Salve,
in den letzten paar Tagen habe ich eine ganze Weile rumgebastelt und den Entwurf eines narrativen Kampfsystems für GURPS erstellt, die ersten Tests funktionierten soweit auch schon ganz gut
Ich habe mich dabei von verschiedenen System-Konzepten inspirieren lassen, u.a. von FATE und vom Mass Combat-System der 4e. Im Kern setze ich dabei auf den Quick Contest-Mechanismus, ergänze diesen aber mit abstrakten Modifikatoren für unterschiedliche "Ausrüstungsklassen" u.ä., sowie einem abstrakten "Schadenssystem", das erzählerisch umgesetzt wird und je nachdem als Resultat am Ende echte Trefferpunkten/Wunden oder auch einfach eine irgendwie geartete Niederlage (Schock/moralisch/psychisch/o.ä.) für eine Seite hervorbringt. Zudem denke ich über den optionalen Einsatz von Tarotkarten an, weil das sehr schön mit diesem erzählerisch/schicksalhaften Ansatz harmoniert.
Der Vorteil einer solchen Methode besteht jedenfalls darin, dass das System für normale, größere Kämpfe deutlich einfacher ist als "richtiger", schlachtmäßiger Mass Combat mit allen möglichen Optionen und auch das spezifischere "Bauen" der Truppen mit Troop Strength, Klasse, Bewegungswerten usw. ist nicht mehr nötig, sondern wird durch ein relativ intuitives Vergleichs-System ersetzt, mit dem man auch relativ schnell ohne Vorbereitung einen größeren Kampf umsetzen kann.
Hohe Geschwindigkeit im "mid-scale"-Bereich ist auch ein zentraler Vorteil, den das narrative System bringen soll, also Kämpfe mit vielen Beteiligten schnell aufzulösen. Was "large-scale" (Schlachten) angeht ist Mass Combat ohne Frage der beste Weg und für die "small-scale", also die detaillierte Auflösung von Kämpfen wie Duelle, wichtige Endkämpfe bzw. insbesondere Kämpfe mit wenigen Beteiligten ist das normale Kampfsystem ohne Frage ganz ausgezeichnet. In diesem mittleren Bereich ist Mass Combat aber leider oversized und das normale Kampfsystem oft zu zeitintensiv, wenn Kampf nicht der primäre Fokus einer Session sein soll (die andere Lösungsvariante an dieser Stelle sind gut optimierte Mook-Regeln, das ist in vielen Fällen auch ein Weg).
Entscheidender Nachteil ist sicherlich die grobe Einstufung von Equipment, Kräften usw. (relative Stärke) nach Augenmaß bzw. Orientierungs-Tabelle vor dem eigentlichen Kampf, diese Schwäche wird hier aber bewusst in Kauf genommen (in Analogie zu entsprechenden Indie-Games), um die relative Einschätzung dieser Qualitäten sehr schnell und ohne komplexe Berechnung vornehmen zu können. Auch fallen notwendigerweise einige Differenzierungen bei diesem Vergleich (temporär) durch das grobkörnigere Raster, was ebenfalls der Einfachheit dienen soll, da es für die narrative Ebene auf diese Weise gut funktioniert.
Schließlich ist natürlich die Abstraktion bzw. der Fokus auf den dramatischen Erzählaspekt sehr vorteilhaft in manchen Situationen, wobei das aber meiner Meinung natürlich eher eine kleinere Zahl ist gegenüber all den Fällen, wo man mit dem Standardsystem bzw. auch Mass Combat am Besten fährt, d.h. es geht jetzt eher um die Anforderungen seltenerer Fälle
Zwei der Beispiel-Situationen an die ich bei der Entwicklung bislang gedacht habe sind die folgenden:
1.) Ein Phaser-Schusswaffen-Gefecht wie es z.B. bei Star Trek vorkommt. Hier ist IMHO das Problem beim normalen System, dass ein Versuch die Waffen vernünftig zu modellieren dummerweise daran scheitern muss, dass der Ablauf typischer Serien-Kämpfe schon von der Vorgabe her gefechtsmäßig/waffentechnisch nicht plausibel ist, d.h. durch eine sinnige Simulation der Waffen kann nicht das Herauskommen was die Serie zeigt. Es scheint mir hier viel effektiver zu sein die Dramatik in Form des Konfliktes der Fähigkeiten und der Ausrüstung der Parteien zu simulieren, da es ja letztlich nur um den dramatischen Verlauf und Ausgang des Kampfes geht und die Details rein erzählerisch zu improvisieren...
(Hintergrund: Simulation einzelner Schüsse ist hier IMHO ziemlich sinnlos :p Würden z.B. selbst nur heute schon verfügbare elektronische Zielsysteme eingesetzt, statt immer die Luft zu sieben, würde kaum ein Charakter die ersten Sekunden überleben und generell ist es sowieso das Problem, dass ein Char bei derart mächtigen Waffen ohne Energieschild oder High-Tech-Armor kaum plausibel richtige Treffer überstehen könnte).
2.) Ein normaler Nahkampf-Encounter, der aber kein Endkampf sein soll, z.B. im Bereich medieval Fantasy, mit ca. 5 Helden auf der einen Seite und einer etwas größeren Zahl von ca. 15 Goblins und Orks, im Vergleich also eher schwächeren Gegnern, auf der anderen Seite. Normale Kämpfe mit einer Größenordnung von 20 Subjekten auf dem Feld dauern schon eine ganze Weile, durch diverse Manöver, Bewegung, Parieren/Ausweichen, Schaden einstecken, spezielle Aktionen etc. - Manchmal möchte man aber eigentlich gar nicht so viel Zeit für den Kampf aufwenden, obwohl dieser trotzdem nicht einfach komplett geschenkt bzw. komplett "handwaved" sein soll... Beispielsweise könnte ein denkbarer Hintergrund sein, dass der Schwarzmagier den Helden im Burghof seine Vasallen entgegen schickt, um diese aufzuhalten (Kampf als Hürde), obwohl der eigentliche Endkampf im Anschluß gegen den Magier und seinen Golem stattfinden soll, sofern diese auf der Flucht gestellt werden können. In diesem Fall würde es sich anbieten den ersten Kampf narrativ und recht schnell abzuhandeln, um bei erfolgreichem Ausgang mehr Zeit für den Endkampf im normalen System zu haben.
Was haltet ihr von der Grundidee? Würdet ihr ein solches narratives System einsetzen wollen, bzw. in welchem Kontext würdet ihr den Bedarf sehen? (Zustimmung zu meinen Beispielen, Ergänzungen, andere Meinungen...?)
Falls es mir gut gelingt, das weiterzuentwickeln, die weiteren Detail-Tests gut verlaufen und sich nach den Überarbeitungen ein rundes Ganzes zusammenfügt, würde ich wohl versuchen einen Pyramid-Artikel daraus zu machen, wenn SJG daran interessiert ist...