Autor Thema: Sind storyorientierte Rollenspiele out?  (Gelesen 22134 mal)

0 Mitglieder und 3 Gäste betrachten dieses Thema.

ErikErikson

  • Gast
Re: Sind storyorientierte Rollenspiele out?
« Antwort #125 am: 25.07.2010 | 12:57 »
Ich dachte immer so, der klassische feste Plot ist so: Das Dorf muss in Flammen aufgehen. Der SL will dass Dorf in Flammen aufgehen lassen, weil er die Beschreibung so schön geschrieben hat, weil da der Bruder von SC 1 seine Brandnarbe bekommt, wegen der er depressiv wird und nacher zum Bösewicht überläuft usw.

Dem SL ist hier völlig egal, wie und weshalb das Dorf angezündet wird. Haupsache, es brennt. Er wird wohl was einplanen, etwa, einen Zündler. Wenn die SC den erwischen, brennt das Dorf halt wegen irgendwas anderem ab. Für gewöhnlich machen SC soviel Blödsinn, das der SL sich dafür noch nicht mal selber was ausdenken muss.

(Das ist genau das, was ich früher als RR bezeichnet hätte)

Offline D. M_Athair

  • Mythos
  • ********
  • Spielt RollenSPIELE, ROLLENspiele und ROLLENSPIELE
  • Beiträge: 8.786
  • Username: Dealgathair
    • ... in der Mitte der ZauberFerne
Re: Sind storyorientierte Rollenspiele out?
« Antwort #126 am: 25.07.2010 | 13:39 »
Ich greife einfach mal Eriks Beitrag heraus, weil er mir zur Erklärung passend erscheint.
Ich dachte immer so, der klassische feste Plot ist so: Das Dorf muss in Flammen aufgehen. Der SL will dass Dorf in Flammen aufgehen lassen, weil er die Beschreibung so schön geschrieben hat, weil da der Bruder von SC 1 seine Brandnarbe bekommt, wegen der er depressiv wird und nacher zum Bösewicht überläuft usw.

Dem SL ist hier völlig egal, wie und weshalb das Dorf angezündet wird. Haupsache, es brennt. Er wird wohl was einplanen, etwa, einen Zündler. Wenn die SC den erwischen, brennt das Dorf halt wegen irgendwas anderem ab. Für gewöhnlich machen SC soviel Blödsinn, das der SL sich dafür noch nicht mal selber was ausdenken muss.

Ausgangslage:
Der SL hat einen Plan, was für einen Plot er den Spielern bieten möchte.
Die Spieler wollen in der Rückschau eine Geschichte erlebt haben, die für ihre SC Relevanz hat und die vom SL gut vorbereitet und präsentiert wurde.
Manche Dinge (hier: wie das Dorf abbrennt) haben für den SL keine Relevanz. Für die Spieler aber schon.
(Die Spieler haben Spaß daran rauszukriegen, wie es zu dem Brand gekommen ist und dieses Wie sollte irgendwo Sinn ergeben.)

Für die Spieler ist z.B. wichtig, dass sie den Bruder des SC gut kennen lernen konnten, dass sie beim Löschen des Dorfes mitgemacht haben und (nicht-plotrelevante) NSC aus den Flammen retten konnten.
Das Verhalten ihrer SC und ob sie gemäß ihrer Rolle handeln konnten ist entscheidend, ob das Abenteuer im Nachhinein als gut oder eher schlecht empfunden wird.


So ungefähr.
Mit der Beschreibung dieser sehr engen Form von storyorentiertem Rollenspiel tue ich mich recht schwer, weil ich mich auf sowas nur bei Spielleitern einlasse, von denen ich weiß, dass sie in ihrem Fach gut sind. Diese Art zu spielen ich ganz grundsätzlich eher nicht mein Fall.

« Letzte Änderung: 25.07.2010 | 13:41 von Dlgthr »
"Man kann Taten verurteilen, aber KEINE Menschen." - Vegard "Ihsahn" Sverre Tveitan

Wulfhelm

  • Gast
Re: Sind storyorientierte Rollenspiele out?
« Antwort #127 am: 25.07.2010 | 14:37 »
Ich dachte immer so, der klassische feste Plot ist so: Das Dorf muss in Flammen aufgehen. Der SL will dass Dorf in Flammen aufgehen lassen, weil er die Beschreibung so schön geschrieben hat, weil da der Bruder von SC 1 seine Brandnarbe bekommt, wegen der er depressiv wird und nacher zum Bösewicht überläuft usw.
Den Teil mit dem Bruder würde ich auch so sehen, das ist typischer vorgefertigter Plot. Aber das folgende...

Zitat
Dem SL ist hier völlig egal, wie und weshalb das Dorf angezündet wird. Haupsache, es brennt.
... ist kein fester Plot. Das ist überhaupt kein Plot, das sind nur Ereignisse. (Wenn wir nach E.M. Forster gehen würden, wäre das Ergebnis eine Story, aber kein Plot.)
Aber das Beispiel zeigt auch schön, warum ich die Unterscheidung zwischen "wie" und "was" für sinnfrei halte. Denn wie der Bruder von SC 1 dazu kommt, zum Bösewicht überzulaufen, ist schließlich festgelegt. Er kann nicht in Sicherheit gebracht werden, er kann nicht durch den kundigen Seelenheiler vor Depressionen bewahrt werden, er kann auch nicht gleich draufgehen etc.

Darum halte ich ein solches Vorgehen auch für schlecht, besonders unter dem Aspekt einer guten Story. Eine gute Story wird nämlich - für mich zumindest - durch einen vernünftigen Plot definiert. Wenn Dinge offensichtlich nur deswegen geschehen, weil sie im Drehbuch stehen, ohne Rücksicht auf Kausalität, dann ist das ein lausiger bis nichtvorhandener Plot.

Darum: Wenn schon unverrückbare Plotelemente, dann bitte so, dass sie sich plausibel außerhalb der Eingriffsmöglichkeiten der Spielercharaktere befinden.

ErikErikson

  • Gast
Re: Sind storyorientierte Rollenspiele out?
« Antwort #128 am: 25.07.2010 | 14:47 »
Das Beispiel bezieht sich auf das Dorf. Der Bruder ist nur eine Illustration, warum das Dorf brennen muss. Der Bruder ist hier ein NSC, der mit den Spielern nicht in direktem Spielkontakt steht. Er ist nicht im Fokus und wird erst dann als interaktionsrelevant "gemarkt", sobald er überläuft.

Offline carthinius

  • KeinOhrAse
  • Legend
  • *******
  • "it's worse than you know!" - "it usually is."
  • Beiträge: 5.819
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: carthinius
    • carthoz.itch.io
Re: Sind storyorientierte Rollenspiele out?
« Antwort #129 am: 25.07.2010 | 15:08 »
Das Beispiel bezieht sich auf das Dorf. Der Bruder ist nur eine Illustration, warum das Dorf brennen muss. Der Bruder ist hier ein NSC, der mit den Spielern nicht in direktem Spielkontakt steht. Er ist nicht im Fokus und wird erst dann als interaktionsrelevant "gemarkt", sobald er überläuft.
Ja, aber weil er überlaufen MUSS, darf ihm vorher nichts passieren. Er könnte nicht einfach in den Flammen sterben. Und es ist unwahrscheinlich, dass die SC nichts mit den Bruder des SC zu schaffen hätten, wenn er schonmal in der gleichen Ortschaft ist wie sie. Da gibt es also durchaus Möglichkeiten der Interaktion, die aber alle vom SL unter der Prämisse geführt werden müssten, dass er bestimmte Dinge vermeiden müsste.
Meine itch.io-Seite | Guild of Gnomes, ein Hack von Lasers & Feelings (bisher nur auf englisch verfügbar) | Böser Mond, du stehst so stille, ein Szenario für Warhammer Fantasy RPG 3rd | DURF (Deutsche Ausgabe), ein knackiges, regelleichtes Dungeon-Fantasy-Rollenspiel

Wulfhelm

  • Gast
Re: Sind storyorientierte Rollenspiele out?
« Antwort #130 am: 25.07.2010 | 15:13 »
@ Erik
Sorry, aber: Sowas funktoniert bei den Spielern, die ich kenne, einfach nicht. Du kannst nicht Charaktere erst dann aus dem Hut zaubern, wenn sie von Dir für irgend etwas "gemarkt" sind. (Also Du kannst schon, aber das ist schlecht.) Die sind vorher auch schon existent - insbesondere, wenn sie mit den Protagonisten verwandt sind.
Wieso steht der Bruder mit dem SC nicht in direktem Spielkontakt? Was, wenn der Spieler den direkten Spielkontakt herstellen möchte? Oder erfährt der erst von der Existenz seines Bruders, nachdem er übergelaufen ist? Wenn ja, was antwortest Du dann auf die Frage "Wieso erfahre ich davon erst jetzt und warum sollte meinen Charakter sein Bruder jetzt interessieren, nachdem er ihn, als er in Lebensgefahr war, nicht zur Kenntnis genommen hat?"

All das illustriert in meinen Augen nur wieder, warum diese Art von Planung schlechte, lückenhafte und nicht nachvollziehbare Geschichten produziert.

alexandro

  • Gast
Re: Sind storyorientierte Rollenspiele out?
« Antwort #131 am: 25.07.2010 | 15:31 »
Weil Ergebnisoffenheit i.S.v. "verschiedene Dinge können am Ende passieren" allein noch keine Errungenschaft ist?

Ob ein Drache eine Stadt zerstört oder nicht kann man auf einer Tabelle unabhängig von den Handlungen der Charaktere auswürfeln. Ist dann (beim offenen Würfeln) gewissermaßen "ergebnisoffen", aber nicht das, was (zumindest meinem eindruck nach, und für mich auf jeden Fall zutreffend) die Advokaten des ergebnisoffenen Spiels erreichen wollen. Die Zufallstabellen (z.B. beim Sandboxen, aber auch in "normalen" site-based-adventures) sollen ja nicht das Ergebnis erwürfeln, sondern die Herausforderungen, gewissermaßen die von den Spielern/Charakteren zu lösenden Probleme und Hindernisse.

Volle Zustimmung (leider haben das nicht alle "Advokaten des ergebnisoffenen Spiels" begriffen - ich erinnere mich da an Diskussionen drüben beim Hofrat, bei denen Situationen ohne Einflussmöglichkeiten für die Spieler als "Ist halt so bei ergebnisoffenen Spiel" beschrieben wurden).

Zitat
Und damit unterschiedliche Ergebnisse herauskommen können, muss es eben Handlungsfreiheit geben. Ergebnisoffen heißt: Das Ergebnis ist Resultat der Handlungen der Charaktere.
So weit ist das vom Drama-Anspruch gar nicht entfernt: da wird dafür gesorgt, dass die SC im Zentrum des Geschehens stehen ("Problem-Magneten") und dann geschaut, was die Spieler daraus machen.

Das Abenteuer so zu konzipieren, dass die Ergebnisse von den SC abhängen (und nicht unabhängig von diesen, im stillen Kämmerlein von ein paar NSCs ausgekaspert werden) ist ein wichtiges Merkmal des storyorientierten Spiels. Das ist nicht "weltsimulierend" oder gar "realistisch", aber das will es ja auch gar nicht sein.

Offline D. M_Athair

  • Mythos
  • ********
  • Spielt RollenSPIELE, ROLLENspiele und ROLLENSPIELE
  • Beiträge: 8.786
  • Username: Dealgathair
    • ... in der Mitte der ZauberFerne
Re: Sind storyorientierte Rollenspiele out?
« Antwort #132 am: 25.07.2010 | 20:46 »
Das klingt für mich nach Sophisterei. Kannst Du das mal an einem eingängigen Beispiel deutlich machen?
Jein. Illustrationen kann ich halt anbieten.

Illustration: Spielebücher/Soloabenteuer.
Auf das, was passieren wird habe ich als Leser keinen Einfluß. Alle Optionen und Wahlmöglichkeiten sind vorab festgelegt.
Wie ich mich mit meiner Spielfigur - nennen wir sie Einsamer Wolf - durch das Abenteuer bewege, ist mir, dem Leser/Spieler überlassen.

Ältere PC-Rollenspiele wie "Neverwinter Nights" operieren ähnlich.
Auf die Hauptstory hat mein Charakter keinen Einfluß.
Zitat von: Wikipedia
Das Spiel erzählt auch die tragische Geschichte vom Fall des Paladin des Tyr, Fürstin Aribeth de Tylmarande, die die Truppen von Luskan gegen die eigene Stadt führt, nachdem deren Bürger ihren Geliebten gelyncht haben.
« Letzte Änderung: 25.07.2010 | 20:48 von Dlgthr »
"Man kann Taten verurteilen, aber KEINE Menschen." - Vegard "Ihsahn" Sverre Tveitan

Wulfhelm

  • Gast
Re: Sind storyorientierte Rollenspiele out?
« Antwort #133 am: 25.07.2010 | 21:02 »
Jein. Illustrationen kann ich halt anbieten.

Illustration: Spielebücher/Soloabenteuer.
Auf das, was passieren wird habe ich als Leser keinen Einfluß. Alle Optionen und Wahlmöglichkeiten sind vorab festgelegt.
Wie ich mich mit meiner Spielfigur - nennen wir sie Einsamer Wolf - durch das Abenteuer bewege, ist mir, dem Leser/Spieler überlassen.

Ältere PC-Rollenspiele wie "Neverwinter Nights" operieren ähnlich.
Auf die Hauptstory hat mein Charakter keinen Einfluß.
Erstmal: Das sind vollkommen andere Medien. Und ich weiß jetzt nicht mehr, wie's bei NWN war - aber die meisten Biowarespiele haben verschiedene Endmöglichkeiten. Haben manche Abenteuerspielbücher übrigens auch, selbst wenn man die zahlreichen "Du bist tot"-Enden mal außer Acht läßt. ("Das Duell der Piraten" fällt mir hier ein.)
Das "Wie" ist übrigens in den meisten mir bekannten Computerspielen auch recht starr. Da müssen eigentlich immer ganz präzise definierte Ereignisse getriggert werden, damit es weitergeht.
Tut mir leid, aber das hätte ich lieber an einem Rollenspielbeispiel erläutert.

Offline ArneBab

  • Legend
  • *******
  • Bild unter GPL von Trudy Wenzel.
  • Beiträge: 4.300
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: ArneBab
    • 1w6 – Ein Würfel System
Re: Sind storyorientierte Rollenspiele out?
« Antwort #134 am: 26.07.2010 | 03:07 »
Ich denke, diejenigen, die story-orientiertes Spiel nicht verstehen (wollen) sind momentan einfach mitteilungsbedürftiger als diejenigen, die taktisches Spiel oder Sandboxing nicht verstehen (wollen).

Das trifft es, denke ich, am besten: Aktuell ist Sandboxing in Mode. Das kam auch viele Jahre lang zu kurz. Irgendwann kommt dann wieder was anderes. Und irgendwann gibt es für Storyorientiert wieder einen schönen neuen Namen und Leute gehen damit hausieren – bis es alle zu oft gehört haben und wieder was neues kommt, dessen Liebhaberinnen sich zu lange gegängelt gefühlt haben.

Effektiv ist es aber mMn ein Symptom dafür, dass in vielen Runden der Spielstil eben kein Kompromiss zwischen den Geschmäckern der Spielerinnen ist, so dass ein paar sich übergangen fühlen. Ansonsten würden vermutlich nicht so viele ihren Spielstil zur Religion erheben und wir könnten deutlich einfacher über Fragen diskutieren wie

  • Ich habe eine neue Spielerin in der Runde, die sehr wettbewerbsorientiert spielt. Habt ihr ein paar Tipps, wie wir das Spiel so anpassen können, dass es auch ihr mehr bringt?
  • Eine meiner Spielerinnen hat mir gerade nach der Runde gesagt, sie würde gerne mehr die Traumata ihres Orks ausspielen. Könnt ihr mir mit ein paar Ideen dazu aushelfen?
  • Meine SL hat sich letzte Runde bitterlich beklagt, dass wir alle ihre tollen Ideen ignoriert haben. Können wir was machen, damit ihr das Leiten wieder mehr Spaß macht?
  • Ich habe das Gefühl, dass eh egal ist, was wir machen. Meine SL schwört aber, dass wir doch machen können, was wir wollen. Reden wir aneinander vorbei?
  • Die letzten Wochen töten wir nur Orks, aber ich sehe irgendwie keinen roten Faden mehr. Meine SL versteht glaube ich nicht ganz, was mir fehlt. Könnt ihr mir helfen, das Problem zu finden?

1w6 – Ein-Würfel-System — konkret und direkt, einfach saubere Regeln.
Zettel-RPG — Ein Kurzregelwerk auf Post-Its — für Runden mit Kindern.
Flyerbücher — Steampunk trifft Fantasy — auf einem Handzettel.
Technophob — »Wenn 3D-Drucker alles her­stel­len können, aber nicht dürfen, dann ist Techschmuggel Widerstand und Hacken Rebellion.«

Wolf Sturmklinge

  • Gast
Re: Sind storyorientierte Rollenspiele out?
« Antwort #135 am: 27.07.2010 | 08:44 »
Ist also Spielerfreiheit zur Zeit das höchste Ziel?
Und wie seht ihr die Zukunft der vorgefertigten Story im Rollenspiel?"
1. Für mich ist das momentan so. Ich probiere diese Art des Spiels gerade aus und es gefällt mir aus meinem alten Trott auszubrechen.
2. Das ist Geschmacksache. Ich persönlich mag klare Linien.