Tach!
Mein simpelster Ratschlag für mehr cineastisches Rollenspiel wäre: "Spielt Feng Shui!" Da ihr aber Liquid spielt und wohl das System nicht wechseln wollt, hier ein paar Tips, die bei mir funktioniert haben. Das meiste davon ergibt sich direkt aus Feng Shui...
- Du brauchst kompetente SCs, nicht irgendwelche Looser, die bei jeder zweiten Probe scheitern. Denn wenn die Charaktere richtig gut sind, lassen sich die Spieler eher darauf ein, Dinge nicht effektiv und direkt, sondern mit Stil zu tun.
- Das Kampfsystem darf nicht tödlich sein. Wenn ein SC sich aus 2m Entfernung einen Autofeuerstoß aus einem Sturmgewehr fängt und nicht davon ausgehen kann, daß er das locker überlebt und ohne Malus durch Verwundeungen weiterkämpfen wird, ist das System IMHO ungeeignet.
- Wenn etwas einfach geht, darf der SC nicht mit Mali dafür bestraft werden, wenn er es umständlich macht. Beispiel aus meinen Spielrunden: Die SCs kämpfen gegen einen Dämonen, hinter dem Dämon steht der Beschwörer. Der Dämon ist heftig angeschlagen. Ein SC geht an dem Dämon vorbei auf den Beschwörer zu, fixiert ihn, schwenkt die Waffe nach hinten, bläst dem Dämon ohne hinzugucken den Kopf weg und hält die Waffe dem Beschwörer an die Stirn. Alle in einer flüssigen Bewegung. Auf die Aktion gab es keinen Malus, weder für Bewegung, noch für blindes Feuern. Denn wenn ich diese Mali gegeben hätte, hätte sich die Spielerin das Ganze sicher überlegt und effektiver, aber langweiliger gespielt.
Aber auch sonst sollten die Spieler die Worte "Das ist aber schwer, da gibt es einen heftigen Malus!" nicht oft hören. Bei der festlegung der Schiwerrigkeit sollte man sich als SL nicht nur die Frage "Wie schwer ist das eigendlich?" sondern auch Fragen wie "Sieht das gut aus?", "Ist das interessant oder eher effektiv, aber langweilig?", "Bringt das die Story voran?" oder auch "Paßt das zum bisherigen Stil?" stellen.
Meine Erfahrung ist, daß die Spieler sehr schnell merken, mit was sie durchkommen, und dann anfangen aufzudrehen. Ich habe Feng Shui schon mit ziemlich vielen Leuten gespielt, und die allermeisten ließen sich schnell darauf ein und fingen an coole Stunts zu beschreiben.
- Direkte, wörtliche Zitate vermeiden. Das wirkt meist zu platt, zumindestes wenn es vom SL ausgeht. Bei Spielern funktioniert es seltsamerweise. Was allerdings gut funktioniert, ist die Stimmung von bestimmten Szenen aus bekannten Filmen aufzunehmen. Beispiel: Die SCs arbeiten für einen Gangsterboß. Sie betreten eine Bar, schummeriges Licht, hinter der Bar steht ein einsamer Barkeeper, zwei Leibwächter sind irgendwo im Hintergrund.. An einem Tisch sitzt ihr Boß, ein großer Schwarzer mit Glatze in einem schwarzen Anzug. Sie werden begrüßt mit "Ah, meine Nigger! Ihr seid doch meine Nigger, oder? Kommt, setzt euch."
- Die Spieler bremsen, wenn sie sich auf Filmklischees verlassen wollen oder meinen, sie müßten sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten.. "Gut, wir sind also in einem Zombiefilm. Dann sollten wir uns jetzt trennen." oder "Da wir in einem Actionfilm sind, wird die Polizei so und so handeln." Die Spieler müssen sich vergegenwärtgen, daß die SCs nicht wissen, daß sie sich in einem Action-Film befinden.
- Nicht ins lächerliche abgleiten lassen. Es kann zwar schon mal witzig werden, aber wenn die Stimmung kippt und die Spieler nichts mehr ernst nehmen, dann war es das. Dann kann man genausogut aufhören. Als SL muß man versuchen gegenzusteueren, z.B. indem etwas besonders Gemeines, Grausames oder Schreckliches passiert. Wenn die Spieler auch dann noch Witze machen, wenn die SCs vor der übel zugerichteten Kinderleiche stehen, ist es ein guter Zeitpunkt, die Session zu beenden.
Als Erinnerung, daß das hier kein Hei-Tei-Tei-Spiel ist, kann man Fehlschüsse nehmen. Wenn ein Kampf in einer Szenrie mit vielen Unbeteiligten spielt, kann ein Schuß, den die Bösen verfehlt, auch mal einen Unbeteilgten treffen. Das kann man als SL dann durchaus erwähnen. "Der Schuß geht daneben und trifft einen Typ, etwa Mitte 20, mitten in die Brust. Er wird nach hinten geschleudert und geht zusammen mit einem Zeitschriftenregal zu Boden." Die Beschreibung kann natürlich beliebig brutal werden...
- Das ist einfach zu wichtig, ich wiederhole das noch mal explizit: Alle Mitspieler müssen das Spiel ernst nehmen.
- Das Manchmal-muß-es-einfach-klappen-Prinzip anwenden. Einige Aktionen der Spieler sind einfach zu gut, um sie scheitern zu lassen. Dann benutzt man die Probe als Gradmesser dafür, wie glatt die Aktion gelaufen ist. Beispiel: (System: Arcane Codex) Die Spieler kämpfen in einer Kneipe gegen eine Ork-Gang. Ein SC ist auf einen Tisch gesprungen und kämpft von oben. Plötzlich bemerkt er, daß ein wichtiger NSC von drei Orks angegriffen wird.
Spielerin: "Wir sind doch in einer großen Kneipe. Hier ist doch bestimmt ein Kronleuchter?"
SL: "Klar. Wo möchtest du ihn haben?"
Spielerin: "Der Kronleuchter ist zufällig zwischen mir und dem NSC. Mein SC springt vom Tisch an den Kronleuchter, schwingt sich zum NSC, tritt dabei noch einen Ork aus dem Weg, und landet neben dem NSC."
Die Probe ergab: ganz gut, aber nicht so gut, daß so ein Stunt klappen kann. Die Aktion klappte trotzdem, den Ork hat der SC allerdings nicht aus dem Weg treten können, aber der SC landete dort, wo er hinwollte.
- Der letzte Punkt enthielt eine weitere, wichtige Sache: Die Spieler sollten mitbestimmen, was wo ist (zumindestens wenn es paßt.) Denn ein cooler Stunt sollte nicht daran scheitern, daß ein wichtiger Gegenstand gerade nicht in Reichweite ist.
- Keine peinlichen Patzer. Auch wenn die Versuchung für den SL groß ist: wenn ein Patzer auftritt, sollte den SC nichts extrapeinliches passieren. Scheitern ist in Ordnung, den SC zum Gespött machen nicht. Das ist kontraproduktiv, weil sowas die Spieler bei späteren Aktionen bremst.Und für gute, cineastische Aktionen hilft es, wenn der Spieler das Gefühl hat, alles jederzeit unter Kontrolle zu haben.
- Die sorgfältige Dosierung von Klischees. Manche Dinge müssen einfach genau so passieren, aber man darf es nicht übertreiben. Stichwort Goldener Mittelweg.
Tja, mehr fällt mir nicht ein.
Tybalt