Autor Thema: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?  (Gelesen 21854 mal)

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Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #100 am: 22.01.2010 | 15:10 »
Wieso ist die   A u f z e i c h n u n g    eines Rollenspiels Kunst, das Rollenspiel selbst aber   n i c h t ?
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Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

Zitat von: Dolge
Auf Diskussionen, was im Rollenspiel realistisch ist und was nicht, sollte man sich nie unter gar keinen Umständen absolut gar überhaupt vollständig nicht einlassen.

Offline Blutschrei

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #101 am: 22.01.2010 | 15:13 »
Zitat
Alles im Leben lehnt sich an Kunst an und umgekehrt.

Wenn ich jetzt in die Küche gehe, mir ne Möhre hol und diese esse, so ist das meiner Meinung nach nicht an Kunst angelehnt.
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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #102 am: 22.01.2010 | 15:14 »
Nein, die sind am Rollenspiel beteiligt.
Wenn man beim Jazz eine Jam Session hat sind die einzelnen Beteiligten auch nicht Beobachter / Rezipienten des gesamten.
Aber natürlich sind sie das. Genau aus dem Grund werden doch spontane Jam Sessions teilweise auch ohne normales Publikum gemacht.
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Offline Teylen

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #103 am: 22.01.2010 | 15:20 »
Wieso ist die   A u f z e i c h n u n g    eines Rollenspiels Kunst, das Rollenspiel selbst aber   n i c h t ?
Wenn die Spieler sich dazu zusammen finden wuerde um eine Aufzeichnung zu produzieren waere das was sie taeten m.E. kein Rollenspiel sondern Theater. Siehe beitrag zuvor.

Wenn ich jetzt in die Küche gehe, mir ne Möhre hol und diese esse, so ist das meiner Meinung nach nicht an Kunst angelehnt.
Essenszubereitung kann auch Kunst sein. ^^

Aber natürlich sind sie das. Genau aus dem Grund werden doch spontane Jam Sessions teilweise auch ohne normales Publikum gemacht.
Irgendein Publikum ist aber immer da. Ansonsten ist das ganze ja wie Schroedingers Katze, tendentiell nicht passiert..
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Offline SeelenJägerTee

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #104 am: 22.01.2010 | 15:21 »
@Teylen:
Komisch in der Welt so wie ich sie wahrnehme kann man etwas sowohl produzieren, als auch zeitgleich konsumieren.
Das ist so wie wenn du sagst.
Wenn ein Koch während er einen Kuchen backt den Teig probiert, dann lässt das die Perspektive nicht zu, dass er in Personalunion den Kuchen probiert und den Teig auch während dem Prozess konsumiert.


Offline Blutschrei

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #105 am: 22.01.2010 | 15:24 »
Zitat
Essenszubereitung kann auch Kunst sein. ^^

Also wenn ne ungeschälte rohe Möhre bei dir unter "Essenszubereitung" fällt...^^
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Offline Gaukelmeister

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #106 am: 22.01.2010 | 15:40 »
Nein, die sind am Rollenspiel beteiligt.
Wenn man beim Jazz eine Jam Session hat sind die einzelnen Beteiligten auch nicht Beobachter / Rezipienten des gesamten.

Natürlich sind sie das. Oder halten die sich die Ohren zu? - Wenn die Spieler nicht rezipieren, können sie gar nicht gemeinsam spielen.
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Preacher

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #107 am: 22.01.2010 | 15:41 »
Ich mach das mal in der Reihenfolge wie mir die Beiträge ins Auge Fallen:

@Teylen:
Selbst wenn Fiktion von Rollenspiel erschaffen wuerde, und selbst wenn sie einen kuenstlerischen Wert haette wuerde es nicht folgern das Rollenspiel eine Kunst(form) ist.
Naja, das hab ich aber auch nie geschrieben. Lies doch nochmals den Eingangspost: Meine These ist, daß Rollenspiel ein Medium ist, mit dem man vielleicht Kunst schaffen kann. Und ich habe explizit gesagt, daß Rollenspiel per se keine Kunst ist. Analogie: Schreiben. Niemand wird bezweifeln, daß man schreibend Kunst schaffen kann (Beispiele: Shakespeare, Goethe, Rushdie und beliebig viele weitere Autoren). Aber ebenso wird ja wohl niemand behaupten, daß jedes geschriebene Wort gleich Kunst ist.

Nun und just als These, wuerde jemand Rollenspiel unter der Praemisse eines kuenstlerischen Schaffungsvorgang betreiben, so waere es kein Spiel und erst Recht kein, Rollenspiel mehr.
Wieso "erst Recht"?
Damit sagst Du: Spiel kann keine Kunst sein, und Rollenspiel erst recht nicht.
Aber wieso solle Spiel keine Kunst sein können? Und wieso besonders Rollenspiel nicht?

Du sagst, Kunst muss für einen gewissen Zeitrahmen beständig sein. Das ist RSP doch - nämlich für die Dauer der Durchführung. Wie Performance Art auch. Und wieso sollte etwas nach außen hin abfallen? Wenn Kunst dadurch definiert wird, daß es ein Publikum gibt: Im RSP sind die Spieler auch gleichzeitig Publikum.

Nein, die sind am Rollenspiel beteiligt.
Wenn man beim Jazz eine Jam Session hat sind die einzelnen Beteiligten auch nicht Beobachter / Rezipienten des gesamten.
Was? Aber natürlich. Wenn ich jamme, dann bin ich gleichzeitig auch Publikum. Natürlich kann man gleichzeitig Sender und Empfänger sein - immerhin sind da ja auch noch andere beteiligt.

Was genau hat dieser Einwurf mit meinem Gegenbeispiel zu tun? Ich verstehe dich da gerade nicht, sorry *ernstmein*
Er bezieht sich hierauf:
Gegenbeispiel: Jemand war in einen  schrecklichen Unfall entwickelt (furchtbares Ereignis) und erinnert sich fortbleibend daran...wird der Unfall dadurch zur Kunst...wenn der Unfall dir zu Zufallsbehaftet ist, nehmen wir einen Amokläufer, der in einigen Leuten ein Trauma auslöst....hat der Amokläufer damt Kunst geschaffen? Ich denke nicht (und ich hoffe, das dies auch fast alle anderen so sehen), insofern sind die Erinnerungen einer RPG Gruppe für mich eben auch Erinnerungen an ein Ereignis, aber aben keine Kunst.
Du sagst "nicht alles, was nur als Erinnerungen bleibt ist Kunst, deshalb  ist nichts, was nur als Erinnerung bleibt Kunst". Die gleiche Argumentation kann man aber auch auf "dingliche Kunst" anwenden: "Eine Straße ist etwas, was konkret gebaut wird und was man anfassen kann. Aber sie ist keine Kunst. Also ist nichts, was man anfassen kann Kunst"
Da hinkt einfach die Logik ein wenig ;)

Rollenspiel unter der Prämisse zu betreiben "Kunst" zu machen halte ich für fragwürdig. Meines Erachtens geht nämlich genau dieser Kunstanspruch verloren, wenn bemüht versucht wird eine Sitzung zur Kunst zu machen. Ich muss da unweigerlich an pseudo-philosophische Emo-Vampire-Sitzungen denken, die ja soooo hohe Erzählkunst sind.
Guter Einwand. Dieses Eindrucks kann ich mich auch oft nicht erwehren. Geht mir aber nicht nur im RSP so. Ich kenne Leute, die sich selbst als Poeten, Schriftsteller und Künstler bezeichnen, die aber einfach nur wie blasierte Möchtegerns daherkommen.

Genau. Kunst kommt von Können und nicht von künstlich.
Müsste es dann nicht "könnst" heißen? ;)

So, und nun zu Kirilow.

Zuerst zur letzten Frage:
Was ist für Dich ein Medium und inwiefern ist Rollenspiel ein Medium?
Darauf beruht ja Deine Argumentation.
Darüber hatte ich mir an sich gar keine Gedanken gemacht, weil ich das als selbstverständlich vorausgesetzt habe. Ich machs kurz und schreibe aus Wiki ab:
"Medium als Übermittler von Informationen: Ausgehend von der stofflich vermittelten Informationsübertragung ergibt sich eine Verallgemeinerung, bei der die stoffliche Qualität eines Mediums in den Hintergrund tritt. Ein Medium kann hier ein Kommunikationsmittel beliebiger Art zwischen Sender und Empfänger bedeuten. Dies kann beispielsweise ein Brief, das Fernsehen, das Internet oder ein Mensch sein."

Die transportierten Informationen können natürlich fiktiv sein (wie in vielen Filmen und Büchern) oder auch spontan, und gleichzeitig mit der Übermittlung erst entstehen (wie im Falle von Rollenspiel).

Wenn Du das Thema vertiefen möchtest, können wir das gern an anderer Stelle tun, für jetzt würde ich es gerne dabei belassen.

Die anderen Fragen lauteten in etwa:
1.) Welche Kriterien würde ich an eine Spielrunde anlegen, damit sie Kunst ist?
2.) Wenn ich mich an den Spieltisch setzen würde, mit dem erklärten Ziel Kunst zu schaffen - welche Auswirkungen hätte das auf meine Spielweise?
3.) Gesetzt den Fall, es stellt sich heraus, daß man mit RSP Kunst schaffen kann - wäre ich der Meinung, daß es staatliche Förderungen erhalten sollte?

ad 1.): Zunächst einmal kurz mein eigener Kunstbegriff dazu: Ich bin da recht nah bei Turning Wheel - ein wichtiges, sogar ein entscheidendes Kriterium ist die Intention des Ausführenden: Man muss Kunst schaffen wollen um Kunst schaffen zu können. Allerdings wäre das ein notwendiges und kein hinreichendes Kriterium. Weiterhin gehört dabei für mich eine hinreichende "Schaffenshöhe" (ist das das richtige Wort?) - es muss etwas Neues geschaffen werden oder zumindest einer bekannten Sache ein neuer Aspekt, ein neuer Blickwinkel abgerungen werden. Hierzu genügt mir aber eine Neuinterpretation mit persönlicher Note (Beispiel Musik: Coverversion) oder das Hernehmen von etwas Bekanntem, um etwas Neues auszusagen.
Dazu kommt noch ein gewisses je ne sais quoi - das kann ganz unterschiedlich sein - um es von einem reinen Konsumprodukt abzuheben. Das kann ein gewisses ästhetisches Niveau sein oder eine damit verknüpfte Message oder die schiere Individualität - ist das einigermaßen verständlich?

Eine dingliche Komponente, eine Aufzeichnung, etwas haptisches ist in meinen Augen dagegen übrigens kein notwendiges Kriterium für Kunst.

Mit diesem Kunstverständnis ist Frage 1 also einfach beantwortet: Damit eine Spielrunde sich in meinen Augen als Kunst qualifiziert muss sie
a) mit der Absicht, Kunst zu schaffen gespielt werden
b) Innovation beinhalten (wirklich neue Geschichte oder zumindest neuer Aspekt bei bekannter Geschichte)
c) das "Je ne sais quoi" mitbringen, sei es in Form von herausragender Performance oder besonderer Aussage

Niemand hat je gesagt, dass es einfach ist ;)

ad 2.)
Wenn ich mit der Intention, Kunst zu schaffen an eine Spielrunde herangehen würde, dann wäre das Ergebnis ganz einfach: Ich würde auf Krampf versuchen, den oben genannten Kriterien zu genügen und die Runde mit recht hoher Wahrscheinlichkeit an die Wand fahren.

ad 3.)
Es tut mir leid, auf diese Frage habe ich keine Antwort gefunden, da ich auch bei den bestehenden "anerkannten" Kunstformen nicht sicher bin, ob eine staatliche Förderung Sinn ergibt.
Das Problem das ich damit habe ist das folgende: Einerseits ist es wünschenswert, die Vielfalt innerhalb der Kultur zu erhalten und auch die Möglichkeit zu eröffnen, sich eben dieser Kunst voll und ganz zu widmen. Andererseits: Wo soll man da die Grenze ziehen? Welche Kunst ist es wert, gefördert zu werden und welche nicht?
Diese Seite ist zwar satirisch, aber ich kann mir nur zu gut vorstellen, daß es so etwas gibt: Leute, die sich selbst Künstler nennen, einfach um Kohle abzugreifen und sich einen faulen Lenz machen zu können. Wie will man sowas von "echten" Künstlern unterscheiden?
« Letzte Änderung: 22.01.2010 | 15:46 von Preacher [N/A] »

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #108 am: 22.01.2010 | 15:41 »
Misconceptions

Kunst benötigt Anerkennung - Das komplette Cinema des ghoules war lange Zeit verpönt, ja verdammt gar, als Zelluloid-Äquivalent der Penny Dreadfuls, als Schund übelster Sorte. Heute werden diese Filme als bahnbrechende Filmkunst gefeiert. Sind sie also jetzt erst Kunst und waren sie damals keine?

Kunst benötigt Publikum - Wenn ein van Gogh Bilder malt, dann ist der Kunstanspruch entweder vorhanden oder nicht, egal wer sie sonst sieht. Viele von van Goghs Bildern wurden erst später gesehen (und auch erst viel später anerkannt), waren sie also Kunst, weil jemand sie sah, oder weil er verdammt künstlerische Bilder malte? Was ist mit den verlorenen Filmen des deutschen Expressionismus? Haben sie aufgehört Kunst zu sein, weil niemand sie mehr sehen kann?

Kunst benötigt Schaffenshöhe - Diese unsägliche Begriff entstammt glaube ich dem deutschen Urheberrecht und er suggeriert Meßbarkeit, wo keine ist. Letztlich entscheidet ein Richter, ob die "notwendige Schaffenshöhe" erreicht ist, oder nicht, d.h. der vermeintlich objektive Begriff beweist die völlige Subjektivität des Kunstempfindens.

Kunst benötigt Können - Paul Klee war ein ausgebildeter und sehr fähiger "klassischer" Maler. Am Ende seiner Laufbahn malte er das, was ich Fleckerlteppiche nenne und sehr mag, unter der Erkenntnis "Primitivität ist die letzte Erkenntnis der Professionalität". Macht erst die Tatsache, daß er auch Sonnenuntergänge und Hirsche sehr gut hat malen können, diese seine abstrakten Schmierereien zu Kunst?
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Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #109 am: 22.01.2010 | 15:51 »
Irgendein Publikum ist aber immer da.
Klar. Die Leute, die die Session spielen sind ihr eigenes Publikum.
Also genau das Gleiche, dass Gaukelmeister geschrieben hat.
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alexandro

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #110 am: 22.01.2010 | 15:58 »
Mein Verstädnis von Kunst:
1.) Es muss ein "Schöpfungsakt" stattfinden (das Geschaffene muss nicht notwendigerweise etwas beständiges sein - Musik- und Theateraufführungen zählen auch).
2.) das Geschaffene muss mit Bedeutung jenseits seiner Funktion aufgeladen werden

Das wars.

Aufs Rollenspiel bezogen:
- "Wir spielen ein Spiel welches die militärischen Auseinandersetzungen verschiedener Fantasy-Nationen simuliert und akkurat über deren Sieg oder Niederlage entscheidet" ist KEINE Kunst
- "Wir spielen das o.g., aber es geht (nicht nur) um den Ausgang der Schlacht, sondern auch um die Fortentwicklung der Fantasy-Nation" ist Kunst
- "Wir spielen Vampire die ihre Menschlichkeit verlieren oder behalten" ist KEINE Kunst
- "Wir spielen Vampire welche sich entscheiden müssen für was sie leben und ob sie Monster sind, selbst wenn sie Gutes tun" ist Kunst
usw.
« Letzte Änderung: 22.01.2010 | 16:34 von Alexandro »

Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #111 am: 22.01.2010 | 17:17 »
Das Geschaffene muss mit Bedeutung jenseits seiner Funktion aufgeladen werden

Von wem? Schöpfer oder Rezipient?
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Zitat von: korknadel
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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #112 am: 22.01.2010 | 19:03 »
Von wem? Schöpfer oder Rezipient?

Ja. Schöpfer und/oder Rezipient.

@Topic, ohne Seite 2,3 und 4 gelesen zu haben: Kann es schon. Rollenspiel (oder das, was während einer Sitzung passiert) kann ganz gravierend auf den Teilnehmer / Rezipienten nachwirken - genau wie andere Kunst auch.

Ich denke, die Tatsache, dass der Kunstbegriff so abgelehnt wird, liegt daran, dass die erste Assoziation von Rollenspiel = Kunst verschwurbelt faselnde Emo-Vampire-Spieler sind, die viele schon mal getroffen haben. Wirklich nervig ist es, wenn jemand mit der impliziten Einstellung "Was ich mache, ist Kunst - was ihr macht, nicht" daherkommt und so die anderen Spieler herabsetzt.

Die anderen Spieler nehmen die Aussage "Was ihr macht, ist keine Kunst" häufig unterbewußt an, weil sie gelernt haben, dass Kunst etwas ganz Tolles ist, was nur Künstler schaffen können. Der Begriff des Künstlers ist nun äußerst zwiegespalten - einerseits sind Künstler tolle Leute, weil sie eben Kunst schaffen kann und außergewöhnliche Talente haben, die dem normalen Menschen verschlossen bleiben. Andererseits aber werden Künstler als abgehoben, überheblich, lebensuntauglich und.. na, mir fällt das Gegenteil von "bodenständig" nicht ein, aber jedenfalls das... empfunden.

Wenn sich jetzt aber jemand selbst als Künstler bezeichnet, erhöht er sich damit in die Sphären von Goethe, Shakespeare und Rembrandt. Er sagt damit "Ich bin ganz was tolles", eine völlig unbewiesene Behauptung, die in den meisten Leuten den Wunsch auslöst, den Kerl wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen.
Und statt jetzt zu sagen "Wir sind alle Künstler, was wir machen, ist auch Kunst", fühlen sie sich wohler, wenn sie sagen können "Nein, Blödsinn, das ist doch keine Kunst". Ist ja auch ein schwammiger Begriff, den man sehr leicht angreifen kann.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

alexandro

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #113 am: 22.01.2010 | 19:05 »
Von wem? Schöpfer oder Rezipient?

Schwierige Frage, ich würde sagen: Beide, wobei die Bedeutung nicht unbedingt dieselbe für beide sein muss (fürs Rollenspiel ist die Frage ja unerheblich, da Schöpfer und Rezipient fließend ineinander übergehen).

Offline WeepingElf

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #114 am: 22.01.2010 | 19:20 »
Ach ja, die alte Frage, "Was ist Kunst?" - darüber wurde schon viel gesagt, geschrieben und gestritten.  Ein Freund von mir war mal Mitglied in einer Avantgarde-Industrial-Band, aus deren Manifest ich folgendes zitiere:

Was ist Kunst?

Kunst ist immer dann, wenn jemand "Jetzt!" sagt. Kunst, besteht nicht etwa darin, etwas besonders Herausragendes zu schaffen, sondern in der Überwindung, sich gegen alle anderen Möglichkeiten als eben diese eine zu entscheiden.


Das sei hier einfach mal in den Raum gestellt.

Ob eine Rollenspielsitzung Kunst darstellt oder nicht, hängt sicher vom Einzelfall ab.  Den meisten Rollenspielsitzungen wird man wohl keinen Kunststatus zubilligen wollen, aber das heißt noch nicht, dass Rollenspiel keine Kunst sein kann.  Ein Rollenspiel ist aber zweifellos ein Spiel, und die Grenzen zwischen Spiel und Kunst sind fließend.  Manche Indie-RPGs kann man beispielsweise durchaus als Kunstwerke ansehen.

Es wurde hier ja auch schon angesprochen, dass jemand beispielsweise eine Kampagnenmitschrift zu einem Roman umarbeiten und damit ein künstlerisches Werk schaffen kann, das seine Entstehung einem Rollenspiel verdankt.  (Es ist gut möglich, dass viele veröffentlichte Fantasy-Romane genau so entstanden sind.  Vor Jahren hat mal jemand in einer Rollenspiel-Newsgrouop gesagt, es sei "heutzutage schwierig, einen Fantasy-Roman zu finden, in dem man nicht die Würfel klappern hört".)  Ob man nun das Rollenspiel als künstlerischen Akt oder nur als Vorbereitung zu einem künstlerischen Akt ansieht, ist hier eher eine Spitzfindigkeit.

Es sei hier auch mal empfohlen, die Stichwortkombination "arthaus larp" bei Google einzugeben.  Dabei stößt man beispielsweise auf folgendes:

http://efatland.com/larp-blog/?p=7
http://knutepunkt.laiv.org/kp05/Knutepunkt%20and%20Nordic%20Live%20Role-playing,%20A%20crash%20course.pdf

In Skandinavien sind LARPs schon zu einer Kunstform geworden; dort finden solche Spiele im Rahmen von Kunstaustellungen statt.  Natürlich eignen sich LARPs eher für öffentliche Darbietungen als Pencil&Paper-Spiele, aber es zeigt doch, dass Rollenspiel Kunst sein kann.

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #115 am: 22.01.2010 | 19:45 »
mMn gibt es eine Definition von Kunst, und die ist: Kunst benötigt nichts außer sich selbst um Kunst zu sein.

Weil die ganze Kunstdebatte nichts bringt. Der Begriff "Kunst" ist doch einfach nur dazu da, Kritik abzuwürgen. Wenn jemand Stockhausen klimpert, wird ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung voll Unkenntnis meckern, sobald aber klar ist, daß es sich bei Stockhausen um sog. "Kunst" handelt, wird der größte Teil der Meckerer verstummen, weil sie nicht für "Kunstbanausen" gehalten werden wollen. Übrigens auch das ein spezifisch deutsches Wort, das sehr deutlich zeigt, warum die ganze Debatte, ärgerlich und überflüssig ist.

Ob nun ein Werk "Kunst" ist oder nicht, sagt doch gar nichts über das Werk selbst aus. Für die Buddenbrooks wurde Thomas Mann mit dem Nobelpreis ausgezeichnet, um Himmels Willen. Stets war er seinem Bruder Heinrich in Sprachgewalt unterlegen, und seine Geschichten waren trocken, anal-fixiert und durchdrungen von Vorurteilen, die schon zeitgenössische Rezensenten das Frühstück rückwärts über den Zaun werfen ließ.

Wenn Michael Bay heute zu mir käme und sagen würde, "Weißt Du, mein Pearl Harbor ist Kunst", dann würde ich nicht darüber debattieren. Ich würde den Arm um seine Schultern legen, ihm ein Bier in die Hand drücken und antworten: "Ja, Michael, das ist es. Es ist aber auch ein verdammt schlechter Film." Es bringt doch nichts, sich darüber zu unterhalten, ob ein Werk "Kunst" ist, was ja eh keiner, siehe dieses Forum, definieren kann. Wir können uns aber sehr wohl mit der Ausführung und dem Inhalt eines Werkes auseinandersetzen.

D a s    bringt was.

Die hier aufgeworfene Frage taugt, so sie beantwortet werden    k ö n n t e ,    nur zu zwei Entscheidungen.

1) Sollten Rollenspieler in die Künstlersozialkasse eintreten (was ich nicht empfehle)?
2) Sollten Rollenspieler subventioniert werden (und Kunstsubventionen sind eine ganz andere Büchse Würmer)?

Wäre eine andere Frage nicht viel besser: Sind Rollenspieler Kulturschaffende?

@ Weeping Elf /EDIT

Ich hab mir diesen Knutepunkt-Text über arthouse-Larps durchgelesen: Wo siehst Du den Unterschied zum Improvisationstheater? Ist mir da was entgangen, anderes als einfach nur die Begrifflichkeit?
« Letzte Änderung: 22.01.2010 | 20:20 von Tearmaster »
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Offline Toshi

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #116 am: 22.01.2010 | 20:09 »
... weil sie nicht für "Kunstbanausen" gehalten werden wollen. Übrigens auch das ein spezifisch deutsches Wort, das sehr deutlich zeigt, warum die ganze Debatte, ärgerlich und überflüssig ist.
Ich denke das ist 'des Pudels Kern'.

Ob etwas Kunst ist liegt im Auge (Ohr, ...) des Betrachters.
(Selbstverständlich ist der Künstler selbst auch Betrachter)

Wenn man jemandem vorwirft er wäre ein Kunstbanause,
dann meint man dass er/sie ein Kunstwerk nicht als solches erkennt/zu würdigen weiss.

Und ja, 'Kunst' kommt von 'können'.
Was ist mit Kriegskunst, Heilkunst, Kampfkunst?

Wenn man etwas als Kunst 'erkennt',
so gesteht man dem Künstler eine gewisse Kunstfertigkeit zu.

Also ich denke dass auch Aspekte des Rollenspiels sehr kunstvoll sein können,
man aber vorsichtig sein sollte es auf das Ganze zu beziehen.

Mein Priester beherrscht die Heilkunst, und sein Krieger die Kriegskunst.
Gratz an dieser Stelle....   :Ironie:

Wenn jemand die Runde mit seiner Gesangskunst, Kochkunst :d , oder seinen Zeichenkünsten beglückt ist das schön und gut, aber eben jeweils das: Gesangskunst, Kochkunst oder Zeichenkünste.
Aber keine 'Rollenspielkunst'...

Ich bin aber durchaus schon von Leuten dadurch regelrecht 'mitgerissen' worden,
wie gut/intersiv ihr Charakterspiel war. Das ist dann halt Schauspielkunst.
Und auch Unterhaltungskunst ist sehr wichtig - ich lag beim Rollenspiel schon oft genug unterm Tisch vor Lachen...
Nicht zu vergessen: die Erzählkunst (vor allem des SLs) - wie gut kann er eine Szene beschreiben? Könnt ihr den Blumenduft, oder das gerinnende Blut der besiegten Gegner nach der Schlacht sogar fast riechen?

Also:
- Erzählkunst und Schauspielkunst gestehe ich dem Rollenspiel als Aspekte auf jeden Fall zu, und da es ein Spiel sein soll darf auch die Unterhaltungskunst nicht fehlen. Aber das sind alles einzelne Kunstformen die nur Aspekte des RPGs sind.

Wenn mir einer erzählt er wäre Rollenspielkünstler,
dann würde ich auf jeden Fall fragen wie er das meint,
ob er sich auf Erzähl-, Schauspiel- oder Unterhaltungskunst bezieht.

Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #117 am: 22.01.2010 | 20:30 »
Kriegskunst, Heilkunst, Kampfkunst, meinetwegen auch Schachkunst sind letztlich Fertigkeiten, die teilweise auf schematischen (im Sinne von wenn das, dann dies (wenn Blinddarm entzündet, dann raus) Abläufen beruhen. Sie erfordern in erster Linie Körperbeherrschung, Intelligenz und Wissen, es wird stets eine Auswahl aus einer Anzahl begrenzter Optionen getroffen. Das alles ist "Kunst" im germanischen Sinne, das was z.B. auch skill und craft heißt im Englischen.

Kunstfertigkeit hingegen ist eine Schimäre, ein Sprachbastard. Jackson Pollocks schwingende Farbeimer sind frei von den Voraussetzungen Körperbeherrschung, Intelligenz und Wissen. Ein gelangweilter Affe könnte auf so einen Gedanken kommen. Trotzdem gilt es allgemein als "Kunst". Warum? Pollocks "Kunst" ist Kunst im Sinne von ART. Da sind wir wieder bei der falschen Eindeutschung und ihren Folgen, die ich schon vor Seiten ansprach.

Und das hat mit Können nichts zu tun. (Wer der festen Meinung ist, Kunst setze Können voraus, der beantworte bitte meine obige Frage #4 zu genau diesem Fehleindruck, das muß ja eine einfache Antwort ermöglichen).
« Letzte Änderung: 22.01.2010 | 20:43 von Tearmaster »
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Offline WeepingElf

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #118 am: 22.01.2010 | 23:28 »
@ Weeping Elf /EDIT

Ich hab mir diesen Knutepunkt-Text über arthouse-Larps durchgelesen: Wo siehst Du den Unterschied zum Improvisationstheater? Ist mir da was entgangen, anderes als einfach nur die Begrifflichkeit?

Ehrlich gesagt, so genau rake ich da auch nicht durch, deswegen kann ich auch nicht genau sagen, wo der Unterschied zwischen Arthouse-LARP und Improvisationstheater liegt.  Ich habe noch kein Arthouse-LARP selbst erlebt, und die Knutepunkt-Szene kenne ich auch nicht näher.

Anscheinend haben wir es hier mit Leuten zu tun, die aus der LARP-Szene (und eben nicht vom Theater) kommen und aus ihrem Hobby etwas entwickelt haben, das mit Kunstanspruch daherkommt, auch wenn mich in der Tat der Verdacht plagt, dass sie eigentlich nur das Improvisationstheater zum zweiten Mal erfunden haben - machen es Theaterleute, ist es Improvisationstheater; machen es LARPer, ist es Arthouse-LARP ;)  Wer weiß hier Näheres?

Der Hauptunterschied zwischen LARP und Improvisationstheater scheint mir vor allem darin zu liegen, dass das Letztere in der Regel vor Publikum stattfindet und das erstere nicht; wenn man diese Definition anlegt, ist Arthouse-LARP eigentlich kein LARP mehr, sondern in der Tat Improvisationstheater.  Aber es gibt ja auch Kunstveranstaltungen, wo die Grenze zwischen Künstlern und Publikum zumindest unscharf ist, wie die schon erwähnten Jam-Sessions oder das alljährliche Burning Man-Event in der Wüste von Nevada.

Während man LARP im Prinzip vor Publikum durchführen kann (womit es aber im Grunde genommen zum Improvisationstheater wird), stellt sich die Sache beim P&P-Rollenspiel doch anders dar.  Da ist mir noch keine zündende Idee gekommen, wie man das zur Kunstform entwickeln kann, aber ehrlich gesagt, habe ich auch noch nicht danach gesucht.  (Mir ist immerhin mal eine Idee zu einer über verschiedene Stellen in einer Stadt verteilte interaktive Installation gekommen, die wie ein Spielbuch funktioniert.)  Für mich ist es eben eher Spiel als Kunst, und ich denke nicht groß darüber nach, wie man aus dem Rollenspiel eine "etablierte Kunstform" machen könnte.
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Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #119 am: 22.01.2010 | 23:30 »
Okay, ich habs also richtig verstanden. Danke, ich war schon besorgt.  :)
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Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

Zitat von: Dolge
Auf Diskussionen, was im Rollenspiel realistisch ist und was nicht, sollte man sich nie unter gar keinen Umständen absolut gar überhaupt vollständig nicht einlassen.

Offline Enkidi Li Halan (N.A.)

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Re: Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein?
« Antwort #120 am: 23.01.2010 | 08:04 »
Also:
- Erzählkunst und Schauspielkunst gestehe ich dem Rollenspiel als Aspekte auf jeden Fall zu, und da es ein Spiel sein soll darf auch die Unterhaltungskunst nicht fehlen. Aber das sind alles einzelne Kunstformen die nur Aspekte des RPGs sind.
Das finde ich sehr treffend.