, was sozusagen die Absicht des Spiels ist (natürlich immer in Bezug auf tatsächliche Spielbarkeit). Was sind die Entscheidungen, die die Spieler im Spiel treffen müssen? Darauf kann man dann eine Stripped-Version (mit anderen Techniken, falls nötig) aufbauen.

Nebenbei:
Fredi, du hast wirklich das UA GRW gelesen?
Ja, und alle Supplements auch. :) Liest sich super, nur spielen kann man es nicht.
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Zitat von: 1of3
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wjassula

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RE: [UA] Wie man UA spielt
« Antwort #6 am: 9.08.2006 | 14:21 »
Najaaaaa, Fredi, man kann es schon spielen. Oder was haben wir alle sonst die ganze Zeit gemacht? Das Spiel sagt einem halt bloss nicht so genau, WIE man es spielen soll, da hast du allerdings recht. Wie Vermi, sagte, es ist etwas unverlässlich, weil jedes Gruppe ihren eigenen Weg da durchgefunden hat. Aber das ist ja nicht allein ein Problem von UA, das gilt für die meisten Rollenspiele. Leitfaden? Von mir? Mal sehen. Wenn ich irgendwann Zeit und Lust hab...

UA stripped wäre doch vermtulich Sorcerer oder Dogs, oder?

Nebenbei: Trennt das mal jemand ab? Wir reden doch über was ganz anderes, als über den Spielbericht von Jack.

Offline Boba Fett

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RE: [UA] Wie man UA spielt
« Antwort #7 am: 9.08.2006 | 14:38 »
Thema geteilt.
Ich werd es noch verschieben.
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Offline Fredi der Elch

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Re: [Unknown Armies] Stripped
« Antwort #8 am: 9.08.2006 | 14:42 »
UA stripped wäre doch vermtulich Sorcerer oder Dogs, oder?
Wäre es das? Das ist ja genau meine Frage. Worum geht es im Kern in UA? Ich habe da immer in typischer Fredi-Manier Leute gesehen, die sich von sich und anderen entfremden, nur um Macht zu erlangen (gilt für Adepten und Godwalker gleichermaßen). Aber dann kommst du mit dieser Idee von „Wahrheit selber bestimmen“ daher. Könntest du dazu noch was sagen?

Najaaaaa, Fredi, man kann es schon spielen. Oder was haben wir alle sonst die ganze Zeit gemacht?
Ganz einfach: ihr habt ein komplett eigenes Spiel gespielt (jede Gruppe ihr individuelles), das lose vom UA GRW (und vor Allem dem Setting darin) inspiriert war. :)

P.S.: Danke für's abtrennen! :)
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Zitat von: 1of3
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Re: [Unknown Armies] Wie man UA spielt
« Antwort #9 am: 9.08.2006 | 15:05 »
Hey, ich hab doch auch keine Ahnung, worum es jetzt bei UA geht...

Ich glaube im Endeffekt darum, die Welt zu verändern und schauen, welchen Preis man bereit ist, dafür zu zahlen...

Mir ist das aufgefallen, als ich das Ende von "To Go" gelesen habe: Da wird plötzlich beschrieben, wie sich die Spielregeln von UA verändern, wenn ein neuer Archetyp aufsteigt... Eine total geile Idee, die irgendwo im Anhang verloren geht.

Wenn man die 3 Typen von Charakteren mal betrachtet, würde das so aussehen:

1. Die Alex Abel Tour: Der eingeweihte Normalo schafft sich eine okkulte Machtstruktur bzw. einen Kult und wirkt so auf die Realität ein
2. Die Dermott Arcane Avatar Tour: Du hast eine Vorstellung, wie die Realität umzuschreiben wäre (Medien schaffen Wahrheit) und tust alles, um diese Vorstellung wahr werden zu lassen.
3. Die Monstrum/Freak Adepten Tour: Du opferst alles für deine magische Kräfte und bereitest dich vor, zur rechten Zeit mit einer mächtigen Ladung das okkulte Gegenstück von Ground Zero zu schaffen...

Und dann stellt sich die Frage - was hat das verändert und was ist aus dir geworden...
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wjassula

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Re: [Unknown Armies] Wie man UA spielt
« Antwort #10 am: 9.08.2006 | 15:10 »
Ich merke gerade selber, dass ich mich hier auf die Schnelle ziemlich dunkel ausdrücke. Wie auch immer, vielleicht hilfts ja. Fredi, reden wir doch aufm Treffen nochmal drüber, ja? Versuch:

O.k. Obsession = Was ist die Brille, durch die ich die Welt sehe.

Bei Normalos kann das alles sein. Beziehungen. Beziehungen sind das wichtigste. Alles hat irgendwie mit Beziehungen zu tun. Oder Gewalt. Die ganze Welt lässt sich als Kampf widerstreitender Kräfte erklären. Da ist schon eine Entscheidung drin: Ich betrachte die Welt eher als Netz aus Beziehungen ODER als ein Netz aus Gewalt und Gegengewalt.
Aber ich weiss auch, dass es nur eine Sicht der Dinge ist, es gibt auch andere mögliche, bloss sind mir die nicht so wichtig.

Das unterscheidet mich vom Eingeweihten. Adepten und Avatare sind Paranoiker: Alles bezieht sich auf das DINGS, und ich bin der einzige, der über das DINGS so richtig Ahnung hat. Du glaubst, es gibt noch was anderes ausser dem DINGS? Schon reingefallen, mein Lieber.

Ob Normalo oder okkulter Paranoiker, meine einzigartige Weltsicht, meine Brille, durch die ich alles wahrnehme, ist zugleich Beschränkung und Vorteil. Weil ich eine Krisensituation besser als andere darauf hin durchleuchten kann, welche Rolle Beziehungen/Gewalt usw. in ihr spielen, kann ich sie auf diese Faktoren hin auch besser manipulieren. Die anderen bemerken vielleicht gar nicht, dass der Oberschurke nur seine Mammi wiederhaben will, ich schon. Aber dafür gehen mir auch alle anderen möglichen Betrachtungsweisen und damit: Handlungsoptionen verloren. Ich sehe nämlich nicht mehr, dass der Oberschurke auch bereit ist, mich zu killen, weil ich ihn an seine Mammi erinnere.

Stellt sich die Frage: Benutze ich meine Weltsicht, oder sie mich? Nehme ich die Vorteile in Anspruch, die sie mir bietet - oder ist der Preis zu hoch, legt mich das zu sehr fest auf eine Sicht der Dinge?

UA dreht diese Schraube jetzt irrwitzig (also magisch) hoch. Du galubst, die Welt ist so und so. O.k., fein. Weil du das besser blickst als alle anderen, kannst du sie in diesem Sinne manipulieren, und das so und so - Element in der Welt ein bisschen stärker machen. Aber was blickst du deshalb nicht mehr, und was verdrängst du aus der Welt, indem du ihr DEINEN Stempel aufdrückst?

Der Irrwitz ist, dass bei UA alle komplett in ihrer eigenen Weltsicht gefangen sind. Es gibt nicht DIE Welt, sondern nur deine (glaubst du jedenfalls). Jetzt kommt die Krise und die Frage: Setzt du deine Ordnung auch in dieser Krise durch? Und wann ist der Preis schmerzhafter: Wenn du das schaffst, oder wenn du es nicht schaffst?

Da gibt´s kein richtig und kein falsch im absoluten Sinn. Du musst dich halt entscheiden. Aber DU wirst dann schon wissen, obs richtig oder falsch war. Und DU als Spieler sowieso. 

Zitat
Leute gesehen, die sich von sich und anderen entfremden, nur um Macht zu erlangen

Naja. Leute, die sich auf eine Art Weltordnung so festlegen, dass für andere Ordnungen darin kein Platz mehr ist...und dafür über Leichen gehen.

Offline Fredi der Elch

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Re: [Unknown Armies] Wie man UA spielt
« Antwort #11 am: 9.08.2006 | 15:46 »
Der Irrwitz ist, dass bei UA alle komplett in ihrer eigenen Weltsicht gefangen sind. Es gibt nicht DIE Welt, sondern nur deine (glaubst du jedenfalls). Jetzt kommt die Krise und die Frage: Setzt du deine Ordnung auch in dieser Krise durch? Und wann ist der Preis schmerzhafter: Wenn du das schaffst, oder wenn du es nicht schaffst?
Ok, dann sehen wir UA ja sehr ähnlich. „Wahrheit“ ist nicht so sehr der Kern wie „Weltsicht“ (und werd jetzt nicht gleich postmodern, ja? ;) ). Es geht darum, wie du dich entscheidest und da gibt es kein richtig oder falsch. Aber es geht (meist) nicht darum, ob Person XY jetzt wirklich existiert oder nicht.

Zwei Dinge dazu:
1. Das ist der Grund, warum Normalos bei UA so furchtbar langweilig sind. Sie haben keine besondere Weltsicht (unter uns: Deine Konstruktion mit Beziehungen oder Gewalt ist die schlechteste Ausrede, die mir je für eine Weltsicht zu verkaufen versucht wurde. ;) ). Und deswegen werden UA-Abenteuer mit Normalos eben gerne Cthulhu: weil es nicht darum geht die verquere Weltsicht zu verwenden oder eben nicht zu verwenden, sondern darum, bei NSC die verquere Weltsicht aufzudecken bzw. zu bewundern. Und das wird eben sofort zum klassischen Detektivabenteuer mit einem Hauch Okkultismus, bei dem der SL auf den Infos sitzt. *würg*!
2. Mir als Psychologen ist natürlich gleich die wunderbare Nähe der UA-Protagonisten zur Zwangsstörung aufgefallen. Bei der Zwangsstörung gibt die Befolgung des Zwangs Sicherheit und Macht: wenn ich nicht auf die Ritzen trete, kann mir nichts passieren. Nur dass es bei UA wirklich Macht gibt, wenn man Charges sammelt und das Tabu vermeidet. Die Charaktere sind also voller Angst. Angst vor anderen okkulten Organisationen, Angst davor, nur ein kleines Würstchen zu sein, das nichts geregelt kriegt usw. Und die Obsession mit ihren strikten Regeln bietet Sicherheit. Wie sehr bin ich jetzt aber bereit, mich für diese Sicherheits selbst zu verkorksen bzw. mich von Allem zu entfernen, was die Umgebung als „menschlich“ definiert? Das ist für mich der Kern von UA und hat mich bisher zu vertieften Überlegungen zu „Obsession“ (meinem UA-Stripped) motiviert. Aber ob ich das jemals fertig kriege…
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Re: [Unknown Armies] Wie man UA spielt
« Antwort #12 am: 9.08.2006 | 16:21 »
Zähneknirschend muss ich dir mal zustimmen. :)

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Re: [Unknown Armies] Wie man UA spielt
« Antwort #13 am: 10.08.2006 | 11:40 »
Zitat
Deine Konstruktion mit Beziehungen oder Gewalt ist die schlechteste Ausrede, die mir je für eine Weltsicht zu verkaufen versucht wurde.

Jahaha, für dich oder mich sicher. Bei UA sind das aber typische Beispiele für Obsessionen (die ja nicht umsonst so heissen). Deshalb sind für mich auch Normalos bei UA die unterhaltsamsten Charaktere: Die haben ihre Wahl noch nicht getroffen. Für AAs ist alles klar, die wissen, wie die Welt tickt. Aber Normalos haben erstmal nur eine sehr enge Auffassung von Realität. Und dann kommt - wusch, zack - die Krise, und sie müssen sich entscheiden. Legen sie sich jetzt drauf fest oder liefern sie sie sich der Unsicherheit aus? Zwangsstörung in the making ist halt spannender als Zwangsstörung als Normalzustand.