Autor Thema: Mary Sue im Rollenspiel  (Gelesen 5472 mal)

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Offline Nocturama

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Re: Mary Sue im Rollenspiel
« Antwort #25 am: 24.11.2007 | 10:33 »
Zitat
Kernelement von MarySues scheint ja zu sein, dass sie überproportional gut und fehlerfrei sein sollen und man die Vermutung hegen kann, das der Spieler damit etwas kompensieren will.

Auch auf die Gefahr hin, in die Untiefen der Hobby-Psychologie abzusteigen, aber das kommt mir wie das Kernproblem bei Mary Sues vor (selbst wenn das vielleicht (?) von der offiziellen Definition etwas abweicht). Ein Charakter, der als Wunscherfüllung dient, der cool ist, besser als ich selbst, supermächtig oder mir selbst sehr ähnlich ist, muss keine Mary Sue sein. Dazu gehört mMn, dass ich einem Charakter solche Charakterzüge gebe, weil ich dadurch eigene (eingebildete oder reale) Schwächen kompensieren will - das aber meistens unbewußt. Genau aus diesem Grund halte ich ja Mary Sues hauptsächlich für ein Teenager-Phänomen.

Natürlich kommen Mary Sues in Reinform fast nur in Fan-Fiction oder Forenrollenspielen vor, denn dort ist man relativ anonym und macht sich nicht so persönlich angreifbar - was wichtig ist, da nach meiner Interpretation eine Mary Sue geschaffen wird, um eine Unsicherheit meinerseits zu verdecken.

In der Art können einem schwächere Mary Sues (wie erwähnt durch die Regeln im Zaum gehalten) durchaus beim Rollenspiel begegnen. Beispiel wäre ein besonders attraktiver Charakter, weil sich der Spieler für unattraktiv hält oder - ich traue mich fast nicht, es zu sagen, aber da mir das schon untergekommen ist, nehme ich es auf - ein sexuell sehr erfolgreicher Charakter, weil der Spieler Probleme mit dem anderen Geschlecht hat. Um es nochmal zu sagen: beide Arten von Charakteren kann man spielen, ohne dass sie das geringste mit Mary Sues zu tun haben oder das irgendwie negativ wäre, selbst wenn es sich um Wunscherfüllung handelt. (Anm.: das sind natürlich reichlich platte Beispiele und sicherlich ist so was normalerweise viel abstrakter und unfokusierter, aber ich bin keine Psychologin und will da lieber nicht spekulieren.)
Problematisch an dieser Art Mary Sues im Rollenspiel ist, dass sie sich persönlich angegriffen fühlen, wenn der "Überkompensations-Charakterzug" der Mary Sue angezweifelt/angegriffen wird oder gar jemand darüber Witze macht. Zusätzlich können diese Spieler doppelt schlecht damit umgehen, wenn ihrem Charakter in dieser (der von ihnen kompensierten) Hinsicht etwas Unerwünschtes zustößt...

Hm, ich habe schon Spieler erlebt, die Mary Sues mit Kompensationszügen gebastelt haben und damit gab es dann auch Probleme...
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Offline AE

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Re: Mary Sue im Rollenspiel
« Antwort #26 am: 24.11.2007 | 22:02 »
Danke erstmal für eure Ideen zu meinem Post.
Ich hab mir noch einige Gedanken zu gemacht und bin bisher zu folgen Schlüssen gekommen.

Die Mary-Sue Definition
Ich denke die üblichen Definitionen von Mary Sues lasen sich nicht wirklich gut aufs klassiche P&P Rollenspiel anwenden. Zumindestens nicht für Spielercharaktere. Das liegt daran das der Begriff der Mary-Sue mehrere Eigenschaften vereint.
Der fürs Rollenspiel relavante Teil der Mary Sue ist einerseits immer im Spotlight zu stehen und andererseits keinen wirklichen Konfilkten ausgesetzt zu sein. Beides würde sich höchstwahrscheinlich negativ auf das Spielerlebnis auswirken.
Dazu kann es aber eigntlich nur kommen wenn der Spieler der Mary Sue die Gruppe Sozial dominiert und so Spotlight und "Ausnahme Regeln" für seinen Charakter durchsetzen kann.

Mary Sues und der schlechte Geschmack
Viele der Litmus-Tests für Mary Sues und ebenso viele Beispielhafte Beschreibungen beschäftigen sich aber neben dem Spotlight und der Konfliktfreiheit der Mary Sues auch mit dem schlechtem Geschmack ihrer Erschaffer. Viele Mary Sues in der FanFiction sind einfach Abziehbilder und kreativelose kombinationen von Aspekten bereits bekannter Archetypen und Charakatere.
Grundsätzlich ist nichts falsch am schwarzen Trenchcoat + Katana, jedoch ist es nicht unbedingt die kreativste Kombination - da bereits 1000+fach gesehen.
Langweiliges wiederkauen abgelutschter Klischees erzeugt kein disfunktionales Spiel und ist einzig und allein eine Frage des Geschmacks.
Besonders auffällig ist der schlechte Geschmack am Mainstream, so scheinen gerade Anime und AnnRice Fans häufig in diese Falle zu tappen.

Mary Sues und der Fetisch
Viele Mary Sues erleben explizit sexuelle Geschichten und sind darüber hinaus immer besonders sexy, anmutig, etc. Dies allein unterscheidet sie schon von gewöhnlichen Munchkins. Dabei können Mary Sues sowohl das idealisierte Selbst darstellen als auch ein Wunschobjekt des Erschaffers/Spielers sein. (zb. Tomb Raider). Ich denke gerade Computer Spiele und Anime haben eine solche Art von Projektion massentaglich gemacht.

The moral high ground / bzw. Nachteil zu Vorteil gleich Märtyrer?
Ich hatte mich gewundert warum eine vielzahl von Mary Sues eine scheinbar traumatische Vergangenheit aufweisen. Folter, Vergewaltigung, Verlust von Geliebten etc. Zuerst dachte ich das dies noch in die Fetisch Ecke gehört doch jetzt ich denke das die nur manchmal der Fall ist.
Zuerst konnte ich keinen Vorteil finden den ein Charakter daraus zieht in seiner Jugend mishandelt zu worden sein.
Doch dann kam mir die Erkenntnis es geht um Märtyrertum. Darum moralisch im Recht zu sein und natürlich letztendlich immer im Mittelpunkt zu stehen.
Ein Charakter der gefoltert wurde und durch die Hölle ging hat gewissermaßen ein ständiges recht auf mitlied. Es macht sich halt schlecht wenn man über einen abgebrochen Fingernagel heult wenn der Gegenüber in seiner Jugend ein Jahr mit glühenden Eisen gequält wurde.
Hinzu kommt natürlich die Möglichkeit jeder Bedrohung ins Gesicht zu lachen da man ja schon viel schlimmeres erlebt hat.

Die Gender Falle
Eine größtteil der Mary-Sues scheint weiblich zu sein. Dies hat sicherlich viele Gründe doch zu zwei will ich noch etwas sagen.
Erstens denke ich das männliche Überhelden gesellschaftlich weitaus akzeptierter sind und dadurch nicht so schnell als Mary Sues bezeichnet werden andererseits manche Internetbewohner in fast jeden starken weiblichen Charakter eine Mary Sue sehen.
Zweitens denke ich gibt es abar auch andere ganz konkrete Faktoren.
Durch gewisse geschlechtliche Zuschreibungen sind weibliche Charaktere einfach per se gefährdeter Mary Sue züge zu bekommen. Zum Beispiel die Kombination zweier unvereinbarer Vorteile.
Währende bei männlichen Charakteren schön und stark(körperlich) sich nicht ausschließen sondern sogar eher begünstigen ist es bei weiblichen Charakteren genau umgekehrt. Mit einer 60cm Talie und 55kg Körpergewicht sind der körperlichen Stärke natürlich gewisse Grenzen gesetzt.
Ein weiblicher Charakter der die gängigen Schönheitsideale bedient und sich im waffenlosen Kampf mit allen Gegner messen soll muss also entweder über unglaubliche Kampferfertigkeiten verfügen oder eine übernatürliche und unsichtabre Stärke verfügen. (Buffy/Resident Evil-Filme). Natürlich kann der Charakter auch nicht viel Zeit mit dem lernen von Kampfkunst/sport verbracht haben da sie zusätzlich auch noch so jung wie möglich sein muss. Magie ist dann der häufige Ausweg.
Selbstverständlich sind solche Charaktere nicht alle schlecht oder Mary Sues (bin selbst Buffy-fan) aber durch die unrealistichen Anforderungen die, die Gesellschaft an weibliche Helden stellt (sexy+jung+superstark) steigt der Anspruch an den/die AuthorIn einer solchen Geschichte die Glaubwürdigkeit aufrecht zu erhalten und die Heldin zum Teil der Welt zu machen ohne das sie aufgesetzt wirkt.


« Letzte Änderung: 24.11.2007 | 22:05 von AE »