Hey.
Ich bin seit langem mal wieder dazu motiviert ein Rollenspiel zu basteln. Konkret handelt soll es sich um ein System zu einem gefährlichen und düster-exotischen Steamfantasy Setting, das sich mit Mechanical Dream oder Bas Lag am ehesten vergleichen lässt.
Im ersten Post will ich erstmal meine Intention deutlich machen. Meine bisherigen Mechanismen schiebe ich dann mal hinterher.
Was will ich mit diesem System erreichen?
Ganz kurz: Prinzpiell soll das ganze also ein relativ klassisches leichtes System mit nähe zun Liquid oder dem (neueren) Storytellersystem werden, dass aber der körperlichen und psychischen Verfassung der Charaktere mehr Aufmerksamkeit schenkt und eher "gritty" als "cineastisch" ist.
Grundsätzlicherere Überlegungen: In dem System sollen die Charaktere im Mittelpunkt stehen. Und zwar in ihrer Auseinandersetzung mit ihrer sozialen und natürlichen Außenwelt, sowie den Zwängen die von ihnen ausgehen. Dabei werden sie einerseits als fähige Akteure, aber auch als in vielerlei verletzliche Wesen betrachten, in denen das Geschehen körperliche und seelische Spuren hinterlässt.
Ich will mich einerseits von einem Simulationsanspruch abgrenzen, der glaubt, ein Rollenspielsystem könne unabhängig von den Spielern (dem SL eingeschlossen) objektiv eine Welt simulieren. Auch habe ich kein Interesse an exorbitanten Regelwusten, die unglaublich betreuungsintensiv sind und viel Einarbeitungszeit beanspruchen.
Andererseits will ich auch kein "Narratives" System schreiben, in dem das Setting oftmals zur Staffage verkommt, genau wie die Charaktere oftmals zweitrangig werden, indem "die Geschichte" als dramatische Metastruktur in den Vordergrund tritt. Anstatt Abstrakta wie Konflikte oder Spannungsbögen in den Mittelpunkt zu stellen, soll der Charakter in seinen Eigenschaften als generativer Ansatzpunkt funktionieren, dem eine bedrohliche Welt mit ihrer Eigengesetzlichkeit gegenübersteht. Dementsprechend wird auf formalisiertes Metagaming weitgehend verzichtet und eine klassische Arbeitsteilung beibehalten.* Die Spieler haben vor allem Einfluss durch ihren Charakter und auf ihren Charakter. (Vielleicht baue ich trotzdem ein Chips-System mit begrenzten Möglichkeiten ein)
Die Identifikation mit dem verkörperten Charakter, das Mitfühlen und auch die Sorge um ihn sind zentraler Bestandteil des erwünschten Spielerlebnisses. Spannungsbögen und Dramatik gibt es, aber sie werden nicht von einer Metastruktur forciert oder schematisiert. Sie sind das Resultat der Dynamik der Spielenden.
Die Aufgabe des Systems ist es, die Interaktion zwischen Spielern und vorgestellter Welt formell zu regeln, in erster Linie dort, wo dies nicht auf sprachlich-schauspielerischer Ebene geschehen kann. Sowohl im Hinblick auf die Manipulationsmöglichkeiten des Charakters, aber auch im Hinblick auf die Zwänge, denen der untersteht. Das System ist aber nicht das Spiel an sich.** Es gibt durch den Zufall Impulse für das Spiel und gibt der Welt, also dem gemeinsamen Vorstellungsraum, und den Charakteren schärfere Kontueren. Es schafft Möglichkeiten, stellt aber auch Probleme und hat eine gewisse Eigendynamik.
Woran ich versuche mich als Designkriterium zu orientieren ist neben Schlankheit auch, die Zahl der für das funktionieren des Systems nötigen Kommunikationen zu minimieren. Viele Spiele werden dadurch ausgebremst, dass für einen Regelvorgang ständig alle möglichen Informationen, vor allem Werte, ausgetauscht werden müssen. Vor allem wenn es dafür keine Routinierten Frage-Antwort Schemata zwischen SL und Spielern gibt, ist dies oftmals ein Problem.
Soweit meine ersten Überlegungen.
*Ich persönlich finde "Narrative" Spiele mit viel Metagaming oft unglaublich anstrengend und oft machen sie mir auch weniger Spaß als "klassische" Spiele: Ich muss ständig überlegen, was die Geschichte als Ganzes weiterbringt und bin frustriert, wenn auf eine Idee die ich hatte nicht eingegangen wird. Oftmals wirken Runden wie ein Nebeneinander von nicht verbundenen Einzelszenen. Und die Unsicherheit ob irgend eine Idee im Hinblick auf die Entwicklung des weiteren Spiels gut ist oder nicht hemmt mich. Eine Möglichkeit dem zu entgehen, ist in der Gruppe darüber zu diskutieren, aber dies raubt Zeit und dazu kommt, dass es immer schwerer wird im Gedächtnis klar zu machen, welche Handlungsverläufe "gültig" sind und welche nur erwogen und verworfen wurden. Die Konsistenz ist oft schwer aufrecht zu erhalten, was eine gewisse Beliebigkeit zur Folge hat. Oftmals werden Charaktere und handlung holzschnitthaft, einfach weil man die Anforderungen des systems ("Die Szene muss mit einem Konflikt enden!") erfüllen will.
**Das eigentliche Spiel ist einerseits viel komplexer, als das, was in jedem Rollenspielbuch steht, andererseits ist es meiner Ansicht nach auch selbsterklärend, d.h. wird in der Regel intuitiv verstanden und entsteht eher durch die Spielpraxis als durch die Auslegung eines Textes.