Autor Thema: [Fiasco] Cactus Town  (Gelesen 1334 mal)

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Pyromancer

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[Fiasco] Cactus Town
« am: 25.08.2011 | 11:24 »
Kansas, November 1860. Es gärt in den Vereinigten Staaten. Lincoln wurde zum Präsidenten gewählt, an einigen Stellen wird offen überlegt, aus der Union auszutreten, Krieg liegt in der Luft, und im Städtchen Cactus Town hat der Chef der kleinen Miliz am pazifistischen Gemeinderat vorbei eine 12pfünder Gebirgshaubitze bestellt...

Playset: Boomtown

Charaktere:
Jeremia Dawson, Friedensrichter
Frederick Smith, Waffenhändler
Captain McSnurd, Milizchef


Frederick Smith – McSnurd
Beziehung: Arbeit, Fachmann und Kunde
Ort: Droben in den Hügeln, der Galgenbaum

McSnurd – Jeremia Dawson
Beziehung: Gemeinwesen, gewählte Amtspersonen
Gegenstand: Waffe, die 12pfünder Gebirgshaubitze

Jeremia – Frederick
Beziehung: Vergangenheit, sie wuchsen zusammen im Osten auf.
Bedürfnis: Respektiert werden, in dem sie die Maschine zu Fall bringen.

Interessant war, aus diesen Stichworten ein kohärentes Gesamtbild zu stricken. Lange Zeit sah es so aus, als wäre die Beziehung zwischen McSnurd und Smith die zwischen Henker und Verurteiltem (das bot sich halt wegen des Galgenbaumes an), am Ende war dann doch Smith der Waffenhändler, der McSnurd die Haubitze verkauft. Der Galgenbaum wurde als konspirativer Treffpunkt etabliert, die Waffe war eh klar, und das Bedürfnis wurde sehr, sehr lose so interpretiert, dass der Friedensrichter Respekt dadurch will, in dem er den militärisch-industriellen Komplex in Vertretung von Smith und McSnurd in seine Schranken weist.

Die erste Szene geht dann auch damit los, dass der Friedensrichter auf einer von ihm einberufenen Versammlung die Menschen der Stadt davon überzeugt, am nächsten Tag zur Mittagszeit für den Frieden zu demonstrieren.
2. Szene: McSnurd und Smith treffen sich konspirativ am Galgenbaum. Die Haubitze soll am nächsten Mittag per Bahn eintreffen. McSnurd überredet Smith, dessen Leute einen Banditenüberfall simulieren zu lassen, um die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass man mehr Waffen braucht; und der pazifistische Friedensrichter soll dabei umkommen.
3. Szene: Smith im Saloon trifft seinen alten Freund aus Kindertagen und erfährt, dass dieser der Friedensrichter ist (dessen Tötung er zwischen den Szene per Telegramm angeordnet hat). Er selbst verschweigt den wahren Grund seines hierseins.
4. Szene: Nächster Tag, der Friedensrichter führt die Friedensdemonstration an, als die „Banditen“ angreifen. Smith gibt Zeichen, den Überfall abzubrechen, Verwirrung entsteht, Leute werden verletzt, und am Ende wird einer der Banditen überwältigt.
5. Szene: Um den Banditen daran zu hindern, zu plaudern, wiegelt McSnurd mit Smiths Hilfe die Leute im Saloon dazu auf, den Banditen zu lynchen.
6. Szene: Smith versucht seinem alten Freund, dem Friedensrichter, gut zuzureden und zu beruhigen, als der zu Lynchende am Saloon vorbeigetragen wird, Smith erkennt und ihn anfleht, ihm zu helfen.

Tilt:
Die Ankunft höherer Autoritäten: Der Marshal kommt!
(Metaphorische) Tiere sind los: Die übrigen Angestellten von Smith finden es nicht gut, dass einer der ihren gehängt wird und klauen die Haubitze.

7. Szene: Der Friedensrichter versucht, sich durch die Menge zum zu lynchenden Banditen zu zwängen, um mehr über die Hintergründe der Tat zu erfahren, und kriegt dabei ordentlich aufs Maul. Eine Massenkeilerei entsteht, in deren Verlauf ein kleines Grüppchen zum Galgenbaum hochzieht und die Hinrichtung durchführt. Der Tumult auf der Straße eskaliert, ein Geschäft wird geplündert und in Brand gesteckt. Der ankommende Marshal kann die Menge auseinandertreiben.
8. Szene: Der Marshal versucht, herauszufinden, was wirklich passiert ist. McSnurd randaliert und provoziert und wird seines Dienstgrades beraubt und in den Knast gesteckt.
9. Szene: Smith ebenso. Ein aufgeregter Bote berichtet, die Haubitze sei verschwunden.
10. Szene: Die Ex-Angestellten von Smith haben sich mit der Haubitze in den Hügeln verschanzt und fordern 50.000 Dollar, sonst nehmen sie die Stadt unter Beschuss. Der Friedensrichter schafft es, sie zu überreden, vorerst nicht zu schießen. Die Haubitze herausrücken wollen sie aber auch nicht.
11. Szene: Zurück in der Stadt, Gerichtsverhandlung. Der Bürgermeister sagt aus, dass die Beschaffung der Haubitze mit ihm abgesprochen war und dass er es versäumte, den Gemeinderat mit einzubeziehen. Es entsteht ein Tumult, am Ende wird die Anklage gegen McSnurd und Smith wegen Verfahrensfehlern niedergeschlagen.
12. Smith will seine Haubitze zurück und reitet alleine in die Hügel, um seine Mitarbeiter zur Raison zu bringen. Das klappt natürlich nicht, jemand fängt an zu schießen, Smith wird er getroffen, fällt vom Pferd, bleibt im Steigbügel hängen und wird in den Sonnenuntergang gezogen.

Nachspiel:
Der Friedensrichter Jeremia Dawson verliert auf Grund der Vorfälle seinen Rückhalt in der Bevölkerung, wird nicht wiedergewählt (nur einer stimmte für ihn, er selbst), seine Frau verlässt ihn, er wird gemobbt, und letztendlich verlässt er Cactus Town. Desillusioniert zieht er durch die Gegend, gerät in eine Saloon-Schlägerei, wo er seine pazifistische Grundüberzeugung vergisst und zurückschlägt. Es ist nicht ganz klar, was genau passiert ist, auf jeden Fall ist er nun ein gesuchter Mörder auf der Flucht vor den Behörden.

Waffenhändler Smith überlebt die Schießerei, wird allerdings später noch ausgeraubt, niemand glaubt ihm seine Geschichte, seine Beinverletzung entzündet sich und er endet als Bettler auf der Straße einer unbekannten Stadt.

Ex-Captain McSnurd kämpft als einfacher Soldat im Bürgerkrieg; weder besonders tapfer noch besonders erfolgreich. Er verliert seine Beine nicht durch den Feind, sondern durch den Frost, und endet nach einigen Jahren der Bettelei als kleine Erhebung unter einer Schneewehe.

...und in den Hügeln über Cactus Town steht bis heute eine unbenutzte 12pfünder Gebirgshaubitze und rostet langsam vor sich hin.



Das war ja alles gar nicht so schwer. Die anderen Spieler waren am Anfang zwar etwas irritiert über die Playset-Elemente-Raussucherei, das hat sich aber schnell gelegt. Das Spiel selbst hat weitestgehend flüssig funktioniert; oft waren genau zwei der Charaktere in der Szene, so dass der dritte Spieler automatisch die NSCs übernommen hat. Ab und zu musste man sich ein bisschen koordinieren, aber es lief. Ich kann mir aber vorstellen, dass das mit 4 oder 5 Spielern noch einen Tacken aufwändiger wird.
Wir wären ab und zu fast der alten Forge-Krankheit verfallen, zu viel voraus zu planen statt zu spielen, und ich glaube, wir haben auch den Fehler gemacht und zu viel mit conflict resolution gearbeitet statt mit scene resolution.

Als One-Shot-System ist Fiasco aber wirklich topp. Wir haben mit Regelerklärung und allem ziemlich genau drei Stunden gespielt (unterbrochen durch eine Essenspause beim Tilt),  vorbereiten muss man nix (na gut, einer muss die Regeln lesen und verstehen, aber das hab ich jetzt ja gemacht) und Spielleiter gibt es auch keinen. Ich denke, ich hab mein neues Sonntag-Morgen-auf-Cons-Spiel gefunden.

Offline Harry

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Re: [Fiasco] Cactus Town
« Antwort #1 am: 25.08.2011 | 13:49 »
Vielen Dank für den Bericht!

Wir haben mit Regelerklärung und allem ziemlich genau drei Stunden gespielt

Wie zum Henker schafft ihr das alle? Ich habe jetzt bei drei Versuchen (zweimal vier, einmal 5 Spieler/innen) immer 4, eher 5 Stunden gebraucht. Im Buch steht ja auch was von 3 Stunden. Bin ich besonders lahmarschig? Spielen wir zu viel Colour?

Liebe Grüße,
H.
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Pyromancer

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Re: [Fiasco] Cactus Town
« Antwort #2 am: 25.08.2011 | 17:29 »

Wie zum Henker schafft ihr das alle? Ich habe jetzt bei drei Versuchen (zweimal vier, einmal 5 Spieler/innen) immer 4, eher 5 Stunden gebraucht. Im Buch steht ja auch was von 3 Stunden. Bin ich besonders lahmarschig? Spielen wir zu viel Colour?

Ich sehe da eigentlich nichts verwunderliches daran, dass das Spiel mit mehr Spielern länger dauert. Wir haben mit drei Spielern drei Stunden gebraucht, da klingt vier Stunden mit vier Spielern nicht sonderlich lahmarschig. Mehr Spieler bedeutet mehr Szenen, und bedeutet auch potentiell längere Szenen, potentiell längeres Brainstorming durch mehr Ideen und nur ab und zu kürzere Phasen des gemeinschaftlichen auf-dem-Schlauch-stehens, weil bei vier oder fünf Leuten doch öfter einer gleich eine zündende Idee hat als bei drei. Ich würde mir da an deiner Stelle keine Sorgen machen. ;)

Ich schätze mal, dass wir für's reine Szenenspiel (also abzüglich Settingbau und Nachspiel) zwei Stunden gebraucht haben, also im Schnitt 10 Minuten pro Szene.

Offline Steffen

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Re: [Fiasco] Cactus Town
« Antwort #3 am: 25.08.2011 | 18:29 »
Danke für den Spielbericht! Die Idee mit der Gebirgshaubitze und dem Gemeinderat ist klasse!

Meine Fiasko-Runden dauern meist 2,5 Stunden mit 3 Spielern und etwas länger mit 4.
« Letzte Änderung: 25.08.2011 | 18:31 von Steffen »

Offline Daniel

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Re: [Fiasco] Cactus Town
« Antwort #4 am: 25.08.2011 | 18:54 »
Vielen Dank für den Bericht!

Was die Spielzeit angeht, so haben meine bisherigen Runden auch mit fünf Leuten nur ca. 3,5 bis maximal 4 Stunden gedauert.

Offline Patti

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Re: [Fiasco] Cactus Town
« Antwort #5 am: 25.08.2011 | 20:44 »
Das klingt sehr cool.
Was die Zeit angeht, hab ich meine Runden zwar nicht mitgestoppt, hatte aber auch das Gefühl, so 4 stunden aufwärts zu spielen. Passt doch. Man ist ja selten unter Zeitdruck.
"Klar geh ich Bibliothek. Ich les scho auch Buch." (Anonymes Südstadtmädel)