Bis mir ein besserer Titel einfällt, hier mal ein paar Gedanken zu Lebenspunkten und Sozialkonflikten.
Warum sind Kämpfe so spannend? Klar, es steht etwas auf dem Spiel - das Leben beziehungsweise die Unversehrtheit meines Charakters. Wenn ich einen Kampf verliere, dann bin ich verletzt oder tot und erhalte mitunter drastische Mali auf kommende Aktionen.
Dass dies nicht für alle Rollenspiele gilt, macht schonmal stutzig: In D&D (keine Ahnung, wie es bei der neuesten Edition aussieht), hat mein Charakter keine Einbußen an Trefferchance oder potentiellem Schaden bei einem Schlag, egal, wie wenig Trefferpunkte er noch übrig hat. Dort ist also die Verwundbarkeit des Charakters recht schlecht aufgelöst, die Trefferpunkte sind eine rein taktische Ressource, die klarmachen: Wenn wir alle sind, bist du alle (tot oder zumindest kampfunfähig). Deswegen ist es auch nicht schlimm, wenn man verletzt wird - bis zu eben diesem Punkt. In anderen Rollenspielen erhält man ab bestimmten Schwellen oder sogar mit jedem Punkt Schaden, den man genommen hat, Mali auf kommende Aktionen: Hier kann man nicht mehr so einfach mit der taktischen Ressource arbeiten, da die negativen Folgen mitunter unmittelbar eintreten - beim nächsten Schlag kann man nicht mehr so gut treffen oder richtet weniger Schaden an.
Während man also das D&D-System so interpretieren kann, dass man den Gegner so lange in die Enge treibt, bis man einen vernichtenden Schlag landet, wird der Kontrahent in anderen Systemen Stück für Stück demontiert und verliert damit auch stückchenweise Kompetenz.
Oben habe ich Sozialkonflikte angesprochen, also versuche ich mal diese Kurve zu nehmen. Jeder kennt Systeme, in denen es auch "geistigen" Schaden gibt, der sich nicht nur auf körperliche Aktionen auswirkt, sondern auf alles, was man tut. In B&B gibt es sogar drei Arten von Schadensmarkern. Also kann man auch in Diskussionen oder ähnlichem so beeinflusst werden, dass zukünftige Aktionen beeinträchtigt sind - hier kann man interpretatorisch z.B. Motivation oder Selbstvertrauen anführen. Wenn ich eine Diskussion verloren habe, werde ich die nächste eher abbrechen oder mit weniger Feuer führen, weil ich von mir selbst nicht mehr so überzeugt bin.
Oft wird gefordert, dass auch Sozialkonflikte so spannend sein sollen wie z.B. Kämpfe. Dann bricht man dies auf die Variante herunter, dass die Folgen auch einfach die gleichen sein sollen - es wird einfach mehr aufs Spiel gesetzt. Aber geht das denn immer auf - ich kann mir Situationen vorstellen, in denen ein Charakter vor einer Diskussion neuen Mut schöpft oder nach einem verlorenen Wettkampf mit noch mehr Elan in den nächsten geht und mit noch mehr Feuer streitet. Körperliche Verletzungen dagegen können nicht so einfach glaubwürdig "spontan" geheilt werden.
Es muss also noch irgendeine Möglichkeit geben, die Spannung zu erzeugen. Interpretiert man die D&D-Trefferpunkte wie oben erläutert, so ergibt sich eine interessante Möglichkeit - man kann so ein System auch auf andere Konflikte übertragen. Dabei erhält jeder Kontrahent zu Beginn je nach Ausgangspunkt einen taktischen Puffer, der zuerst vernichtet werden muss, ehe ein finaler Schlag den Konflikt entscheidet. Erst danach treten permanente Folgen auf - Erniedrigung in einem sozialen Konflikt, schwere Verletzungen in einem Kampf.
Auch hat man so die Möglichkeit, sehr direkt Einfluss auf die Dauer eines solchen Konfliktes zu nehmen. In einem Nemesis-Kampf wird der Puffer erhöht, in einer Feldschlacht, wo man mit jedem Hieb einen Gegner fällt, ist der Puffer entsprechend niedriger.
Bleibt noch die Frage der realistischen Folgen dieser Art von Konflikten: Hier seid ihr gefragt. Wie kann man die negativen Auswirkungen von sozialen Konflikten genauso spannend regeln wie von kämpferischen Auseinandersetzungen - ohne ins reine Interpretieren und auf erzählerische Ebene zu verfallen?
[EDIT]: Was ich hier nicht diskutieren möchte, ist die Frage des Realismus solcher Ansätze und die Frage, ob man soziale Konflikte nicht lieber durch bloßes Ausspielen handhaben sollte.