Autor Thema: [Spielmethodik] Die Dialektik von Ausplüschen und knallhartem Konflikt  (Gelesen 1324 mal)

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wjassula

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In alten Zeiten, als Indie-Spielenden sich noch abgrenzen mussten, da sprach man viel von "Color" einerseits und "allemanderen" andererseits (womit meistens irgendwie handlungsrelevantes, echt wirklich spielergesteuertes gemeint war).

Ich bin, vielleicht etwas verspätet, zu der Erkenntnis gekommen, dass das überhaupt kein Gegensatz ist, sondern im Gegenteil, das genüssliche Ausplüschen und mit-Details-versehen der Spielwelt und des Charakters eine unabdingbare Voraussetzung ist, um bei spannenden Konflikten zu landen. Der Begriff des Konflikts soll hier mal unhinterfragt bleiben; ich sehe es als gegeben an, dass nicht jedes Rollenspiel sich um Konflikte in irgendeinem Sinn drehen muss, schon gar nicht um welche, die die Spielenden aufziehen und entscheiden - man kann ja auch nur zugucken. Ich rede aber über meine Spielerfahrung, und da haben wir es gern, wenn die Spielenden auf dramatische Knäul hinarbeiten, und die dann spannend aufdröseln. So.

Die falsche Annahme war irgendwie immer, dass das Erzählen davon, was die Protagonisten anhaben, wie es im Hexenhaus riecht und ob auf dem Dolch des Attentäters Augen und Tentakel sind - dass das nur gemacht wird, weil man sonst nichts machen darf. Heißt: Die doofen alten Rollenspiele machten, dass die Spielleitung einem alles vorerzählte, und wenn man sich nicht zu Tode langweilen wollte, musste man einkaufen gehen spielen, damit man mal überhaupt was entscheiden konnte. Abgesehen davon, dass mir das rückblickend als ziemliches Abtun einer okayen kreativen Leistung erscheint (na, dann ist halt die Spielleitung zuständig für den Plotverlauf und die anderen für alles andere, das ist ja immer noch ne Menge und wenn die das unterhaltsam können, super) - abgesehen davon also, merke ich immer öfter, dass die Qualität der knalligen Konflikte proportional zur Knalligkeit des Drumrum wächst. Weil man dann mehr Material hat, aus dem man sich zu interessanten Konflikten anregen lassen kann.

Vielleicht hätte man nach der bombastischen Einleitung irgendwie etwas erhellenderes erwartet, ist aber nicht. Das ist schon alles.

Beispiel: In der online PtA-Elite-Runde folgte ich einer Eingebung und übte mich im Goblin-Sprechen. Als sich das Gelächter gelegt hatte, brachte irgend jemand auf, dass die eher wie Enten klängen als wie Goblins. Das wurde ausfantasiert, und schon änderte sich unser Bild der Rotpelze hin zu etwas flauschigem, knuffigen. Das war nun wieder entscheidend für einen anschließenden Konflikt, in dem ein Protagonist aus dem Gruppenkuscheln ausgeschlossen wurde. Gruppenkuscheln und das Vertrieben werden daraus als Konflikt des Miesepeter-Anführers herzunehmen, wäre uns vermutlich nicht eingefallen, wenn die Gobbos nicht auf einmal Daunenpelz gehabt hätten.

Mehr Beispiel: In "Keep on the Shadowfell" kam es zu einem Tod ohne Save, weil wir nicht ausgeplüscht hatten, dass dieses schwarze Loch in der Wand irgendwie unheilig rumschwirbelt und dass gruselige Gesänge daraus hervordringen. So dachte man, na, ist halt ein Beschwörungsloch, ging zu dicht dran und peng war man tot. Es waren Tentakel drinnen. Mit etwas Ausplüschen wär das nicht passiert.

Also: Ausplüschen orientiert, befeuert emotional und ist handlungsrelevant, weil es Anlässe für Konflikte bereitstellt. Sozusagen Schründe und Vorsprünge, an denen sich die kleinen Gedankenfingerchen festkrallen können, auf dem Kletterweg zum emotional interessanten Konflikt. Und man weiß vorher nie so genau, welche Details interessant sein können, deshalb sollte man immer fröhlich drauflosfabulieren, je mehr Buntheit, desto mehr Konfliktideen.

Wie nun aus der ganzen Farbenpracht ein mitreißender Konflikt wird, und wie man den entwickelt - das steht wieder auf einem ganz anderen Blatt. Ein gut designtes Spiel hilft da auch ungemein, ich spreche mich also nicht für back to the roots aus. Nur reden hilft auch nicht. Aber nur konflikten auch nicht.

Fragen: Gibt es prägnante Beispiele aus eurer Spielpraxis für das Fehlen oder die segensreiche Wirkung von Ausplüschen? Und, noch wichtiger: Kann man das Zusammenspiel von Ausplüschen und Konflikt irgendwie befördern - verregelt oder unausgesprochen?

Offline Dirk

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Überzeugt mich!

Deine Fragen kann ich noch nicht beantworten aber: das Plüschen sollte sich im Zaum halten, da sonst Langeweile droht - Ausnahme ist wenn Könner des Plüschens am Werk sind.

Die letzte Frage ist ungemein spannend. Da habe ich mir schon so viel den Kopf drüber zerbrochen und stets gab es unzufrieden machende Resultate. Eines der Grundprobleme ist, dass man immer wieder dabei landet auf wen es in der Spielergruppe wohl anregend wirkt. Und ab da fasert es sich an den Geschmäckern auf. Also muss man ein Thema und Richtlinien vorgeben, das siebt Unstimmigkeiten aus - was aber nichis anderes ist als eine ausgeplüschte Genrekonvention.

Später mehr - die Zeit rennt,

MfG
Dirk
Erdmännchen finde ich schon echt putzig!

Aber Koks ist einfach nicht meine Droge.

Joe Dizzy

  • Gast
Kann man das Zusammenspiel von Ausplüschen und Konflikt irgendwie befördern - verregelt oder unausgesprochen?

Mir würden da auf Anhieb Fanmail und XP für "gutes Rollenspiel" einfallen. Wobei letztere natürlich oft den Nachteil haben, dass nur eine Person diese verteilt und das "Ausplüschen" damit schnell umkippen kann in ein "Herrchen gefallen wollen". 

Unausgesprochen bleiben eigentlich nur die typischen verbalen und non-verbalen Hinweise. Also Körpersprache lesen, Intonation beachten oder sich kurz in andere Leute hineinversetzen können. Alles Dinge, die man sowohl zu senden wie auch zu empfangen wissen sollte. Gerade bei Leuten, die sich noch nicht so gut kennen, ist das natürlich schwer. Aber gerade in solchen Runden hilft es ungemein wenn man etwas mehr darauf achtet deutliche und verständliche Signale zu geben. So etwas wie "sich zu mehr Enthusiasmus trauen" und ähnliches.

Aber genau dieser Punkt scheint ja unter den stereotypen Rollenspielerkreisen eher schwierig zu sein. Ich erinnere mich da an den "Warum nicht mehr offene Kommunikation?"-Thread.

(Beispiele für "Ausplüschen" kann ich leider auch nicht liefern. Bei mir verblassen diese subtilen und feinen Elemente einer Spielrunde nur wenige Augenblicke nachdem ich mit dem Spielen aufgehört habe. Was dann auch der Grund ist weshalb ich keine Diaries schreibe. :D)

Offline Xemides

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Fragen: Gibt es prägnante Beispiele aus eurer Spielpraxis für das Fehlen oder die segensreiche Wirkung von Ausplüschen?

Ich erinnere mich, als ich vor vielen Jahren mal Cyberpunk gespielt habe. Ich spielte einen Decker, stöpselte mich ein um irgendwelche Daten zu empfangen. Der SL meinte, da kommt irgendein ICE, ohne es näher zu beschreiben (was die Regeln ja sogar hergegeben hätten). Also näherte ich mich weiter dem ICE ohne zu wissen, um was es sich handelt. UNd siehe da, es war die tödlichste Art und ich endete auch dementsprechend.

Mit einer Beschreibung des ganzen hätte ich mich möglicherweise anders entschieden.
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Offline 8t88

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Also ich habe gerade bei PTA irgendwie das Gefühl, dass gerade Fredi etc. wenig für Color Übrig hatten. In meinen Runden habe ich immer mit den Grundsätzen von Beschreibungen gespielt. was für viele Gruppen schon ausreicht: Strärkster Sinneseindruck zuerst, dann die anderen, und die Stimmung die das Ganze szenario transportiert, so wie eben die Eckdaten der Räumlichkeiten/der Sache.

Beim gewinnen der Szene arbeite ich immer mit allen Kameratricks, die mir als "8t dem Colorbär" wie Fredi mich liebevoll getauft hat ;)  zur Verfügung stehen. Frag mal Caralywynn und CrazyDwarf die fanden das in Ihren Rundne total super!
Live and let rock!

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