Autor Thema: [Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln …  (Gelesen 9334 mal)

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Offline Der Wray

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Re: [Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln …
« Antwort #50 am: 27.02.2011 | 00:58 »
Wenn ich den Erlebnisbericht so lese, möchte ich unbedingt sofort wieder Burning Wheel spielen. :) Ich habe dem Ganzen fast nichts hinzuzufügen. Am Anfang hätte ich noch alles kommentiert, aber ich merke langsam, dass Oliof schon von selbst auf den richtigen Trichter kommt, und das ist sicherlich nicht der alleinige Verdienst der Bücher. Weiter so, ich verstehe jetzt, warum Deine Meinung hier so respektiert wird. Und ich freue mich, dass sie doch durchaus positiv zu Burning Wheel auszufallen scheint. :)

Einziger Punkt: Warum irritieren dich die Wises so? Ich hatte ja schon vorher etwas dazu geschrieben, und es wundert mich etwas, da sie doch nicht Circles aushebeln sondern wunderbar ergänzen. Mit Circles erschafft man Personen, mit Wises so ziemlich alles erdenkbar andere - je nachdem, welche man eben benutzt. Und da es soviele gibt (darunter abgefahrene Sachen wie z.B. Creepy-Priest-Wise), und dieses quasi "free form" sind, kann man damit die Spielwelt auf interessante Weise formen, und zwar genau in den Bereichen, die den Spieler interessieren. Und mit Circles holt man dann noch ein paar NPCs hervor, und Plot entsteht. Viel kreative Macht den Spielern!

Zum Magic Burner: 2010 war wohl der zweite (oder dritte?) print run - ich denke nicht, dass außer ein paar Rechtschreibfehlern viel verändert wurde. Vielleicht wird ja irgendwo auf den Adventure Burner verwiesen. Keine Ahnung - aber gutes Buch.

Weiter so, ich lese fleißig mit. Vielen Dank für Deinen ausführlichen, ehrlichen und gut geschriebenen Bericht.

Cheers,
Wray

Got 'cha!

oliof

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Re: [Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln …
« Antwort #51 am: 27.02.2011 | 10:57 »
Ich glaube, mit den Wises ist es so ähnlich wie mit Character Traits — wenn man das dicht verwobene Regelgeflecht sieht, dann scheinen sie angeflanschte, eigentlich überflüssige Dinger zu sein, die durch schlampige Arbeit entstandene Lücken verdecken wollen.

Bei Character Traits hab ich schon verstanden, das dem nicht so ist; bei Wises werde ich ja hoffentlich im Adventure Burner, Abschnitt Commentary aufgeklärt.

Und damit wir bald dahinkommen, mache ich mit dem Adventure Burner auch gleich weiter …

oliof

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Re: [Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln …
« Antwort #52 am: 27.02.2011 | 11:24 »
Der Adventure Burner ist das neueste Buch in der Burning Wheel Reihe. Es verspricht für Neueinsteiger wie Veteranen nützlich und interessant zu sein und folgt der mittlerweile bekannten Struktur: Einleitung, vier Abschnitte, und dann ein ausführlicher Index.

Die ersten zwölf Seiten des Buches geben nochmal einen Überblick über die Philosophie des Spiels wieder — aufmerksame Leser werden einen Großteil dessen was hier steht in den Beiträgen von Der Wray wiederfinden, der schon darauf Bezug genommen hat (zum Beispiel als er schrieb, dass das Spiel zwar flexibel ist, aber zerbricht wenn man an den Kernmechaniken rührt), aber es gibt hier noch ein paar ausführlichere Details zu Fragen wie Warum ist Burning Wheel so gebaut, wie es gebaut ist?, Wie sieht die Spielstruktur aus? und Welche Rolle spielen Beliefs bezüglich der Gestaltung eines Abenteuers und wie ändern sie sich im Laufe einer Kampagne?



Damit es nicht allzu theoretisch bleibt, geht es mit drei Beispielabenteuern weiter. Das erste, The Sword ist die klassische 30min-Demo für Burning Wheel: Es geht gleich mit einer knackigen Situation los und eigentlich ist nach der Auflösung dieser Situation die Demo auch zu Ende. Allerdings kann man von hier aus auch weiterspielen ohne dass es wehtut.

Das zweite Abenteuer, Trouble in Hochen, erinnert mich ein bißchen an eine klassische Siedlung aus Dogs in the Vineyard. Die Charaktere kommen von aussen, um dem Dorf Hochen zu helfen, ein Problem zu lösen, und die Situation ist von den Dorfbewohnern alleine nicht zu lösen, weil persönliche Befindlichkeiten und Begehrlichkeiten dem im Wege stehen. Hier sind die Spieler gefragt, passende Beliefs für die vorgefertigten Charaktere aufzuschreiben, und das Abenteuer selbst ist im Kern sehr schlicht, aber ergebnisoffen. Es gibt zwei Fortsetzungsabenteuer (Dinner for One und Your Day in Court), die das Geschehen fortschreiben und in einen grösseren Zusammenhang setzen, wodurch das Abenteuer weniger den Charakter eines Beispiels und mehr den Charakter eines Einstiegs bietet. Es gibt ein paar Stellen wo dramatische Ereignisfolgen den Verlauf des Abenteuers steuern (X passiert, sobald Y …) — solche Dinge sind aber leicht zu heilen, wenn man das nicht mag; immerhin handelt es sich nicht um Nadelöhre, durch die man muss, weil sonst das Abenteuer nicht weitergehen kann.

Das dritte Abenteuer, Thelons Rift, ist ein Microdungeon das die Brücke zwischen klassischem Dungeoncrawling und Burning Wheel schlagen will. Hier wird auf Improvisation und Geschwindigkeit gesetzt, und teilweise scheinen mir die Bedienungsanweisungen (do not prepare, do not roleplay between dungeons) recht aufgesetzt. Ich würde vermuten, dass hier entweder auf den Unwillen des Lesers gesetzt wird, dummen Anweisungen zu folgen, oder dass es um eine erzieherische Maßnahme geht, deren Ziel sich mir nicht ganz erschliesst. Auf jeden Fall hatte ich hier ein paar "Och nöö"-Momente (die anderen Och nöö-Momente sind hauptsächlich durch die Namen einiger Charaktere hervorgerufen worden, die in bester Warhammer-Fantasy-Tradition gewählt wurden).

The Sword, Trouble in Hochen und andere Szenarien kann man im Burning Wheel Wiki herunterladen, Thelon's Rift aber nicht. Die Karte findet sich  allerdings auf dem Microdungeons Blog, würde aber Spielern kaum helfen, das Abenteuer zu bestehen …

Weiter gehts demnächst mit dem eigentlichen Adventure Burner, der Anleitung zum (Burning Wheel-)Abenteuerbau.

oliof

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Re: [Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln …
« Antwort #53 am: 27.02.2011 | 13:22 »
Und da war ich natürlich reingefallen. Der Adventure Burner ist eher ein Setting- und Kampagnen-Burner als ein Abenteuer-Burner. Im Vergleich zu anderen Spielen die ähnliches benötigen, weil sie nicht mit einem festen Setting kommen (vornehmlich Universalis, Primetime Adventures und natürlich Solar System) ist der Prozess hier eher freiformig und offen — aber das wird auch so angekündigt, und so gibt es keine Überraschungen. Anfangen kann man das Spiel nur, wenn Setting, Situation und Charaktere zueinander passen, und das kriegt man durch Brainstorming und schrittweise Verfeinerung hin. Es wird noch darauf eingegangen, wie man passende Beliefs aufschreibt ("pick one goal oriented Belief" ist ein Beispiel das mich persönlich an Mouseguard erinnert hat), und wie man eine Kampagne beginnt (es braucht passende Action, eine unmittelbare Situation zu der die Gruppe Stellung nehmen muss und auf sie reagieren kann; Belchion hat in seinem Blog was dazu geschrieben das meiner Meinung nach auch greift, wenn man nicht sandboxed). Natürlich wird auch hier wieder mit Fragen gearbeitet, deren Beantwortung genau die Informationen liefern sollen, die man braucht um sein Setting mit einer passenden Situation und entsprechenden Charakteren auszustatten (auch wenn die Reihenfolge mehr oder weniger beliebig ist; man kann auch zu einer Situation das Setting und die Charaktere oder zu Charakteren die Situation und das Setting bauen — wieder siegt Pragmatismus über Prozedur).



Der nächste Abschnitt The Crucible beschreibt acht Kampagnenansätze, die dem gerade beschriebenen Prozess entlehnt sind. Jede Kampagne ist auf eine der Abstammungen aus dem Character Burner und dem Monster Burner zugeschnitten, und gibt dem Spielleiter Ideen für eine Situation und den Spielern Ansätze für passende Beliefs. Abgerundet wird das durch je vier Beispielcharaktere, denen nur noch die Beliefs und Instincts fehlen, und eigentlich kann man loslegen. In der Praxis wird sich jede Gruppe sicherlich noch ihre eigenen Gedanken machen, aber die kompakte Darstellung der Kampagnenansätze hat mir schon gefallen.



Die zweite Hälfte des Buches ist eine Sammlung von Kommentaren zu einzelnen Regelbereichen und Abschnitten. Die Einleitung ist ein bißchen widersprüchlich: Zunächst wird gesagt, dass man sich durch die Fülle an Informationen  durchbeißen soll (oder das Inhaltsverzeichnis benutzen),  und im nächsten Absatz heißt es "tu das nicht, lies nur was dich grade interessiert, sonst ist das viel zu viel!"

Also habe ich erstmal einen Blick aufs Inhaltsverzeichnis geworfen. Ja, das sind eine Menge kurzer Abschnitte zu einzelnen Regelbereichen. Ich werde mich aber im Sinne dieser Reihe durcharbeiten und dann versuchen, ein kurzes Fazit zu ziehen.

oliof

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Re: [Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln …
« Antwort #54 am: 27.02.2011 | 15:11 »
Die ersten 60 Seiten des Kommentarblocks liessen sich eigentlich ganz locker runterlesen. Sie behandeln sehr praktische und pragmatische Themen, und beantworten die Fragen "Was spielt man denn nun mit Burning Wheel eigentlich?" und "wie soll das Spiel aussehen?" mit konkreten Beschreibungen der idealen Runde am Tisch, den unterschiedlichen Herangehensweisen an One Shots, Kurz-Kampagnen und lange Kampagnen, gehen nochmal auf Situation und Setting ein, stellen Strategien zur Erstellung und Leitung von Antagonisten und Schurken vor, greifen nochmal Beliefs und Instincts auf und gehen dann langsam auf die Artha-Regeln und die verschiedenen Abstimmungen nach einer oder mehreren Sitzungen ein.

Insgesamt liest sich dieser Teil bis hierhin wie das Kondensat aus knapp 8 Jahren Online-Forum: Bestimmte Fragen die sich der Autor beim Schreiben nicht gestellt hat werden gestellt und beantwortet, Hausregeln aus eigenem Hause erwähnt und einige Unklarheiten en passant geklärt. Noch viel mehr als Monster und Magic Burner, die hinter die Kulissen der Mechanik führen, bekommt man hier Einblicke in die tatsächliche Rollenspielphilosophie die Burning Wheel propagiert. Dem Autor gelingt das, ohne überheblich oder missionarisch zu wirken, was auch daran liegt, wie er die eigenen Spielerlebnisse zu Beispielen zusammenfasst. So haben wir mit diesem Spiel Spass, und deswegen gibt es diese Regeln, die in diesem Beispiel folgendes bewirkt haben — fast will ich sagen, man glaubt Luke Crane beim Leiten und Spielen zuschauen zu können.



Die nächsten 110 Seiten befassen sich mit einzelnen Regelkomplexen. Da muss ich mich noch durcharbeiten, aber für dieses Wochenende habe ich glaube ich schon genug Burning Wheel gelesen (ich gebe zu, ich habe den Abschnitt über Wises, der mit CirclesTask and Intent und Range and Cover zu den längsten im Commentary gehört, schon gelesen — will aber nicht vorgreifen).

Edit: Korrektur des Abschnittslängenvergleichs
« Letzte Änderung: 28.02.2011 | 11:31 von oliof »

oliof

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Re: [Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln …
« Antwort #55 am: 1.03.2011 | 10:12 »
Der Abschnitt Commentary liefert in kürzeren und längeren Artikeln ausführliche Stellungnahmen zu den einzelnen Regelkomplexen, ganz so als hätte der Autor sich die Mühe gemacht, die Erkenntnisse aus mehr als 5 Jahren Online-Diskurs zu extrahieren, destillieren und an einem Ort zusammenzufassen.

Das ist auch gelungen, allerdings fällt die Qualität des Commentary im Vergleich zum Rest von Burning Wheel ab. Zum einen gibts Äußerlichkeiten wie hier und da ein fehlendes Wort, zum anderen hat der Text nicht die durchgehende Stimme, die ich sonst sehr geschätzt habe. Wenn man nur den jeweiligen Abschnitt liest der einen interessiert, fällt das vielleicht nicht so ins Gewicht, aber hier ist meiner Meinung nach eine Chance vertan worden, wirklich zu glänzen.

Ich bin auf diesen Seiten über einige Kommentare gestolpert, bei denen mir nicht ganz klar war, ob die Beschreibungen, wie die Gruppe des Autors bestimmte Regeln falsch oder nicht einsetzt, ironisch gemeint waren, oder nicht. Das rührt aber auch von der fehlenden Stimme her. Bei einigen Stellen ist auf pseudo-englisch zurückgegriffen worden, ohne dass es für mich einen Sinn ergibt. Es wirkt einfach nur albern.

Ein paar meiner Eindrücke die ich beschrieben habe sind bestätigt worden (zum Beispiel das Design der Resources, die die Charaktere zwingen, sich in Abenteuer zu stürzen, weil sie sich sonst unmöglich ihren Lebensstil leisten können), bei anderen sehe ich klarer (Wises werden ganz gut auseinanderklamüsert; um vollständig überzeugt zu werden, brauchte ich aber wohl mehr Praxis), und hin und wieder war ich etwas überrascht, wie sehr die Aussendarstellung des Systems und die Erläuterungen nicht unbedingt zusammen zu passen scheinen (der Abschnitt zu Task and Intent fängt gleich damit an zu behaupten, dass das total intuitiv und einfach wäre, um dan in fünfzehn Seiten Erläuterungen auszuufern …).

Bei einigen Klarstellungen habe ich mich auch gewundert, ob das nicht Regeländerungen sind und nochmal in den Grundbüchern nachgeschaut (zum Beispiel, dass Instincts nicht während Fight! greifen können, weils da zu hektisch sei; im Character Burner gibts dann ein Beispiel, das hängengeblieben ist — nicht aber die Anmerkung, dass es sich bei diesem Beispiel um einen Grenzfall handelt).

Trotz dieser Mängel sind die enthaltenen Informationen im Commentary meiner Meinung nach wertvoll und nützlich, weil auch nochmal auf die Taktik in den komplexeren Systemen (Duel of Wits, Range and Cover, Fight!) eingegangen wird, und verschiedene Regelkomplexe die nur auf 2 Teilnehmer ausgelegt scheinen, zumindest für den Gruppeneinsatz erläutert werden (Duel of Wits mit drei (oder mehr) Parteien, die alle was unterschiedliches wollen, wird aber zum Beispiel nicht erwähnt. Ich halte das für eine vernachlässigbare Grösse, weil sowas selten genug vorkommen wird).



Am Ende gibt es noch eine handvoll neuer und überarbeiteter Regeln, die ich zum grossen Teil ganz gut finde (z.B. die Begrenzungen bei Hilfe und die The Slowest and the Loudest Regeln bei Gruppen-Proben). Danach endet das Buch etwas abrupt.



: Es ist glaube ich ein offenes Geheimnis, dass alle Systeme die mit Stakes arbeiten, daran zu knabbern haben, das die Lösung auf dem Papier sehr elegant aussieht, und dennoch viele Spieler und Spielleiter sie ablehnen oder für verquast halten (es geht hier nicht um mangelndes Verständnis für die Regel an sich), und es ansonsten sehr auf die jeweilige Gruppe ankommt, wie (gut) sie das umsetzen können. Stakes Are Hard … (aber sie lohnen sich nach meinem Dafürhalten).

oliof

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Re: [Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln …
« Antwort #56 am: 1.03.2011 | 10:12 »
Bevor ich anfange, mich auf den Vergleich zwischen Burning Wheel, Burning Empires und Mouse Guard vorzubereiten, hier mein abschließendes Fazit zu Burning Wheel. Nota Bene: Die Einschätzung beschränkt sich auf die rein analytische/lesende Betrachtung und fußt auf keinerlei bisheriger Spielerfahrung mit Burning Wheel.




Burning Wheel ist eine Reihe, die durch Beständigkeit und Konstanz besticht. 5 Bücher in 9 Jahren sprechen von einem guten Rhythmus zwischen Veröffentlichung und Weiterentwicklung. Man merkt aber auch, dass die älteren Bücher von ihren Revisionen profitieren, insbesondere weil die jüngeren Exemplare deutlich weniger geschliffen daherkommen. Keiner der Folgebände ist wirklich notwendig um Burning Wheel zu spielen, aber sie alle ergänzen und erweitern das Grundspiel, ohne bestehende Annahmen zu invalidieren. Meiner Einschätzung nach sind die Nachfolgebände zunehmend optional — der Monster Burner bietet für fast alle Spieler was, der Magic Burner ist nur was für Leute, die (mehr (Einblick in die)) Magie brauchen und der Adventure Burner ist ein interessanter, aber fast überflüssiger Sammelband von Miscellanea (immerhin haben die Leute vor seiner Erscheinung knapp sieben Jahre auch so Burning Wheel schreiben können).

Das Spiel will charakterzentriertes, dramatisches Spiel liefern, und bedient sich dabei bekannter Mechanismen; die Beliefs sind ähnlich wie Pfade bei TSoY Flags, es gibt Gummipunkte für "richtiges Rollenspiel" wie bei Savage Worlds; gewürzt mit einer Prise Gruppendynamik durch die Abstimmungsregeln für Sonderverdienste ums Spiel. Ein Teil der Mechanismen scheint eine Versicherung gegen asoziales Verhalten zu sein (Beispiele: Instincts und Let it Ride sind Versicherungen gegen Spielleiter, die den Spielern keine Schnitte gönnen, Let it Ride ist aber auch eine Versicherung gegen Spieler, die solange würfeln wollen, bis sie es geschafft haben), und spätestens im Adventure Burner klingt mit der persönliche Meinung des Autors, die manchmal als Fakt verkauft wird (das gute Recht eines jeden Autors), ein etwas … pädagogischer Ton durch, der mir hin und wieder doch die Freude am Werk verdirbt.

Die Aufmachung des Buches ist schlicht, textlastig (aber dank professionellem Layout ausserordentlich gut lesbar), und über die Jahre stabil. Auch das spielt mit in die Gesamtbewertung ein: Burning Wheel tut was es will, und verspricht was es tut. Dem klassischen ARS-Spieler würde ich es nicht empfehlen, dem klassischen freien Erzählspieler, der keinen grossen Wert auf die Regeln legt, aber auch nicht. Insofern ist das System ein … Hybrid der versucht, über ausgefeilte Mechanismen die Charakterentwicklung (nicht nur von den Werten her) voranzutreiben. Das kann gelingen, wenn die Spieler die gleiche Einstellung zu den Regeln haben; sie also entweder doch ignorieren oder sich auf das Experiment der Immersion durch Regelanwendung einlassen.
« Letzte Änderung: 1.03.2011 | 21:32 von oliof »

Offline Der Wray

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Re: [Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln …
« Antwort #57 am: 2.03.2011 | 17:15 »
Danke für Deine ausführliche Exkursion durch das Magnum Opus. Ein paar persönliche Anmerkungen von mir:

Ich kann die Empfehlungsreihenfolge nicht teilen. Ich empfinde zwar alle Bücher als irgendwie notwendig, würde aber trotzdem den Adventure Burner vor dem Magic Burner empfehlen, vielleicht sogar noch vor dem Monster Burner. Es stimmt zwar, dass BW auch viele Jahre ohne ihn gespielt wurde, aber: Ohne die Wiki und die offiziellen Foren, und ohne Erfahrungen mit anderen Spielen mit vielleicht ähnlicher Premisse, hätte glaub ich kaum einer gewusst, wie es zu spielen ist.

Gerade die Kapitel über Beliefs, Artha Awards, Trait Votes, Wises & Campaign Burning halte ich für drastische Abkürzungen, die einem eventuell Monate des Grübelns und praktischen Rumprobierens ersparen können. Aber ich denke, den Adventure Burner lernt man erst zu schätzen, wenn man einige Sessions auf dem Buckel hat. So wars bei mir (als es ihn noch nicht gab): Ich musste andauernd das Forum & die Wiki konsultieren. Gerade die Beliefs bzw. wie man sie als Gruppe schreibt, haben mir Probleme gemacht. Und mit dem Evolve-Zyklus, durch den Beliefs auf organische Weise zu Traits werden, und zu besseren Traits werden, konnte ich nichts anfangen. Da hab ich viele Stunden verschwendet. Jetzt hab ich den Adventure Burner, und obwohl ich ja nun schon vorher wusste, wie es läuft, finde ich immer wieder sachen, die das Spiel noch samtiger machen.

Für mich gestaltet sich das so: Das Core-Set erklärt die Regeln und wie sie funktionieren, der Monster Burner geht in die mechanische Tiefe und erklärt auf dieser Ebene, wieso die Regeln so sind wie sie sind. Aber der Adventure Burner erklärt, wie man mit diesen Regeln überhaupt spielt und eine Geschichte erzählt.

Zum "Ton" in den Commentaries: Ich denke das liegt daran, dass einige Kapitel nicht von Luke geschrieben wurden sondern von erfahrenen Spielern. Ich weiß nicht, ob das alles BWHQ Mitglieder waren oder auch ein paar Profis aus dem Forum. Irgendwo hab ich gelesen, dass er damit beschäftigt war, die so umzuschreiben, dass sie nicht rausfallen vom Tonfall. So ganz scheint das dann ja nicht geklappt zu haben. Gestört hat's mich nicht, aber ich habe die Bücher auch nie einer solchen Demontage unterzogen, da ich schon vorher mit Leidenschaft dabei war. Ich denke "Leidenschaft" ist eine ganz wichtige Voraussetzung bei BW, die einen über die vielleicht etwas holprige Lernphase hinweghilft.

Cheers!
Der Wray
« Letzte Änderung: 2.03.2011 | 17:17 von Der Wray »
Got 'cha!

oliof

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Re: [Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln …
« Antwort #58 am: 2.03.2011 | 17:46 »
Ich war ja am Schwanken, was den Adventure Burner betrifft. Aber er scheint mir bisher nur nützlich nicht aber notwendig.

Keinesfalls wollte ich sagen, das man den Adventure Burner weglassen soll. Vielleicht versuche ich es doch noch etwas qualifizierter:

Grundregeln und Character Burner: Essentiell, schliesslich stehen hier die Regeln drin.

Monster Burner: Für Leute, die gerne mit den Regeln rumspielen und selbst (Welten) Basteln wollen

Magic Burner Für Leute, die gerne eine unglaubliche Auswahl an Magiesystemen haben. Für Leute, die dem Monster Burner was abgewinnen können, eine gute Empfehlung

Adventure Burner: Für Leute, die mehr Hintergrund zu den Regeln erfahren wollen.

Darunter soll aber die eigentliche Crux nicht untergehen: Das System ist in den eingeschliffenen Kategorien schwer zu verorten, und kann deswegen entweder ein Augenöffner (für Crunch/charakterzentriertes Spiel) sein, oder eine massive Enttäuschung, weil die Mechanismen so sehr ineinander verflochten sind, dass man kaum eines weglassen kann und noch ein vollständiges (oder vollständig funktionierendes) System hat.

Offline Yehodan ben Dracon

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Re: [Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln …
« Antwort #59 am: 3.03.2011 | 15:02 »
Vielen Dank, oliof, für die tiefen und kritisch angemerkten Einblicke in dieses mir bislang völlig unbekannte System. Es klingt irgendwie trotzdem nach etwas, das mich anspricht.

Wenn ich von meinem "einfach, einfacher, Savage Worlds"-Trip vielleicht mal runter bin, ist es einen Blick wert.
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chainsawbeaver

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Re: [Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln …
« Antwort #60 am: 9.03.2011 | 15:16 »
Auch von mir vielen Dank, deine Rezi ist sehr interessant zu lesen.

Hast Du den vor es in nächster Zeit zu spielen?

oliof

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Re: [Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln …
« Antwort #61 am: 9.03.2011 | 20:52 »
Ich plane demnächst eine Burning Empires Runde zu leiten; und meine geplante Artesia/EarthDawn/TSoY-Runde könnte eventuell auch mit Burning Wheel laufen (allerdings bin ich mir über den Zugewinn gegenüber TSoY proper nicht ganz im Klaren, das ist noch eine Reißbrett-Idee).

Offline Der Wray

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Re: [Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln …
« Antwort #62 am: 10.03.2011 | 01:46 »
Bei Storygames wurden die Unterschiede zwischen Burning Wheel und TSOY mal besprochen, also thematisch gesehen. Vielleicht hilft Dir das ja bei der Entscheidung. Ich fands sehr interessant zu lesen, habe aber mit TSOY überhaupt keine Erfahrung. Ich hab das Solar System erworben und ein paar mal gelesen, und es gefällt mir sehr gut. Steht auf jeden Fall auf meiner Liste..

Cheers,
Wray

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oliof

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Re: [Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln …
« Antwort #63 am: 10.03.2011 | 03:44 »
Solar System / TSOY kenn ich … eher besser. Der Story Games Thread ist spannend. Ich glaube John Harper trifft den Nagel auf den Kopf:

Zitat von: http://story-games.com/forums/?CommentID=170601
TSOY is about being an empowered agent of change in the world. You believe in things and they fuel your drive to change the world. You grow and transform yourself until you transcend the world and leave it behind. Also, deep down, TSOY is about love.

Burning Wheel is the struggle. You are driven by your beliefs to risk everything; to suffer, to endure, to battle against all odds. You're empowered to strive. At it's heart, BW is about perseverance.

Die Frage ist also weniger, welches System passt, und mehr, welches Erlebnis die Spieler wollen.