Wie ist die Qualität der Plotpoint-Kampange?
Nach meinem Geschmack: SCHEISSE.
Wer DSA- oder (noch vergleichbarer) Forgotten-Realms-Schwülstigkeit mag, dem könnte so etwas gefallen.
Shaintar hat ein paar GUTE Ansätze (gerade im Regelteil der Settingregeln, die neue Magiearten und - hier kommen die Perlen - auch längerwirkende Magie, von der man länger etwas hat als von der SW-typischen Kampfmagie, die in Kampfrunden bemessen wird, aufweisen).
Shaintar ist aber ein Forgotten-Realms-Klon.
Die Spielwelt ist völlig unglaubwürdig (sogar für eine Fantasy-Spielwelt).
Die Fülle an Fremdrassen und die Gedrängtheit von Kulturen, die NIE auf so engem Raum so unterschiedlich und in sich homogen hätten existieren können (wobei es in dieser Hinsicht Aventurien an schwachsinniger kultureller Bestückung nicht das Wasser reichen kann - aber was kann das schon?), ist interessant zum Klauen, aber der Gedanke dort in diesem "Zoo" zu spielen macht mich schaudern.
Ganz MIES (tm): Das billige "Harper-Plagiat" in Form von Graysons Gray Rangers.
Ausgesprochen doof: Die PP-Kampagne geht davon aus, daß die SCs ALLE Mitglied dieser Copy&Paste-
HarpRanger-Truppe sind. Was anderes als SC geht nicht, wenn man die PP-Kampagne spielen will.
Mit Shaintar liegt eine recht umfangreiche Fantasy-Welt vor. - ZU UMFANGREICH um noch Savage genug zu sein.
Savage sind Spielwelten, die umfangreich WIRKEN, aber zu denen nur die knappst notwendigen Informationen gegeben werden - und die TROTZDEM jahrelanges, nie langweilig werdendes Spielen ermöglichen! 50 Fathoms ist da ein klassisches Beispiel für solche Savage Settings mit POTENTIAL auf knappem Raum (statt langschwafeligem "Das habe ich bei FR schon mal unterhaltsamer gelesen"-Salbadern).
Shaintar ist das Herzenskind von Sean Patrick Fannon, einem soliden US-Rollenspielszene-Kenner, dem aktuellen PR-Menschen für OneBookShelf (RPGnow.com und DTRPG.com), dem Verfasser der RPG-Bible, usw. - Nur hätte er vielleicht nicht gerade die Forgotten Realms kopieren sollen, sondern - suchen wir mal etwas in sich deutlich mehr Savage-Potential bietendes - z.B. Dark Sun. - Ein Dark-Sun-Klon oder ein Midnight-Klon wäre wesentlich mehr Savage als ein schwülstiges Savage-Elminster-Geschwafel (nebenbei: solche Uber-NPCs (ja eigens OHNE Umlaut geschrieben - ich spucke auf Elminster!) gibt es natürlich auch auf Shaintar und sogar in der PP-Kampagne ist solch ein Uber-Knilch mit Plot-Immunität, die ihm schon zum Arsch rausstrahlt, dabei. - KOTZ!
Typische Savage Settings strotzen vor wichtigen NSCs. Und die Spieler können JEDEN davon UMLEGEN, wenn ihnen danach ist!
Solche Wichte aus dem Unsterblichen-Streichelzoo sollte sich JEDER Fantasy-Rollenspiel-Autor sparen (oder zumindest nur unter der Bettdecke behalten, wenn er denn so darauf abfährt).
Die Plot-Points an sich sind mäßig bis langweilig.
Es gibt da ein paar "Lowlights" von Plot-Points, in denen die SPIELER wohl nur dann "richtiges" Verhalten zeigen werden, wenn sie "Born in the USA" sind und die dortige Sozialisierung hinter sich haben. - Mir kam dabei ein herzhaftes, urdeutsches "Ha, no! Was isch'n des?" (für Fischköpfe und alle Manager: "So, what?") über die Lippen.
Was zeichnet denn "normale" Savage-PP-Kampagnen aus?
1. Die Spielwelt hat ein Problem. Ein GROSSES Problem. Ein geradezu EXISTENZBEDROHENDES Problem.
(50 Fathoms: Die Welt säuft ab. Evernight: Die Sonne ist weg. Sundered Skies: <Das Problem ist DER MEGA-Spoiler, aber es ist zumindest dem Spielleiter bekannt.>)
Shaintar: JA. Es gibt solch ein Problem. Und das scheint durchaus ziemlich groß, dick, und bedrohlich zu sein.
2. Die PP-Kampagne ist aus zeitlich nur lose gekoppelten Plot-Points aufgebaut, zwischen die man jede Menge saftiger Savage Tales oder aus den jeweiligen Abenteuer-Generatoren selbst gebastelter Szenarien streuen kann.
Shaintar: Jein. Die lose Kopplung ist nicht so recht gegeben. Und das Dazwischenstreuen der z.T. sehr "seifigen" Savage Tales macht nicht wirklich Lust auf mehr - und man lernt auch nicht die Spielwelt durch ERSPIELEN der "Ortskenntnis" mittels dieser Savage Tales kennen! - Normalerweise haben Savage Tales die Aufgabe viel von dem für die Kampagne nicht essentiellen Lokalkolorit des Settings zu vermitteln und so die Spieler mit dem Setting und dessen internen Gefügen vertraut zu machen und die Spieler das Setting verstehen und mögen zu lassen. Solchen Spielern LIEGT ETWAS daran, diese Welt zu retten - und somit werden sie von selbst die Plot-Points suchen! Diese Aufgabe der Savage Tales (im Gegensatz zu den Abenteuer-Generatoren) ist bei Shaintar vom Autoren der Savage Tales augenscheinlich nicht verstanden worden.
3. Die PP-Kampagne LÖST das Problem. Rettet die Welt (oder zumindest einen ansehnlichen Teil davon).
(50 Fathoms: Die Welt geht nicht mehr unter. Necropolis: Man hat New Budapest zurückerobert. NE: Die Aliens haben den Arsch voll bekommen.)
Shaintar: NEIN! - Man hat sich als Pampers-Wechsler bei einem der Plot-Unsterblichen betätigen können, damit er mit einem anderen Plot-Unsterblichen zusammenkommt und sich gegenseitig das machen, was erwachsene, volljährige, im gegenseitigen Einverständnis stehende Plot-Unsterbliche so miteinander machen. Und die Spielercharaktere? - Die dürfen ohne Eintritt zu zahlen dabei ZUSCHAUEN!
Eigentlich tauschen die Plot-Unsterblichen nur Informationen aus, die sie nicht einmal freiwillig mit den SCs teilen wollen. Die SCs sind die Wasserträger, die Pißpagen, die Arschwischer dieser Plot-Unsterblichen. *würg* *kotz* - Bei so etwas wird mir immer ganz übel. Das ist DSA vom Feinsten. So
UNSAVAGE wie man nur sein kann!
Die Plot-Point-Kampagne ist Scheiße!
Die SCs dürfen NICHTS WESENTLICHES an der Spielwelt ÄNDERN! - Das ist doch KEINE PP-Kampagne, das ist DSA-Plot-Eisenbahn mit Verbot zum Selbsthandeln oder Blümchenpflücken, dargeboten statt als Block zum langsamen Durchnagen (und Zähneausbeißen) eher als einzeln verpackte (dennoch sperrige und schwerverdauliche) Häppchen.
Mein Eindruck zu Shaintar: Das ist so UNSAVAGE, daß es besser nicht mit SW umgesetzt worden wäre. - Die Regelumsetzung ist größtenteils auch ausgesprochen geeignet die SW-Wertebereiche zu sprengen (da gibt es Angriffs- und Verteidigungs-Boni, daß einem schwindlig wird. Heroisch geht auch anders (siehe PotSM oder DTA) und braucht keine Inflation an Spielwerten, wie es bei Shaintar vorgemacht wurde, um "Legendäre Fantasy" spielen zu lassen. Legendär! Da sammelt sich schon wieder vermehrt Speichel, den ich gerne loswerden würde. Den säuerlichen Geschmack habe ich noch von ein paar Abschnitten weiter oben im Mund.
Es ist ein Savage Heartbreaker.
Manche (wenige!) Perlen sind darin.
Der Rest ist alles, aber NICHT Savage. - Nicht mal ansatzweise!
Für die wenigen Perlen wäre MIR das Geld für eine Druckausgabe zu schade. Da nehme ich doch lieber die PDF-Ausgabe.
Oder lohnt es sich eher auf Evernight 1 zu warten, was nächstes Jahr als überarbeitetes Softcover rauskommen soll?
Evernight ist KEINE Plot-Point-Kampagne (was mit ein wenig Do-It-Yourself aber durchaus als PP-Kampagne spielbar werden kann). Evernight ist die bislang einzige "scripted campaign", d.h. eigentlich ein in kleineren Abschnitten präsentiertes, aber in sich geschlossenes Abenteuer (halt wie viele sonstige übliche Kampagnenbände eben auch).
Eine Plot-Point-Kampagne ist viel offener für (nahezu beliebige) spielerbestimmte Entwicklungsrichtungen (siehe 50 Fathoms). Evernight ist - auch schon wegen der Thematik geradezu zwangsläufig - weit linearer als es andere Kampagnen sind.
Evernight hat Schwächen. Wenn sie bei der Neuausgabe die VIELEN, VIELEN, VIELEN Fehler und Schludrigkeiten und Schlampigkeiten (ja, viel mehr als in JEDEM ANDEREN Savage Worlds Produkt) der Erstauflage beseitigen würden, dann lohnt sich aber der Kauf und das Spielen.
Wer Interesse daran hat, welche Erfahrungen ich mit der "Plot-Point-ifizierung" von Evernight gemacht habe, dem kann ich beizeiten das mal erläutern. Ich habe jedenfalls LANGE Spaß mit Evernight gehabt. Es war für unsere "Alte Säcke (tm)"-Gruppe, die wir seit AD&D 1st Ed. zusammen spielen die BESTE Kampagne der letzten 20 Jahre! (Was daran lag, daß meine Spieler einfach so toll sind und sich bei weltumspannenden Katastrophen SELBST angesprochen fühlen, das alles wieder geradezurücken. Ohne diese ausgesprochen hohe - über lange Zeit hohe - Spielerinitiative wäre das bestimmt nicht zu solch einer tollen Kampagne geworden.)
Wenn man JETZT, HEUTE Fantasy mit Savage Worlds spielen möchte, dann würde ich hier 50 Fathoms empfehlen. Es ist MEHR Fantasy-Setting als "Piraten"-Setting.
Sundered Skies würde ich nicht jedem so vorbehaltlos empfehlen wie 50 Fathoms. Dazu ist es zu "englisch". Und die Bedrohung, normalerweise offensichtlich und somit der MOTOR für die PP-Kampagne, ist leider GEHEIM und nur SL-Sache. Das dämpft die Einstiegsfreude in diese PP-Kampagne MERKLICH, wenn man Spieler hat, die sich nicht gerne unmotiviert auf eine McGuffin-Jagd scheuchen lassen, oder überhaupt scheuchen lassen (ein Grund, warum wir mit NE nicht viel Glück hatten).